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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2003, Seite 21

Neuer Antikapitalismus II

»Traditionalisten« diskutieren alte und neue soziale Bewegungen

Gemessen am Einladerkreis (Marxistischer Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der PDS; Marx/Engels-Stiftung Wuppertal; Geschichtskommission der DKP, Redaktion junge Welt & Redaktion SoZ) war die Resonanz eher gering. Knapp 40 Leute kamen am 23./24.September ins Rathaus Schöneberg nach Berlin und diskutierten über »Arbeiterbewegung, neue soziale Bewegungen und gesellschaftspolitische Alternativen«.
Das Publikum bestand überwiegend aus Rentnern der ehemaligen DDR-Intelligenz und war offensichtlich »traditionalistisch« orientiert. Den zum Thema gemachten globalisierungskritischen Bewegungen standen viele kritisch, aber interessiert gegenüber. Im Vordergrund stand dagegen die Abarbeitung an der real existierenden Organisationswelt der deutschen Arbeiterbewegung.
Gert Julius, bis zum Jugoslawienkrieg Lokalpolitiker der SPD und seitdem für die PDS im Schöneberger Rathaus, erinnerte mit Verbitterung an die Stationen des politischen Niedergangs der Sozialdemokratie der letzten Jahre und führte aus, dass sich die Hoffnung, die Gewerkschaftsbewegung würde die entstandene Lücke füllen können, nicht erfüllt habe. Diese Regierung werde nicht an den Gewerkschaftsführungen scheitern, so Julius.
Heinz Karl ging in eben solcher Verbitterung auf die PDS ein und zeigte, wie weitgehend deren Erklärung zum 17.Juni offenbare, dass die PDS im antikommunistischen Westen politisch angekommen sei.
Mit Interesse lauschten die Anwesenden Helma Chrenko, die am lateinamerikanischen Beispiel das komplizierte Verhältnis von Arbeiterbewegung, Parteiorganisationen und sozialen Bewegungen thematisierte. Trotz weit verbreiteter Korruption, Politikverdrossenheit und einer in den Alltag eingedrungenen Kultur der Gewalt, schaffe es die lateinamerikanische Linke nicht, die umfassende Zersplitterung zu überwinden und ein neues linkes Hegemonialprojekt zu begründen.
War Chrenko eher verhalten in ihrer Hoffnung auf einen neuen Aufschwung sozialistischer Ideen und Organisationen, plädierte der in Attac engagierte Sascha Kimpel, mit unter 30 der wohl jüngste im Saal, für eine neue soziale Arbeiterbewegung, die die alten Strömungen von Reformismus und Stalinismus hinter sich lasse. Sein Versuch, die Aktualität des revolutionären Bruchs zu begründen, wurde, wenn auch skeptisch, so doch wohlwollend aufgenommen.
Deutlich wurde dabei, dass solcherart zum Teil recht provokante Kritik der Traditionen deutscher Arbeiterbewegung zwar manchen Unmut verursachte, nichtsdestotrotz bemerkenswert interessiert und solidarisch diskutiert wurde.
Den Höhepunkt bildete der Vorsitzende der KPÖ in der Steiermark, Franz Stephan Parteder, der über die wahlpolitisch erfolgreiche KPÖ Graz berichtete. Mittels Konzentration auf die Kommunalpolitik wolle man einen Beitrag zur Erneuerung der sozialistischen Bewegung zu liefern.
Auch Parteder sparte nicht mit Kritik an seiner eigenen politischen Tradition und betonte die Schwierigkeiten, die gerade auch die eigene Klientel damit habe, sich nicht mehr passiv repräsentieren zu lassen, sondern selbsttätig aktiv zu werden. Dass gerade dies jedoch zunehmend gelänge, erfüllt ihn mit vorsichtigem Optimismus.
Entsprechend beschwingt verließen die meisten der Teilnehmenden den Konferenzsaal und warfen noch einen letzten Blick auf die am Saaleingang fest verankerte Büste des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert.

Christoph Jünke

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