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Die Kommunen befinden sich durch die »rot-grüne« Steuerpolitik in ihrer größten Finanzkrise.
Die Liberalisierung der Märkte durch WTO und GATS zwingt sie, kommunale Einrichtungen für das private Kapital zu öffnen. Damit geben
sie aber die Kontrolle und Erfüllung öffentlicher Aufgaben aus der Hand.
Der Ausverkauf der Sozialsysteme, Lohnrückgang und immer neue Belastungen
führen zur Verarmung weiter Bevölkerungskreise. Hinzu kommt ein dramatischer Bevölkerungsrückgang, der in den nächsten
Jahrzehnten die sozialen Disparitäten vor allem in den Städten verschärfen wird, während gleichzeitig die kommunalen
Handlungsfähigkeiten abnehmen. Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage nach der Zukunft der Städte.
In Niederkaufungen bei Kassel fand zu diesem Themenkomplex ein dreitägiges Seminar
statt, das sich gleichzeitig als Vorbereitung zum ESF in Paris (12.15.11.) verstand, wo diese Themen im europäischen Kontext behandelt werden.
Es geht darum, wie alternative Stadtentwicklung und Stadtplanung gemeinsam mit den lokalen Sozialbewegungen auf die neue Situation reagieren können.
Widerstand ist nötig angesichts der Weichenstellung in Richtung Globalisierung der Wirtschaft, die ihre nachhaltigen Auswirkungen bis hinunter auf die
Kommunalebene haben wird.
In seinem Grundsatzreferat gab Bernd Riexinger (Ver.di Stuttgart) einen Überblick zu
den sozialen Auswirkungen der neoliberalen Politik und berichtete über erfolgreiche Aktionen, die die Privatisierung der Müllabfuhr in Stuttgart
ebenso verhindert haben wie eine geplante, privat geführte zentrale Essenszubereitung für alle Krankenhäuser. Er machte klar, dass eine
reiche Gesellschaft wie die deutsche mit einer stetig steigenden Produktivität pro Arbeitsstunde sehr wohl in der Lage ist, die sozialen Probleme zu
lösen. Allerdings werden nur hart geführte soziale Auseinandersetzungen die neoliberale Politik aufhalten.
Es geht nicht um etwas mehr oder weniger Privatisierung, sondern um die Zerschlagung der
Sozialsysteme. Die Gewerkschaften müssen sich in die sozialen Bewegungen einklinken und dürfen nicht länger Steigbügelhalter
für immer neue soziale Gemeinheiten sein. In der konträr geführten Diskussion um alternative Stadtentwicklung und -planung wurde deutlich,
dass die schönste Planung nichts bringt, wenn sie an den Bedürfnissen und Wünschen der sozialen Gruppen vorbeigeht.
In den Grundsatzreferaten und den Berichten wurden die gravierenden Veränderungen
vor allem in den Städten aufgezeigt. Aufgrund zurückgehender Geburtenraten und unvermindert anhaltendem Wegzug wird sich die
Bevölkerungsstruktur in den Städten nachhaltig verändern.
So hat bspw. Berlin seit der Wende einen Bevölkerungsverlust von 30% zu verzeichnen
und wird bis zum Jahr 2020 nochmals um ca. eine halbe Million Menschen abnehmen. In Bremen wird die Bevölkerung bis 2020 um 100000 abnehmen, in
Hamburg um 224000. Dabei wird sich die Zusammensetzung so entwickeln, dass ca. die Hälfte der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben
wird und der Altenanteil stark zunimmt. In den vier brandenburgischen kreisfreien Städten wird 2016 der Altenanteil bei ca. 60% liegen. Angesichts dieser
Zahlen ist klar, dass diese Entwicklung gravierende Auswirkungen auf die Infrastruktur und die Wohnungspolitik in den Städten haben wird.
Immer noch gehen die Wohnpräferenzen in Richtung »bodennahes
Wohnen«, der Drang zum eigenen Häuschen ist ungebrochen. Das führt dazu, dass die wirtschaftlich Stärkeren wegziehen, die
Zersiedelung der Landschaft fortschreitet und vor allem der Individualverkehr zunimmt. Deshalb wurde die Forderung aufgestellt, die Eigenheimzulage zu
streichen. Die eingesparten Mittel sollten aber nicht wie geplant zu 25%, sondern in Gänze für die Sanierung von Wohnraum verwendet werden.
