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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2003, Seite 20

Mord & Totschlag

Arnaldur Indridason, Norder Moor, Bastei Lübbe 2003, 319 S., 6,90 Euro.

Island kommt. Nach dem nordischen Popwunder Björk, den furchteinflößenden Fußballspielern überrascht die Insel Krimifreunde mit Arnaldur Indridasons Roman Norder Moor. Mit sechs Auflagen innerhalb eines halben Jahres hat der preisgekrönte beste Krimi des Nordens 2002 auch in Deutschland seine Leserschaft gefunden.
Natürlich profitiert Indridasons Buch von der aktuellen Popularität skandinavischer Autoren wie Marklund, Fossum, Nesser und vor allem Mankell, der seit Jahren regelmäßig die Bestsellerlisten mit mehreren Werken belegt. Nun wird der Blick von Norwegen und Schweden auf die Insel gerichtet. Gleich auf dem Cover wirbt der Bastei-Lübbe-Verlag mit »Island-Krimi«. Allerdings werden keine vordergründigen Klischees bedient, weder Islandpferde und Geysire noch Seemannsschicksale spielen eine Rolle.
Kommissar Erlendur Sveinsson wird zu einem Tatort gerufen, an dem es so aussieht, als handele es sich um einen gewöhnlichen isländischen Mord, begangen an einem alten Mann, erschlagen mit einem Aschenbecher. Ein rätselhafter Zettel mit nur drei Worten wird bei der Leiche gefunden, der Computer des Alten ist vollgemüllt mit heruntergeladenen Pornos. Nichts passt richtig zusammen. Die Polizisten recherchieren in der Vergangenheit des Toten und erfahren von einer Anklage wegen Vergewaltigung vor 40 Jahren. Von Haustür zu Haustür, vom Gefängnis zum nationalen Genforschungszentrum erstrecken sich die Ermittlungen, Dauerregen ist der ständige Begleiter von Erlendurs Team. Und nicht nur nebenbei muss sich Erlendur um seine schwangere Tochter kümmern, die vom Heroin wegkommen will und ständig rückfällig wird. Sie bittet ihren Vater, eine private Untersuchung nach einer verschwundenen Braut durchzuführen, die ihn ebenfalls in eine düstere Vergangenheit leitet. Erlendur ist eindeutig die zentrale Figur dieses Romans, seine Zerrissenheit zwischen beruflicher Professionalität und väterlicher Hilflosigkeit haben manchmal etwas von Mankells Wallander an sich, seine Persönlichkeit wird aber eigenständig genug gezeichnet, sodass sich der Verdacht einer Blaupause rasch verliert.

Udo Bonn

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