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Im Mai diesen Jahres starb Marie Schlei. Dies mag erst einmal zu einem verdutzten »Na und?« reizen. Heidemarie
Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), meinte in der Laudatio am 21.Mai: »Als Marie
Schlei Anfang 1978 aus dem Amt schied, hatte sie zwar nur eine kurze Zeit an der Spitze des BMZ gestanden. Sie hat aber durch ihren engagierten Einsatz die
Arbeit des Ministeriums und dadurch auch der entwicklungspolitischen Community bleibend geprägt und ein Stück besser gemacht. Und wollen wir
das nicht eigentlich alle: Spuren hinterlassen, eine nachhaltige Wirkung erreichen?«
So wie Marie Schlei ein Kind der Arbeiterbewegung und der sozialdemokratischen
Frauenbewegung war und diese Herkunft auch im Ministerium nicht völlig verleugnete, so ist Heidemarie Wieczorek-Zeul eine Schwätzerin der
Postmoderne, die hier gar nicht wusste, wie Recht sie hatte. Die »entwicklungspolitische Community«, der Marie Schlei zum Leben verhalf,
heißt heute Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) und wurde auf Betreiben der damaligen Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit
1977 in München als Bundeskonferenz entwicklungspolitischer Aktionsgruppen gegründet. Die in dieser Zeit, als noch niemand von NGOs sprach,
lautstark auftretenden ML-Gruppen, die über einen lockeren Zusammenschluss von internationalistischen Gruppen die Nase rümpften und dieser
»kleinbürgerlichen« Formation ein kurzes Leben an der Leine des Ministeriums prophezeiten, haben sich genauso getäuscht, wie das
Ministerium selber, dass sich so einen Arm in die Bewegungen schaffen wollte.
Während sich in den letzten Jahren viele internationalistisch arbeitenden Gruppen der
Lobbyisierung verschrieben haben, setzt die BUKO weiter auf die sozialen Bewegungen als politischen Bezugspunkt. Ein basisdemokratisches
Selbstverständnis ist für sie wesentlich. Die Fragen nach Handlungsperspektiven gegen globalen Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat stehen im
Zentrum der BUKO-Aktivitäten.
Mit Radikal Global legt die BUKO in diesem Jahr eine Aufsatzsammlung vor, die Positionen
entwickelt zu den Themen »Globalisierungskritik, globale soziale Bewegung«; »Krieg und Frieden in der neuen Weltordnung«;
»Antirassismus, Migration, Sicherheitsgesetze«; »Imperialismus oder Empire«; und »Palästina und die deutsche
Linke«.
Mit der Assoziation A wurde ein Verlag mit der Herausgabe des Buches beauftragt, dessen
Hamburger Vorläufer VLA seit den frühen 90er Jahren bereits Aufsatzsammlungen zur Positionierung einer undogmatischen, internationalistischen
Linken veröffentlicht hat.
Eröffnet wird das Buch, in dem es um die Analyse verschiedenster gesellschaftlicher
Verhältnisse geht, durch einen von Ulrich Brand moderierten E-Mail-Austausch über den Zapatismus. Vielleicht ist es dem Bestreben der BUKO
gezollt, neue Wege nicht abseits liegen zu lassen, dass diese Form den einmal mehr akademisch, einmal mehr journalistisch gefärbten, aber immer
spannenden Positionsreigen eröffnet.
Im Beitrag von Ariane Brensell und Katharina Pühl über hegemoniale
Geschlechterverhältnisse in der Mitte des Buches, der in Form eines Zwiegespräches daherkommt, gelingt die Abweichung von der gängigen
Form auf jeden Fall besser.
Die politische Diskussion der 90er Jahre wird durch einen großen Teil der
Beiträge und durch die Beiträge zum 11.9.2001 und dem dritten Irakkrieg weitergeführt und neu belebt. Dass dabei im Umfeld der BUKO zu
vielen Themen unterschiedliche Positionen vertreten werden, wird dabei nicht verschwiegen.
Ich würde empfehlen, den Einstieg in die unendlichen Weiten der BUKO-
Diskussionsrunde mit den »Perspektiven für eine gesellschaftsverändernde Praxis« von Markus Wissen, Frederike Habermann und
Ulrich Brand zu beginnen. Danach sollte das persönliche Interesse sich den Weg durch dieses Universum bahnen.
Thomas Schroedter
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