SoZ Sozialistische Zeitung |
Die deutschsprachige Aktive Linke braucht eine Wochenzeitung aus mehreren Gründen. Wie Arno Klönne
in seinem »Plädoyer für eine selbstkritische Linke« richtig feststellte, publizieren verschiedene marxistische Gruppierungen ihre
eigenen Monatszeitungen (oder Zweiwochenblättchen oder Quartalsschriften), in denen sie alle u.a. das Weltgeschehen und den inneren Zustand
Deutschlands aus radikaler linker Perspektive abhandeln. Warum? An wen richten sich diese Analysen?
Aufgabe der (marginalisierten) radikalen Linken sollte es sein, zu intervenieren und die linke
Peripherie zu erreichen, sie zu agitieren, zu überzeugen und für radikale, systemoppositionelle Politik zu gewinnen. Die Zeitungen links von Taz,
Neues Deutschland und Jungle World sind gar nicht so weit auseinander. Würden sie ihr Zielpublikum erweitern, dann zeigte sich, wie wenig bedeutend,
ja verschwindend die Differenzen sind. Signifikante Unterschiede manchmal nur im Detail könnten dann immer noch in
Debattenbeiträgen abgehandelt werden. Schwerpunkt einer Wochenzeitung bekämen aktuelle Geschehnisse und deren richtige, marxistische
Einordung in den globalen Zusammenhang.
Aber eine radikale Wochenzeitung sollte viel mehr sein als nur korrekte Berichterstattung. Sie
ist nicht nur ein Werkzeug oder Kommunikationsmittel der Linken nach außen, sondern auch nach innen. Sie sollte linke AktivistInnen über den
Fortschritt von Kampagnen in den verschieden Städten und Ländern auf dem Laufenden halten und Erfolgsgeschichten propagieren. Sie diente
somit der Organisierung der außerparlamentarischen Systemopposition, idealerweise dem Aufbau und Ausbau einer gesamtlinken politischen
Organisation.
Im Zeitalter der Antiglobalisierungsbewegung, der Sozialforen auf allen Ebenen, und der EAL
(Europäische Antikapitalistische Linke) ist genau das dringend nötig im deutschsprachigen Raum: Eine Zeitung, die sich an »normale«
Menschen richtet, über den Tellerrand der explizit sozialistischen Linken hinaus blickt, Sprachrohr für im weiteren Sinne antikapitalistische Linke
sein will, und die eine Auswahl an relevanten regionalen und bundesweiten Veranstaltungen bietet.
Um das Ganze ein wenig konkreter zu machen, sei hier das australische Musterbeispiel
angeführt: Green Left Weekly. GLW ist seit 1991 Nachfolger von Direct Action und hat ein Agitationsfeld bereits im Namen: die australischen
Grünen, die den linken Gegenpol der deutschen Grünen bilden. GLW wird von der Democratic Socialist Party (DSP) publiziert, finanziert und
vertrieben, hauptsächlich im Straßenverkauf. GLW dient als Werkzeug, das mittels farbiger Titelseiten mit 12 Schlagzeilen den Kontakt
zwischen DSP-Mitgliedern und der Bevölkerung herstellt. GLW ist Agitations- und Kommunikationsmittel und in einfacher Sprache geschrieben. Sie
deckt die fünf Millionenstädte und weiteren zehn Subzentren zu 95% ab und hat anerkannt exzellente globale Berichterstattung mit Eigenrecherche
und Artikeln von Genossinnen und Genossen in der ganzen Welt, obschon mit englischsprachigen Schwerpunkten.
Die DSP als größte und aktivste marxistische Partei (leninistisch, ex-trotzkistisch,
eigenständig) hat 2001 zusammen mit der International Socialist Organisation (ISO) die Socialist Alliance initiiert. Dieses Bündnis hat sich 2003 zur
»Multi-Strömungs-Sozialistischen Partei« entwickelt ganz im Gegensatz zum englischen Pendant und auch gegen den Widerstand der
ISO, die ihre Parteilinie weitestgehend von der britischen SWP bezieht. Die Socialist Alliance hat im Dezember ein Angebot der DSP angenommen, GLW mehr
und mehr in ihre Verantwortung zu überführen, obwohl GLW keine Parteizeitung ist und auch nicht sein will, sondern eine sehr viel breitere Leser-
und Autorenschaft hat. GLW hat sich als bestes Mittel für den Auf- und Ausbau der Socialist Alliance erwiesen, vor allem für die Kommunikation
zwischen Hunderten von neuen Mitgliedern. Diese »unabhängigen« Socialist-Alliance-only-Mitglieder bilden die große Mehrheit der
Socialist Alliance. GLW fungiert somit als Schmiermittel im frischen Getriebe der Socialist Alliance.
GLW ist weitgehend konkurrenzlos und wird deswegen auch von vielen Grünen gelesen,
und sie ist somit durch die vielen internationalen Zugriffe der nunmehr wöchentlich 6000090000 GLW-WWW-LeserInnen de facto zum
Sprachrohr für Australiens Linke geworden.
Im November hat die neuseeländische NZ Alliance nachgezogen. Sie hat sich als explizit
sozialistisch definiert und als einen Schwerpunkt den Ausbau ihres neuen Journals Red & Green benannt. Sie NZ Alliance war 1991 aus einer
Linksabspaltung der Labour Party, den Grünen, Democrats und der Maori-Partei hervorgegangen, bildete später mit der Labour Party ohne
die nun wieder eigenständigen NZ Greens die Regierung und hat sich typischerweise über Differenzen zwischen Parlamentariern und Partei
gespalten, was den Weg für eine klare sozialistische Ausrichtung freimachte.
Welche Relevanz haben diese Beispiele für Deutschland? Die Formierung einer EAL
und die Abstinenz der gespaltenen oder vielmehr zersplitterten deutschen Linken drängt geradezu darauf, über ein Projekt »Sozialistische
Allianz« oder »(deutsche) Antikapitalistische Linke (Wahlbündnis bzw. Partei im Aufbau)« nachzudenken. Eine in diesem Sinne
agitierende Wochenzeitung wäre doch vielleicht ein inspirierender Anfang. Lets get (y)our act together!
Norbert Braumann
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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