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Die drei Gewerkschaftsverbände CGIL, CISL und UIL stimmten Ende des Jahres einem nationalen Tarifvertrag zu, der
Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate vorsah. Den Metro-, Bus- und Tramfahrern in Mailand, die bereits Lohnrückstände in
Höhe von 3000 Euro zu beklagen haben, platzte der Kragen; sie fordern eine monatliche Lohnerhöhung von 106 Euro.
Am 1.Dezember setzten sie die drei Gewerkschaftsverbände mitten während der
Verhandlungen unter Druck: einen Warnstreik, den die Gewerkschaftsspitzen angekündigt hatten, verwandelten sie ohne Vorwarnung in einen
ganztägigen Streik. Der Verkehr in der Millionenstadt Mailand brach zusammen; 150000 Menschen war nach offiziellen Angaben nicht in der Lage, ihren
Arbeitsplatz zu erreichen.
Die Gewerkschaftsverbände hatten nichts besseres zu tun, als sich umgehend von dieser
»wilden Aktion« zu distanzieren. Arbeitgeber, die Gemeinde und der Innenminister verlangten harte Strafen für die Streikenden; die Presse
entfesselte eine regelrechte Hetzkampane. »Entlasst sie!«, forderte die Titelseite der Tageszeitung La Stampa. Die Mailänder
Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren wegen »Unterbrechung des öffentlichen Nahverkehrs«. Die Digos, die
italienische Antiterrorgruppe der Polizei, wurde beauftragt, die Namen der Verantwortlichen ausfindig zu machen.
Trotz der Proteste unterzeichneten die Gewerkschaften den Vertrag am 20.Dezember. Die
wilden Streiks wurden fortgesetzt zwischen dem 1.Dezember und dem 10.Januar an insgesamt sechs Tagen. Am 13.Januar ging es erneut los
diesmal nicht nur in Mailand, sondern auch in Brescia. In beiden Städten verhängte der Präfekt eine Arbeitsverpflichtung und drohte bei
Zuwiderhandlung mit Geldstrafen bis zu 516 Euro pro Tag und Haftstrafen zwischen sechs Monaten und sieben Jahren.
Die Streikenden verlangen die Wiedereröffnung der Verhandlungen über den
Tarifvertrag. Sie haben in der Öffentlichkeit erhebliche Unterstützung gewinnen können. Dario Fo hat eine große
Solidaritätsversammlung organisiert, Rifondazione Comunista unterstützt die Streikenden.
Ihnen gegenüber stehen nicht allein Regierung und Gemeinde. Auf deren Seite hat sich auch die CGIL gestellt; sie lehnt eine Neuaufnahme der
Verhandlungen ab und hat Streikende mehrfach aufgefordert, an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Aus der Sicht des Generalsekretärs der CGIL ist
die Arbeitsverpflichtung »keine Maßnahme, die sich gegen das Streikrecht richtet, sondern eine Maßnahme zur Verhinderung negativer
Konsequenzen für die gesamte Einwohnerschaft«.
Die Fahrer auf den städtischen Linien lassen sich davon nicht einschüchtern. Sie
drohen mit der Ausweitung der Streiks: »Die Fahrer stehen in ganzen Italien auf dem Kriegsfuß und können in wenigen Stunden über
neue Kampfformen entscheiden.« Eine Koordination verschiedener Basisgewerkschaften gibt bei ihnen den Ton an. Sie wollen auch andere Kampfformen
versuchen gemeinsam mit den Fahrgastverbänden.
Durchschlagenden Erfolg hat der »Fahrscheinstreik«. Die Fahrgastverbände
haben eine hohe Beteiligung gemeldet; sie rufen die Bewohner auf, umsonst zu fahren und erklären sich bereit, evtl. Strafzettel zu übernehmen.
Die Streikenden fordern, dass die neuen Verhandlungen mit den Basisgewerkschaften
geführt werden; von den traditionellen Gewerkschaftsverbänden fühlen sie sich nicht mehr vertreten. Sie stellen auch Forderungen an die Art,
wie Tarifverhandlungen zu führen sind. Sie haben mit ihren autonomen Aktionen eine Kampfführung durchgesetzt, die unmittelbar an der Basis
kontrolliert wird: die Aktionen werden in den einzelnen Depots diskutiert und beschlossen. Darüber hinaus fordern sie, dass Abschlüsse
künftig einer Urabstimmung unterzogen werden.
Inzwischen streiken in Mailand auch die Feuerwehrleute und in Rom die Beschäftigten
bei Alitalia gegen Entlassungen.
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