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Das Scheitern der Regierungskonferenz zur EU-Verfassung Mitte Dezember liegt in der Logik selbst des Verfassungsvertrags.
Dieser baut auf dem Prinzip der Zusammenarbeit zwischen Staaten, nicht auf dem Prinzip der Souveränität der Bürgerinnen und Bürger
Europas auf. Das Prinzip der Zusammenarbeit zwischen Staaten legt nahe, dass Gleichheit zwischen Staaten angestrebt wird; in der realen Welt der neoliberalen
Globalisierung bedeutet das aber zwangsläufig, dass einige Staaten gleicher sind als andere, um einen Ausdruck von George Orwell zu gebrauchen. Die
Zusammenarbeit funktioniert nur, wenn sich die Interessen der herrschenden Klassen der großen europäischen Staaten durchsetzen, vor allem der
Nettozahler in der EU gleich welche Formel der Stimmenverteilung im Einzelnen dafür gefunden wird.
Die Formel von der doppelten Mehrheit, die der Konvent vorgeschlagen hat (50% der Staaten
plus 60% der Bevölkerungen) sichert den großen EU-Staaten eine Führungsrolle zu, die sie hinter dem demografischen Argument verstecken.
Grundsätzlich scheint dies das demokratischste Verfahren zu sein wenn man einmal davon absieht, dass die Bürgerinnen und Bürger
dieser 60%-Mehrheit sich nicht direkt oder mittels eines gewählten Mandatsträgers äußern können, sondern dass sie Geiseln ihrer
jeweiligen Staaten sind, die ihre Interessen so interpretieren, dass sie mit denen der herrschenden Klassen zusammenfallen. Mit diesem System reicht es, wenn
drei große und zwei mittlere oder kleinere Staaten sich einigen, dann kann der Rest deren Interpretation »des gemeinsamen Wohls« in Europa
nicht mehr blockieren. Deutschland allein fordert für sich einen Stimmenanteil von 18,2%.
Der Vertrag von Nizza, dem alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, dessen
Ratifizierungsprozess aber noch nicht abgeschlossen ist, sieht eine Stimmenverteilung vor, die den mittleren Staaten wie Spanien und Polen viel stärker
entgegenkommt. Deutschland hält da nur einen Stimmanteil von 9,2%. Die kleineren Staaten haben dort eine viel größere Macht,
Entscheidungen zu blockieren, d.h. neu zu verhandeln, mit dem Risiko, dass die großen Staaten auseinanderdividiert werden. Es ist schwer für sie,
darauf zu verzichten, wenn Spanien wie Polen die größten Nutznießer der Mittel aus dem Strukturfonds waren und bleiben. So ist es kein
Zufall, dass Spanien und Polen mit ihrem Ansinnen isoliert geblieben sind, und dass die herrschenden Klassen in Europa gegen sie das »europäische
Interesse« geltend machen, das natürlich das Ihre ist.
Hat die europäische Linke zwischen dem Vorschlag des Konvents und dem Vertrag von
Nizza zu entscheiden? Natürlich nicht. Die eine wie die andere Formel basiert auf dem Prinzip der Souveränität von Staaten, nicht von
Bürgerinnen und Bürger; dieses Prinzip ist undemokratisch. Die europäische Verfassungskrise selbst beweist es. Es gibt einen anderen Weg,
das ist der, die europäische Verfassung in der Souveränität der Bürgerinnen und Bürger zu verankern, in der Logik des
republikanischen Föderalismus, der das Europaparlament mit realen Machtbefugnissen ausstattet und die europäischen Institutionen
gegenüber den Bevölkerungen verantwortlich macht, nicht gegenüber Regierungschefs.
Die Blockade in der Frage der Stimmenverteilung hat andere Differenzen verschleiert, die nicht
weniger grundsätzlich sind. Können die neutralen Staaten die Abkommen zur europäischen Verteidigung zwischen Deutschland, Frankreich
und Großbritannien unterzeichnen? Können die Staaten der Eurozone akzeptieren, dass sie in der EU-Kommission eine Minderheit bilden, wenn es
an Stelle von 15 Kommissaren 25 gibt? Wie kann eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik durchgesetzt werden, nachdem der
Stabilitätspakt gescheitert ist? Können die Grundlagen des Stabilitätspakts überhaupt in den Verfassungsvertrag übernommen
werden, wie der Konvent vorgeschlagen hat? Kann das Veto gegen weitere Intergrationsschritte in den Bereichen Steuern, Außenpolitik, soziale Sicherheit
und EU-Haushalt überwunden werden, das Großbritannien, aber auch andere große und mittlere Staaten erheben? Wenn das Veto aber bleibt,
wie soll dann der Aufbau der EU fortgesetzt werden, wo die Ungleichheit zwischen den Mitgliedstaaten mit der Osterweiterung doch zunimmt?
Die Krise des neoliberalen EU-Projekts geht tief; vor allem fehlt ihr eine demokratische
Legitimation, die ihr die Zusammenarbeit zwischen Staaten kaum geben kann. In den Straßen Europas baut sich derzeit ein alternatives Konzept von
Europa auf, das im Gegensatz zu dem der herrschenden Klassen steht. Es setzt auf eine demokratische und soziale Neubegründung der Europäischen
Union durch eine ebenso einfache wie effektive Methode: das Recht auf eine tatsächliche europäische Bürgerschaft.
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