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Gemessen am Einladerkreis (Marxistischer Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der PDS;
Marx/Engels-Stiftung Wuppertal; Geschichtskommission der DKP, Redaktion junge Welt & Redaktion SoZ) war die Resonanz eher gering. Knapp 40 Leute
kamen am 23./24.September ins Rathaus Schöneberg nach Berlin und diskutierten über »Arbeiterbewegung, neue soziale Bewegungen und
gesellschaftspolitische Alternativen«.
Das Publikum bestand überwiegend aus Rentnern der ehemaligen DDR-Intelligenz und
war offensichtlich »traditionalistisch« orientiert. Den zum Thema gemachten globalisierungskritischen Bewegungen standen viele kritisch, aber
interessiert gegenüber. Im Vordergrund stand dagegen die Abarbeitung an der real existierenden Organisationswelt der deutschen Arbeiterbewegung.
Gert Julius, bis zum Jugoslawienkrieg Lokalpolitiker der SPD und seitdem für die PDS
im Schöneberger Rathaus, erinnerte mit Verbitterung an die Stationen des politischen Niedergangs der Sozialdemokratie der letzten Jahre und führte
aus, dass sich die Hoffnung, die Gewerkschaftsbewegung würde die entstandene Lücke füllen können, nicht erfüllt habe. Diese
Regierung werde nicht an den Gewerkschaftsführungen scheitern, so Julius.
Heinz Karl ging in eben solcher Verbitterung auf die PDS ein und zeigte, wie weitgehend deren
Erklärung zum 17.Juni offenbare, dass die PDS im antikommunistischen Westen politisch angekommen sei.
Mit Interesse lauschten die Anwesenden Helma Chrenko, die am lateinamerikanischen Beispiel
das komplizierte Verhältnis von Arbeiterbewegung, Parteiorganisationen und sozialen Bewegungen thematisierte. Trotz weit verbreiteter Korruption,
Politikverdrossenheit und einer in den Alltag eingedrungenen Kultur der Gewalt, schaffe es die lateinamerikanische Linke nicht, die umfassende Zersplitterung
zu überwinden und ein neues linkes Hegemonialprojekt zu begründen.
War Chrenko eher verhalten in ihrer Hoffnung auf einen neuen Aufschwung sozialistischer
Ideen und Organisationen, plädierte der in Attac engagierte Sascha Kimpel, mit unter 30 der wohl jüngste im Saal, für eine neue soziale
Arbeiterbewegung, die die alten Strömungen von Reformismus und Stalinismus hinter sich lasse. Sein Versuch, die Aktualität des
revolutionären Bruchs zu begründen, wurde, wenn auch skeptisch, so doch wohlwollend aufgenommen.
Deutlich wurde dabei, dass solcherart zum Teil recht provokante Kritik der Traditionen
deutscher Arbeiterbewegung zwar manchen Unmut verursachte, nichtsdestotrotz bemerkenswert interessiert und solidarisch diskutiert wurde.
Den Höhepunkt bildete der Vorsitzende der KPÖ in der Steiermark, Franz Stephan
Parteder, der über die wahlpolitisch erfolgreiche KPÖ Graz berichtete. Mittels Konzentration auf die Kommunalpolitik wolle man einen Beitrag zur
Erneuerung der sozialistischen Bewegung zu liefern.
Auch Parteder sparte nicht mit Kritik an seiner eigenen politischen Tradition und betonte die
Schwierigkeiten, die gerade auch die eigene Klientel damit habe, sich nicht mehr passiv repräsentieren zu lassen, sondern selbsttätig aktiv zu
werden. Dass gerade dies jedoch zunehmend gelänge, erfüllt ihn mit vorsichtigem Optimismus.
Entsprechend beschwingt verließen die meisten der Teilnehmenden den Konferenzsaal
und warfen noch einen letzten Blick auf die am Saaleingang fest verankerte Büste des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert.
Christoph Jünke
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