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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2004, Seite 8

Über das Argument der »Lohnnebenkosten«

Seit Zeiten wird mit dem Argument Politik gemacht, die Lohnnebenkosten der Unternehmen müssten sinken, damit sie wieder wettbewerbsfähig würden und neue Arbeitsplätze schaffen könnten. Im Folgenden wird am Beispiel des VW-Konzerns vorgerechnet, was die Erhöhung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung um 0,4% im Jahre 2002 als Kostensteigerung bewirken würde, und wie wenig eine solche Erhöhung taugt als wirtschaftliche Begründung für den durchgeführten Sozialabbau.

Die Kostenstruktur und das Zahlenwerk der Gewinn-und-Verlust-Rechnung des VW-Konzerns laut dem Geschäftsbericht 2001 dient im Folgenden als Beispiel für den Schwindel mit den Lohnnebenkosten.
Bei einem Gesamtaufwand des Konzerns von 75 Milliarden Euro beträgt der Personalaufwand (inkl. Sozialabgaben) insgesamt 13,2 Mrd. Euro (17%). Die Rentenversicherungsbeiträge (Arbeitgeberanteil) betragen 1,03 Mrd. Euro (1,37%), also 1,37 Euro je 100 Euro (bei einem Beitrag von 9,55% des Lohns). Durch die Rentenbeitragserhöhung 2002 in Höhe von 0,4 Prozentpunkten dürfte sich folgende »Mehrbelastung« des Betriebs ergeben:
Der Arbeitgeberanteil stiege von 9,55% (1,03 Mrd. Euro) auf 9,75% (1,05 Mrd. Euro), würde sich also von 1,37 Euro je 100 Euro Gesamtbetriebsaufwand auf 1,40 Euro erhöhen. Die Gesamtbetriebskosten erhöhten sich somit annähernd um 0,03 Euro je 100 Euro.
Diese 0,03 Euro mindern sodann letztlich noch den Gewinn und werden bei entsprechender Steuerprogression folglich günstigstenfalls bis zu annähernd 50% steuerrechtlich erstattet, so dass sich die betriebswirtschaftliche »Mehrbelastung« im Mittel beliefe auf nicht mehr als gerade einmal etwa 0,02 Euro je 100 Euro.
Und auch diese »Belastung« dürfte betriebswirtschaftlich kaum eine ertragsmindernde Größe darstellen, da sie schlicht auf die Preise umgelegt wird, sodass sich die ganze »Lohnnebenkostendiskussion« als ein verlogen-bösartiges Täuschungsmanöver für die Öffentlichkeit in Richtung Quasiversklavung der Arbeitnehmer, und, im Gefolge, der Zerstörung unseres staatlichen sozial und solidarisch ausgerichteten Gemeinwesens erweist, denn auch das »Wettbewerbsargument« ist, zumindest auf binnenwirtschaftlicher Ebene, schlicht absurd, weil alle Unternehmen im Lande bekanntlich die gleichen Lohnnebenkostenbelastungen tragen, und es daher gar keine Wettbewerbsvor- oder -nachteile gibt.
Wo liegt das Problem für die Wirtschaft, wenn, wie aufgezeigt, ein Betrieb z.B. durch die Rentenbeitragserhöhung je 100 Euro Gesamtbetriebskosten allenfalls etwa 0,02 Euro an Lohnnebenkosten aufzubringen hat, wenn die Epigonen dieses null und nichtigen »Lohnnebenkosten-Lamentos« sich nicht einfach lächerlich machen wollten?
Es ist unsinnig zu behaupten, jemand, der sich z.B. einen Handwerker einer Firma mit 40 Euro Werkstattlohn nicht leisten könne, würde dieses aber dann tun können, wenn sich die Betriebsstunde durch Verringerung einer darin enthaltenen Sozialbeitragserhöhung des Arbeitgebers (= Abbau der sozialen Sicherheit nebst Menschenwürde des Arbeitnehmers) von angenommen 40 Euro auf 38,50 Euro verbilligte, und tatsächlich wird denn auch durchgängig allseits nur mit irgendwelchen Zahlengrößen herumhantiert unter »Weglassung« der Bezugsgrößen, durch die die »Lohnnebenkosten« in Relation zu den etwaigen Gesamtkosten oder dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis der einzelnen Unternehmen gesetzt werden könnten.
Die Sozialsysteme sind vollkommen in Ordnung. Die Beiträge sind seit 1993 (also seit 10 Jahren) für Arbeitgeber und -nehmer sowohl zur gesetzlichen Renten- als auch zur Krankenversicherung um lediglich 1 Prozentpunkt gestiegen, zur Arbeitslosenversicherung sogar um 0 Prozentpunkte. Auch daraus lässt sich erkennen, dass es für die jetzt künstlich dramatisch in Szene gesetzte »Reform der Sozialsysteme« nicht den geringsten systemspezifischen Anlass gibt, es sei denn, dass kriminelle Absichten unvorstellbaren Ausmaßes den wirklichen Grund hierfür darstellten, um den Milliardenmarkt, den die sozialen Sicherungssysteme absorbieren, in die Privatschatullen der Versicherungs- und Finanzkonzerne umzuleiten. Die Versicherungswirtschaft erhofft sich davon nämlich Zuflüsse in Höhe von etwa 1,5 Billionen Euro.

Günter Völker

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