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Nach den Wahlen zum Schottischen Regionalparlament im Mai dieses Jahres stand fest, dass es einige wichtige
Veränderungen in der parlamentarischen Landschaft der Region gegeben hatte. Erstens ist eine rekordverdächtig niedrige Wahlbeteiligung zu
verzeichnen. Damit verbunden waren sehr schlechte Wahlergebnisse für die vier bisher im Regionalparlament vertretenen etablierten Parteien. Dies
schließt hohe Verluste für die Scottish National Party (SNP) mit ein. Galt diese bislang als eine Antiestablishmentpartei, so hat sie diesen Vorteil
durch ihre unkritische Unterstützung für neoliberale Spar- und Privatisierungsmaßnahmen nun verloren. Zweitens verzeichneten vor allem
Kleinparteien einen spürbaren Stimmengewinn. Hier ist vor allem die SSP hervorzuheben.
Der Erfolg der SSP liegt in ihrer umfangreichen Kampagnenarbeit vor den Wahlen, ihrer
Opposition zum Kriegskurs der Blair-Regierung in London und Engagement in sozialen Fragen, wie bspw. die Unterstützung von streikenden
Gewerkschaften, begründet. Die SSP gewann sechs neue Sitze im Schottischen Regionalparlament. Die Abgeordneten bilden nun eine Fraktion zusammen
mit Tommy Sheridan, der schon vorher für die SSP im Parlament saß.
Sheridan genießt hohes Ansehen in Schottland. In den frühen 90er Jahren war er
führend in der Kampagne gegen die verhasste Kopfsteuer, eine Steuer, die Reichen und Armen gleich viel Geld abknöpfen sollte. Somit wurde sie
für sozial schwache Menschen unbezahlbar, für Reiche machte sie nur einen sehr geringen Teil ihres Einkommens aus. Durch eine militante
Nichtbezahlungskampagne wurden diese Steuern seinerzeit gekippt. Sheridan wanderte während der Kampagne ins Gefängnis. Er war Mitglied der
revolutionären Organisation Scottish Militant Labour, verließ diese jedoch aufgrund verschiedener politischer Differenzen.
Die SSP entstand in den späten 90er Jahren als Nachfolgeorganisation der Scottish
Socialist Alliance. Ihrem Wesen nach ist sie eine Bündnisorganisation, die verschiedene sozialistische Gruppierungen und prominente Einzelpersonen in
sich vereinigt. Davon haben einige einen revolutionären Anspruch, andere nicht. Als Hauptziel gibt die SSP die sozialistische Umwandlung der
Gesellschaft an, was die Partei als die Abschaffung des kapitalistischen Systems sowie die Errichtung einer Ökonomie, basierend auf der
Vergesellschaftung der schottischen Schlüsselindustrien sowie die demokratische Kontrolle dieser Schlüsselindustrien definiert. Wie dieses Ziel zu
erreichen ist, darüber besteht im Moment keine Einigkeit innerhalb der SSP.
Die SSP setzt sich für eine Vielzahl von Reformen ein. Eine Hauptkampagne ist der
Kampf für kostenlose Mittagsspeisen für Schulkinder. Aufgrund hoher Arbeitslosenzahlen und niedriger Löhne können sich viele
Eltern keine gesunde Ernährung ihrer Kinder leisten. Aufgrund der schlechten, oft massiv fetthaltigen Nahrung, gibt es in Schottland
überdurchschnittlich hohe Todesraten durch Herzversagen. Deshalb versuchte die SSP, ein Gesetz für eine kostenlose Schulspeisung ins schottische
Regionalparlament einzubringen, der Antrag scheiterte jedoch am gemeinsamen Widerstand von Labour und den Liberaldemokraten.
Neben ihrer Kampagnenarbeit produziert die SSP eine wöchentliche Zeitung mit dem
Titel Scottish Socialist Voice, in der ausführlich über die diversen Kampagnen sowie internationale Ereignisse wie bspw. der Krieg im Irak berichtet
wird. Sie bringt oft auch Interviews mit Gewerkschaftsaktivisten.
Parlamentarier oder Stadträte der SSP verdienen nicht mehr als einen durchschnittlichen
Facharbeiterlohn. Überschüssige Gehälter werden gespendet. Alle SSP-Parlamentarier geben regelmäßig öffentliche
Reporte darüber ab, wieviel Geld wofür verwendet wurde. Außerdem haben sich alle SSP-Parlamentarier verpflichtet, sich
regelmäßig an Aktionen zu beteiligen.
Aufgrund ihres Wahlerfolgs verzeichnet die SSP Mitgliederzuwachs, insbesondere unter
radikalisierten Jugendlichen. Alles in allem hat die SSP die Chance, zu einer großen Oppositionspartei zum neoliberalen Kurs der etablierten Parteien zu
werden. Auf britischer Ebene führte der Wahlerfolg zu einer Belebung der Debatte innerhalb der Gewerkschaften, ob diese sich entgültig von
Labour abspalten sollten oder nicht. Rob Crow, der Generalsekretär der britischen Eisenbahnergewerkschaft, nahm Verhandlungen mit der SSP
darüber auf, ob seine Gewerkschaft sich der SSP als Block anschließen könne. Würde dies geschehen, wäre dies ein historischer
Schritt. Erstmals in der Geschichte der britischen Arbeiterbewegung hätte sich damit eine Gewerkschaft von Labour losgesagt und sich mit der SSP eine
neue politische Stimme gegeben. Kurzfristig ist dieser Schritt jedoch nicht zu erwarten, dazu ist die SSP in den Augen vieler Gewerkschaftsführer noch zu
klein.
Christian Bunke, Manchester
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