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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2004, Seite 8

Cross-Border-Leasing vor dem Ende?

Der scheinbare Rettungsanker für klamme kommunale Haushalte, das sog. Cross-Border-Leasing (CBL, siehe Kasten), scheint seinen Grund verloren zu haben. Wie jetzt aus den USA bekannt wurde, streben Politiker des Kongresses an, die Steuerbefreiung für solche Geschäfte zu stoppen.

Was aus dieser politischen Initiative wird, ist unklar. Ebenso unklar ist, wieviele der abgeschlossenen CBL-Geschäfte davon berührt würden, und welche Kommunen dann zwecks Rückabwicklung zur Kasse gebeten würden. Die amerikanischen Ankündigungen bestätigen aber Kritiker des CBL-Verfahrens und haben bei einigen Politkern zum Umdenken mit beigetragen.

Bürgerinitiativen erfolgreich…

Aber auch die Gegenbewegungen in der BRD können Erfolge im Kampf gegen diese Scheingeschäfte verbuchen. Im September sind sowohl in Frankfurt als auch in Bergisch-Gladbach Bürgerbegehren und Unterschriftensammlungen erfolgreich verlaufen. Die Pläne in Frankfurt sahen vor, das U-Bahn-Netz für 99 Jahre an einen US-Trust zu verleasen und zurückzumieten.
Nachdem ein Bürgerbegehren gegen dieses Vorhaben mobilisierte und mehr als 45000 Unterschriften gesammelt hatte, zogen die Frankfurter Grünen ihre Zustimmung zurück. Weil auch die SPD, im Gegensatz zu anderen Parteigliederungen, das Geschäft ablehnt, gab es im Frankfurter Römer keine Mehrheit mehr — und nach den neuesten Nachrichten aus den USA dürfte das so bleiben.
In Bergisch-Gladbach wollte die CDU-Mehrheit ebenfalls an dem scheinbaren Dollarsegen teilhaben, aber es bildete sich eine Bürgerinitiative mit rund 200 aktiven Menschen. Sie erzwang eine Volksabstimmung, die haushoch zugunsten der CBL-Kritiker ausging.
Dort reagierte die Stadtverwaltung und die CDU-Mehrheit anders als noch zu Jahresanfang im Ruhrgebiet in Bochum und Recklinghausen.
Nachdem in Recklinghausen ebenfalls Tausende von Unterschriften gesammelt wurden gegen das Hin-und-her-Vermieten des Kanalnetzes, warteten Bürgermeister und Stadtkämmerer das Ergebnis gar nicht erst ab, sondern unterschrieben schnell in New York die Verträge. Danach lehnte der Rat mit seiner CDU-FDP-Mehrheit das Bürgerbegehren ab mit der Begründung, die Unterschriftenlisten hätten keinen Alternativvorschlag zur Finanzierung der entgangenen Einnahmen enthalten. Die Bürgerinitiative strengte ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen an, das gegen diesen Ratsbeschluss angeht.

…oder im juristischen Tauziehen

In einem anderen Verwaltungsgerichtsverfahren, das ebenfalls aus Recklinghausen herrührt, gab es in Sachen CBL ein erstes Urteil, das bundesweit Beachtung fand. Die Kläger hatten moniert, dass die Einnahmen aus der Kanalisationsvermietung in Höhe von 4,8 Millionen Euro in den allgemeinen Stadthaushalt eingestellt wurden, nicht aber in den Gebührenhaushalt für Abwasser.
Hier entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dass es sich nicht um ein Geschäft aus der (gebührenfinanzierten) Kanalisation, sondern um ein Finanzgeschäft aus Steuerersparnissen handele, sodass die Stadt im Recht sei. Das Gericht stellte auch fest, dass es sich bei CBL nicht um ein Scheingeschäft handele und gab damit in wesentlichen Punkten der Recklinghäuser Stadtverwaltung Recht — ein Urteil, gegen das die Kläger schon Berufung angekündigt haben, wegen der bundesweiten Bedeutung.
Zu der Frage, dass es sich bei CBL um Scheingeschäfte handele, schreibt Werner Rügemer, Journalist und Fachmann aus Köln in einem früheren Artikel:
»Nach den Steuerprinzipien aller westlichen Rechtsstaaten sind die Verträge klassische Scheingeschäfte: Der Investor investiert keinen einzigen Cent in die Anlage, auf dem Papier wird eine doppelte Eigentümerschaft produziert, die Jahrhundertlaufzeit hat keinen sachlichen Sinn, der einzige Zweck ist die Steuerverkürzung. Solche Konstruktionen, die auch der Aufblähung der Bilanz und der Kreditaufnahme dienen, haben übrigens auch zu den jüngsten Bilanzmanipulationen und Konkursen wie bei Enron und Worldcom geführt.«
Solche Argumente scheinen die Gelsenkirchener Richter nicht anzufechten, während in den USA offensichtlich darüber nachgedacht wird, daraus die einzig mögliche Konsequenz zu ziehen, nämlich diese Geschäfte zu unterbinden.
Während die erfolgreichen Bürgerinitiativen und Attac sich durch die jüngste Entwicklung bestätigt fühlen, stellten mehrere Kämmerer von betroffenen Kommunen die Probleme als nichtexistent hin. Es wären in den Verträgen Klauseln enthalten, dass eine nachträgliche Änderung der amerikanischen Steuergesetze sich nicht zu Schadenersatzforderungen an die deutschen Partner auswirken würden.
Wen das beruhigen soll, da die Verträge grundsätzlich geheim bleiben, sagten sie nicht. Aber die schnelle Unterzeichnung der Verträge kann sich als Kuckucksei für kommende Generationen herausstellen, wenn die technische Aufrecherhaltung des verleasten Zustands, z.B. bei einer Müllverbrennungsanlage, teurer wird als die einmalige Einnahme. Die einzigen, die bestimmt daran verdienen werden, sind die mit den Verfahren befassten Juristen und Vermittlungsbanken.

Rolf Euler

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