SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2003, Seite 12

Schottlands SSP

Von der vorliegenden SoZ an stellen wir in loser Folge die einzelnen Bestandteile der Europäischen Antikapitalistischen Linken vor. Den Anfang macht die Scottish Socialist Party (SSP).

Nach den Wahlen zum Schottischen Regionalparlament im Mai dieses Jahres stand fest, dass es einige wichtige Veränderungen in der parlamentarischen Landschaft der Region gegeben hatte. Erstens ist eine rekordverdächtig niedrige Wahlbeteiligung zu verzeichnen. Damit verbunden waren sehr schlechte Wahlergebnisse für die vier bisher im Regionalparlament vertretenen etablierten Parteien. Dies schließt hohe Verluste für die Scottish National Party (SNP) mit ein. Galt diese bislang als eine Antiestablishmentpartei, so hat sie diesen Vorteil durch ihre unkritische Unterstützung für neoliberale Spar- und Privatisierungsmaßnahmen nun verloren. Zweitens verzeichneten vor allem Kleinparteien einen spürbaren Stimmengewinn. Hier ist vor allem die SSP hervorzuheben.
Der Erfolg der SSP liegt in ihrer umfangreichen Kampagnenarbeit vor den Wahlen, ihrer Opposition zum Kriegskurs der Blair-Regierung in London und Engagement in sozialen Fragen, wie bspw. die Unterstützung von streikenden Gewerkschaften, begründet. Die SSP gewann sechs neue Sitze im Schottischen Regionalparlament. Die Abgeordneten bilden nun eine Fraktion zusammen mit Tommy Sheridan, der schon vorher für die SSP im Parlament saß.
Sheridan genießt hohes Ansehen in Schottland. In den frühen 90er Jahren war er führend in der Kampagne gegen die verhasste Kopfsteuer, eine Steuer, die Reichen und Armen gleich viel Geld abknöpfen sollte. Somit wurde sie für sozial schwache Menschen unbezahlbar, für Reiche machte sie nur einen sehr geringen Teil ihres Einkommens aus. Durch eine militante Nichtbezahlungskampagne wurden diese Steuern seinerzeit gekippt. Sheridan wanderte während der Kampagne ins Gefängnis. Er war Mitglied der revolutionären Organisation Scottish Militant Labour, verließ diese jedoch aufgrund verschiedener politischer Differenzen.
Die SSP entstand in den späten 90er Jahren als Nachfolgeorganisation der Scottish Socialist Alliance. Ihrem Wesen nach ist sie eine Bündnisorganisation, die verschiedene sozialistische Gruppierungen und prominente Einzelpersonen in sich vereinigt. Davon haben einige einen revolutionären Anspruch, andere nicht. Als Hauptziel gibt die SSP die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft an, was die Partei als die Abschaffung des kapitalistischen Systems sowie die Errichtung einer Ökonomie, basierend auf der Vergesellschaftung der schottischen Schlüsselindustrien sowie die demokratische Kontrolle dieser Schlüsselindustrien definiert. Wie dieses Ziel zu erreichen ist, darüber besteht im Moment keine Einigkeit innerhalb der SSP.
Die SSP setzt sich für eine Vielzahl von Reformen ein. Eine Hauptkampagne ist der Kampf für kostenlose Mittagsspeisen für Schulkinder. Aufgrund hoher Arbeitslosenzahlen und niedriger Löhne können sich viele Eltern keine gesunde Ernährung ihrer Kinder leisten. Aufgrund der schlechten, oft massiv fetthaltigen Nahrung, gibt es in Schottland überdurchschnittlich hohe Todesraten durch Herzversagen. Deshalb versuchte die SSP, ein Gesetz für eine kostenlose Schulspeisung ins schottische Regionalparlament einzubringen, der Antrag scheiterte jedoch am gemeinsamen Widerstand von Labour und den Liberaldemokraten.
Neben ihrer Kampagnenarbeit produziert die SSP eine wöchentliche Zeitung mit dem Titel Scottish Socialist Voice, in der ausführlich über die diversen Kampagnen sowie internationale Ereignisse wie bspw. der Krieg im Irak berichtet wird. Sie bringt oft auch Interviews mit Gewerkschaftsaktivisten.
Parlamentarier oder Stadträte der SSP verdienen nicht mehr als einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn. Überschüssige Gehälter werden gespendet. Alle SSP-Parlamentarier geben regelmäßig öffentliche Reporte darüber ab, wieviel Geld wofür verwendet wurde. Außerdem haben sich alle SSP-Parlamentarier verpflichtet, sich regelmäßig an Aktionen zu beteiligen.
Aufgrund ihres Wahlerfolgs verzeichnet die SSP Mitgliederzuwachs, insbesondere unter radikalisierten Jugendlichen. Alles in allem hat die SSP die Chance, zu einer großen Oppositionspartei zum neoliberalen Kurs der etablierten Parteien zu werden. Auf britischer Ebene führte der Wahlerfolg zu einer Belebung der Debatte innerhalb der Gewerkschaften, ob diese sich entgültig von Labour abspalten sollten oder nicht. Rob Crow, der Generalsekretär der britischen Eisenbahnergewerkschaft, nahm Verhandlungen mit der SSP darüber auf, ob seine Gewerkschaft sich der SSP als Block anschließen könne. Würde dies geschehen, wäre dies ein historischer Schritt. Erstmals in der Geschichte der britischen Arbeiterbewegung hätte sich damit eine Gewerkschaft von Labour losgesagt und sich mit der SSP eine neue politische Stimme gegeben. Kurzfristig ist dieser Schritt jedoch nicht zu erwarten, dazu ist die SSP in den Augen vieler Gewerkschaftsführer noch zu klein.

Christian Bunke, Manchester

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang