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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2003, Seite 4

Deutschland ist Profiteur

der Globalisierung

Kolumne von Jakob Moneta

Die Produktivität der Arbeit erhöhte sich in den vergangenen 120 Jahren in Deutschland um das 17fache. Die Einkommen stiegen um das 10fache. Die Arbeitszeit verringerte sich von 3000 Stunden auf weniger als 1600 Stunden im Jahr. Das war eine Halbierung der Arbeitszeit bei 10fachem Lohnausgleich, so lauten Schätzungen der Grundsatzabteilung des DGB. Aber all das entwickelte sich nicht von selbst in der Periode eines »Sozialkapitalismus«, es war das Ergebnis von zahlreichen Klassenauseinandersetzungen, von schweren Niederlagen ebenso wie von erfolgreichen Kämpfen. Der wachsende Widerstand gegen den von der »rot-grünen« Regierung geplanten Sozialraub hat sogar diejenigen überrascht, die ihn planten.
Mitglieder der SPD-Grundsatzkommission, darunter auch der »linke« Wolfgang Thierse, verteidigen unter dem Titel »Wege aus der sozialen Sachgasse« die angeblichen »Reformen« der Bundesregierung mit dem Argument, die »räuberische Weltwirtschaft« lasse sich »nicht mehr in die nationalstaatliche Kiste drängen«. Nicht die Politik der Bundesregierung, sondern die globalisierte, von der Privatisierung des gesamten Lebens geprägte Wirtschaft sei verantwortlich für die Abbröckelung des Sozialstaates.
Es ist der führende Staatssekretär im Finanzministerium unter Oskar Lafontaine und jetztige UNCTAD-Chef, Heiner Plassbeck, der anprangert, dass Länder »in den Strudel von Finanzkrisen gerissen wurden, die Millionen von Menschen in Armut und Hunger versetzten. Er betreitet jedoch vehement, dass Deutschland auch ein Opfer der Globalisierung ist.
Er behauptet, »die deutsche Wirtschaft hat trotz des Sozialstaates wie kaum eine andere von der Globalisierung profitiert. Wie niedrig die Löhne und die Sozialleistungen in den Entwicklungs- und Schwellenlänern auch waren, mit Hilfe ihrer extrem hohen Produktivität und der im Verhältnis dazu moderaten Arbeitskosten gelang es, im Handel mit fast allen Niedriglohnregionen Überschüsse der deutschen Exporte über die Importe zu erzielen, also per Saldo im Handel mit diesen Ländern zu gewinnen und nicht zu verlieren.«
Deutschland leide nicht an der Globalisierung, sondern an Politikern, denen der Horizont, das Fachwissen oder ein geeigneter Beamter fehle, um lebenswichtige Fragen angemessen beurteilen zu können. Die deutsche Wirtschaft leidet an einer extremen Schwäche des Binnenmarktes. Diese habe nur insoweit etwas mit der Weltwirtschaft zu tun, als die unsinnige Drohung mit den Folgen der Globalisierung dazu führte, dass sich allzu viele ins Bockhorn jagen lassen.
Wir müssen keineswegs einverstanden sein mit Heiner Plassbecks Behauptung, dass Deutschland nur an Politikern leidet, »denen das Fachwissen oder ein geeigneter Berater fehlt«. Dass die nimmersatten deutschen Großkonzerne und ihr Arbeitgeberverband Druck auf Schröder, dem Genossen der Bosse, ausüben, weil sie sich ein noch größeres Stück vom Kuchen der Weltwirtschaft abschneiden wollen und der Sozialstaat ein Dorn in ihren Augen ist — daran kann man nicht vorbeigehen.
Warum aber macht ein sozialdemokratischer Bundeskanzler sich zu ihrem Büttel, anstatt sich auf die wachsende Protestbewegung zu stützen? Was jedoch Heiner Plassbeck zu Recht klarmacht: »Deutschland gehört durch seine stetig wachsende Produktivität zu den Gewinnern der Globalisierung.«

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