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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2004, Seite 11

Portugals Linksblock

Der portugiesische Bloco de Esquerda (Linksblock) geht auf die Initiative dreier Organisationen der radikalen Linken zurück. Eine einzige von ihnen hatte 1995 schon einmal ein Abgeordnetenmandat im Parlament: Die UDP (Demokratische Volksunion) maoistischen und proalbanischen Ursprungs, die damals auf der von der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) geschaffenen Liste CDU (Demokratische Einheitskoalition) kandidiert hatte. Die UDP war bereits nach dem Sturz der Diktatur 1975 bereits die stärkste Kraft unter den Organisationen links von der PCP und errang in den Folgejahren eine bemerkenswerte Verankerung in den sozialen Bewegungen. Sie löste sich im Laufe der 80er Jahre von ihrer proalbanischen Identität und setzte sich zunehmend für eine zu den traditionellen Linksparteien alternative Neuformierung der Linken ein.
Die Revolutionäre Sozialistische Partei (PSR — Sektion der IV.Internationale) und Política XXI (eine aus 1991 ausgetretenen Mitgliedern der PCP und unabhängigen Linken gebildete Gruppe) erwiesen sich als die natürlichen Ansprechpartner. 1997 traten die drei Formationen bei Kommunalwahlen in Lissabon und in Porto gemeinsam an, wobei sie in der Hauptstadt ein Ratsmandat errangen.
1998 ergaben Debatten in den drei Organisationen und in der linken Öffentlichkeit eine breite Unterstützung für das Projekt einer neuen Formation. Die Verankerung der drei Organisationen schien komplementär zu sein: Die PSR war ziemlich populär in der städtischen Jugend und aktiv unter Studierenden und in der antirassistischen Bewegung; die UDP verfügte neben ihrer Präsenz in sozialen Bewegungen über Belegschaftsvertreter in einer Reihe wichtiger Industriebetriebe; in Política XXI fanden sich eine Reihe bedeutender linker Intellektueller wieder.
Aufgrund früherer negativer Erfahrungen mit einem »Organisationskartell« von UDP und PSR (was bei den Wahlen von 1983 zu einem Desaster geführt hatte), wollten die beteiligten Organisationen von Anfang an eine neue politische Bewegung schaffen, wofür zum Anlass der Parlamentswahlen 5000 Unterschriften erforderlich waren. Der Linksblock gründete sich entlang gemeinsamer Positionen gegen die neoliberale Globalisierung und zu den unmittelbaren Aufgaben einer Linksopposition in Portugal.
Der Text »Demokratie für den Sozialismus«, der der Neugründung zugrunde lag, trug die Überschrift »Neu beginnen« und thematisierte unter anderem die Notwendigkeit einer Vollbeschäftigung für eine Produktion im Interesse der Bedürfnisse der Menschen (statt einer Wirtschaft unter der Fuchtel von Profit und Konkurrenz). Zur Finanzierung der sozialen Bedürfnisse sollten die Vermögensteuer wieder eingeführt, das spekulative Kapital und die weit überdurchschnittlichen Einkommen entsprechend besteuert werden.
Eine ebenso wichtige Rolle spielen in der Programmatik des Linksblocks die demokratischen Freiheiten und die Rechte aller mehr oder weniger benachteiligten und diskriminierten Bevölkerungsschichten.
Vier Monate nach Gründung des Linksblocks, im Juni 1999, kam der erste wahlpolitische Test mit den Europaparlamentswahlen. Obwohl Mário Soares für die sozialdemokratische PS eine oppositionelle Haltung gegenüber der NATO-Intervention in Jugoslawien zur Schau trug (die PS siegte mit 43% der Stimmen bei einer Nichtteilnahme an den Wahlen von 60%!), wobei der Linksblock — ohne die Milosevic-Führung zu unterstützen — klar gegen die kriegerische Intervention auftrat, errang die neue linke Formation mit 65000 Stimmen auf Anhieb 1,8% (mehr als die Summe der drei bei den vorherigen Europaparlamentswahlen getrennt antretenden Gründungsorganisationen).
Vier Monate später kamen die landesweiten Parlamentswahlen. Wieder siegte die PS, verfehlte aber die absolute Mehrheit und eroberte mit 115 genau die Hälfte der Parlamentsmandate als Grundlage für die Regierungsbildung. Für den Linksblock wurden Francisco Louçã (PSR) und Luís Fazenda (UDP) aus Lissabon ins Parlament gewählt, während Miguel Portas (Spitzenkandidat des Blocks bei den vorangegangenen Europaparlamentswahlen) aus Porto sein Mandat um ca. 1500 Stimmen verfehlte. Insgesamt kam der Linksblock mit 131000 Stimmen auf 2,5%. Seine Wählerschaft war wie bisher »jung« und »großstädtisch«, doch zum ersten Mal gelang ein kleiner Einbruch in die traditionelle sozialdemokratische Wählerschaft.
Die pikante Konstellation im Parlament verschaffte dem Linksblock einen besonderen Manövrierspielraum. So gelang es ihm in Fragen wie der Wiedereinführung der Vermögensteuer und im Abbau des strafrechtlichen Arsenals gegen Drogenabhängige politische Erfolge zu erzielen und die öffentlich wahrnehmbare politische Debatte in einer Reihe wichtiger Fragen zu beeinflussen.
In der Zwischenzeit entwickelte sich der Linksblock als politische Organisation weiter. Die drei konstituierenden Organisationen spielen weiterhin eine bis zu einem gewissen Grad unabhängige Rolle, doch ist das Gewicht der Mitglieder, die seit Gründung eingetreten sind, ohne sich einer der Gründungsorganisationen anzuschließen, stetig gestiegen. Unter den Mitgliedern der drei Gründungsorganisationen hat die Erfahrung gemeinsamer Positionsbildung und des gemeinsamen politischen Kampfs Vertrauensverhältnisse geschaffen, die ebenso dazu führen, dass die heutige Realität des Linksblocks weit über eine »Addition« der Gründerorganisationen hinaus geht.
Heute steht der Linksblock für die konsequente Opposition gegen die Kollaboration der Rechtsregierung mit dem Besatzerregime der USA im Irak, gegen die neoliberale Politik, gegen die Anpassung der Sozialdemokratie an diese Politik sowie gegen die von der PCP repräsentierte Nostalgie gegenüber der bürokratischen Pseudoalternative zum Kapitalismus. Er will die Hoffnung auf universale Emanzipation ohne Dogmatismus neu begründen, in enger Wechselwirkung mit den sozialen Bewegungen und dem weltweiten Protest gegen die neoliberale Globalisierung.
Die demokratischen Prozesse im Linksblock selbst stehen in Kontrast zum inneren Regime der traditionellen politischen Parteien. Er gehört — neben der Scottish Socialist Party und der französischen LCR (Sektion der IV.Internationale) zu den Gründungsorganisationen und zum »harten Kern« der Europäischen Antikapitalistischen Linken (EAL) und artikuliert eine unversöhnliche Kritik der EU-Institutionen, des EU-Verfassungsentwurfs und jener Politik im Interesse des Kapitals, die ohne brutalen Sozialabbau, Kriegstreiberei und kulturelle Regression nicht auskommt.

Manuel Kellner

Homepage des Bloco de Esquerda: .
Teil 1 unserer Serie behandelte die Scottish Socialist Party (SSP) in SoZ 12/03.



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