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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2003, Seite 8

Lobbyarbeit bei Eichel

Die Wirtschaft macht ihre Gesetze selbst

von Angela Klein

Die Regierung will durch die Agenda 2010 an den Arbeitslosen 2,3 Milliarden sparen. Für das 8-Milliarden-Loch in der Rentenkasse sollen die Alten aufkommen. Aber die Versicherungsgesellschaften bekommen mit Leichtigkeit 5—10 Milliarden Euro Steuererleichterungen zugesprochen.
Wie machen sie das nur? Durch Lobbyarbeit. Klinkenputzen im Finanzministerium ist alles — und auch schon nicht mehr. Denn die Verstrickung zwischen dem großen Geld und der hohen Politik ist längst weiter fortgeschritten.
Mitarbeiter von Banken- und Fondsverbänden sowie der Deutschen Börse haben im Bundesfinanzministerium an Gesetzesvorhaben mitgearbeitet, während sie von ihren Arbeitgebern weiter bezahlt wurden. Dort formulierten sie an Gesetzen und Verordnungen mit, die eigentlich ihre Arbeitgeber kontrollieren sollen. Das hat die Financial Times Deutschland (13.10.) herausgefunden.
Im Bundestag wird derzeit ein neues »Investmentmodernisierungsgesetz« behandelt. Es sieht vor, dass ab 2004 in Deutschland Hedgefonds erlaubt sein sollen; die sind sehr umstritten, weil hochgradig spekulativ. Von November 2002 bis Oktober 2004 hat ein Jurist der Deutschen Börse im Ministerium am Gesetz mitgearbeitet.
Der Lobbyverband der Fondsgesellschaften, BVI, hat von Januar bis August dieses Jahres eine hauseigene Juristin zu Eichel geschickt. Auch der Bundesverband der deutschen Banken hatte einen Mann in Berlin.
Alle diese Personen arbeiten im Ministerium Eichel und sind ausgestattet mit Schreibtisch, Computer und Telefon. Ihr Gehalt erhalten sie weiter von ihren Arbeitgebern.
Im Ministerium begründet man diese »Leiharbeit« damit, es sei »schwer, bei unseren Gehaltsstrukturen Experten aus der Wirtschaft abzuwerben«. Angeblich bringen sie höhere Fachkompetenz mit. Erstaunlich ist nur, dass der Rückgriff auf die »Kompetenz der Betroffenen« nur für die Wirtschaft gilt; die Erwerbslosenverbände wurden bei der Agenda 2010 nicht hinzugezogen: weder hatten sie Sitz in der Hartz-Kommission, noch wurden sie von den Fraktionen im Bundestag vor den Lesungen der Hartzgesetze angehört, noch gar haben sie Zutritt zum Ministerium Clement, um dort am Gesetz unmittelbar mitzuschreiben.
Das Thema beschäftigt jetzt den Bundestag.

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