Darüber hinaus ist für Gebiete mit erhöhtem Wohnraumbedarf der soziale
Wohnungsbau zu fördern, vor allem in benachteiligten Stadtteilen. Es sollte für Genossenschaften nicht nur ein Neubauprogramm geben, sie sollten
auch daran gehindert werden, alten Wohnungsbestand mit erhöhtem Sanierungsbedarf abzustoßen, um sich dann an attraktiveren Marktstandorten
neu einzukaufen. Trotz Bedarfs an preiswertem Wohnraum werden die Mittel für den Mietwohnbau nicht mehr ausgeschöpft und fließen zum
Teil in die Förderung von Privateigentum.
Viel wichtiger aber wären quartierbezogene soziale Erneuerungsstrategien, um die
Aufgabe ganzer Stadtteile und in Folge deren Verarmung zu verhindern. Ein besonders negatives Beispiel für eine solche Entwicklung ist Hoyerswerda,
eine »aufgegebene Stadt«, wo die Jungen wegziehen und die Alten zurückbleiben. Eine solche Entwicklung hat einen äußerst
negativen Einfluss auf die gesamte Infrastruktur.
Auch in Frankreich gibt es ähnliche Probleme in den großen Städten, wo
Immigranten in der Hoffnung auf Arbeit aus Algerien und den anderen ehemaligen Kolonien Frankreichs ins Mutterland zogen und die Ghettobildung zunahm.
Viele Franzosen sind aus den Kolonien nach Frankreich zurückgekehrt und die sozialen Gegensätze zwischen den Migrantengruppen haben sich
weiter verschärft. In einigen Stadtteilen ist der Migrantenanteil in den Schulen so hoch, dass französische Mittelschichtfamilien ihre Kinder
verstärkt an privaten Schulen anmelden. Die Gegensätze zwischen den sozialen Gruppen erschweren eine Solidarisierung. Die
globalisierungskritische Linke in Frankreich hat sich dieser Probleme bereits angenommen.
Stadtentwicklung und Stadtplanung im Sinne angemessener Wohnbedingungen und eines
akzeptablen Umfelds kann nur gemeinsam mit den Sozialbewegungen geleistet werden. Die Armutsprojekte in Berlin, wo Obdachlosen ein temporäres
Wohnen in leerstehenden Häusern mit einer vagen Aussicht auf eine eigene Wohnung angeboten wird, wirken mehr wie ein hilfloses Reagieren. Die
Projektleiter kommen selber aus der Arbeitslosigkeit und gehen wieder dorthin zurück, wenn das Projekt nach drei Monaten endet.
Wenn Sozialhilfe- und Wohngeldempfänger mit ihrem staatlichen Zuschuss zur Miete
gemeinsam mit anderen Randgruppen durch Einzug in leerstehende Objekte verhindern sollen, dass Wohnraum verkommt, dann sind solche Projekte finanziell
so ungesichert, dass auch das Mieter-Fonds-Modell der Ökologiebank keine langfristige Lösung darstellt und die Möglichkeiten steuerlicher
Absetzbarkeit von den Betroffenen ohnehin nicht genutzt werden können.
Interessanter ist da ein Projekt der Stadt Freiburg, die auf einem Kasernenareal von 42 Hektar
(Freiburg-Vauban) seit 1994 ein Wohnprojekt fördert, um junge Familien mit Kindern anzusiedeln bzw. zu halten. Eine erweiterte
Bürgerbeteiligung war maßgeblich an der Quartiersgestaltung beteiligt. Die Stadt steuerte 40 Millionen zu und vermarktet die Wohnungen selber.
Mittlerweile ist die Hälfte des Areals nach modernen ökologischen Baustandards bebaut, was auch kindgerechte Verkehrsplanung für die
Siedlung einbezieht. Der uns dieses Projekt vorstellte und an der Planung mitbeteiligt war, hatte allerdings nur einen befristeten Vertrag. Eines aber hat das
Beispiel Freiburg gezeigt, es sind mehr Menschen für die Mitarbeit an solchen Projekten zu motivieren, wenn sie auch über die Verwendung
öffentlicher Gelder im Rahmen der Planung mitentscheiden können.
Larissa Peiffer-Rüssmann
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