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Oft kommt es nicht vor, dass ganze Belegschaften von ihren Bossen zur Demonstration geschickt werden. Am 5.November 2003
standen vor dem Brandenburger Tor in Berlin ganze Gruppen mit dem Schriftzug oder dem Logo ihres Arbeitgebers auf neuen Windjacken und Kappen. Vestas,
ein Hersteller von Windkraftanlagen hatte gar einige hundert Beschäftigte aufgeboten. Andere Firmen, die nicht soviel Personal aufbieten konnten, hatten
schwergewichtige Beispiele ihre Produktpalette auf Tiefladern mitgebracht. Ein Blockheizkraftwerk für Biogas flankierte die Demonstranten, Flügel
von Windkraftanlagen ragten meterhoch in den sonnigen Himmel, und überall glänzten die blauen Platten der Solaranlagen.
Ein breites Bündnis, an dem sich neben den Firmen auch Umweltorganisationen,
Gewerkschaften und Verbände aus dem Bereich der Regenerativen Energien zusammengefunden hatten, wollte Einfluss auf die Novellierung des
»Erneuerbare-Energien-Gesetzes« (EEG) nehmen und ihre Forderungen nun endlich medienwirksam in die Öffentlichkeit tragen. Das EEG
wird bei den Energiepolitikern der Grünen als die größte politische Leistung der Partei betrachtet und rechtfertige die rot-grüne
Koalition in Deutschland.
Das Gesetz war im April des Jahres 2000 in Kraft getreten. Es legt Bedingungen für die
Einspeisung von Strom aus regenerativen Energiequellen (Sonne, Wind, Wasser, Biomasse) fest, die viele bislang bestehende Hindernisse beseitigten. Im Prinzip
wurden die Betreiber der Stromnetze dazu verpflichtet, den Strom in ihr Netz zu übernehmen und dafür eine höhere Vergütung zu
bezahlen. Die Höhe der Vergütung orientierte sich an den Produktionskosten für den Strom und war infolgedessen bei Strom aus
Sonnenkollektoren höher als bei Windkraft.
Flankiert wurde das EEG durch Förderprogramme für Investitionen über die
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Es gab zinsgünstige Kredite; sobald eine Anlage ans Netz ging, war fast ein Drittel der Schuld getilgt. Beides
zusammen hat dazu geführt, dass sich die Nutzung der erneuerbaren Energien in Deutschland massiv ausgebreitet hat. Unübersehbar sind bei einer
Fahrt durch das Land die Windparks mit Dutzenden Windrädern. Weniger sichtbar, aber dennoch vorhanden, sind Kraftwerke, die aus Holz oder
Gülle Strom erzeugen.
Ein einflussreicher Flügel in der SPD, der innig mit Kohle und Atom verbandelt ist, eine Mehrheit in der CDU/CSU und praktisch die ganze FDP
sehen diese Entwicklung mit einem gewissen Unbehagen. Dem damaligen Wirtschaftsminister Müller, der inzwischen den Lohn für seine Dienste
kassieren kann, war es noch gelungen, sie durch Wegfall der Investitionsförderung zu bremsen, was sich sofort in den Auftragsbüchern für
Erneuerbare Energien niederschlug. Aber erst die im Sommer 2003 anstehende Novellierung des EEG spitzte den Konflikt soweit zu, dass er über die
Insiderdiskussionen hinaus bekannt wurde.
Eigentlich sollte es über die Förderung erneuerbarer Energien kaum
Meinungsunterschiede geben. Die Bundesrepublik hat sich, wie auch die EU, immer wieder dazu bekannt und verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energien zu
vergrößern und den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu verringern.
Die Gründe dafür sind inzwischen Allgemeingut der Umweltbewegung. Die
Sonne liefert jeden Tag ein Vielfaches der Energie, die heute aus Kohle, Öl und Atomkraft erzeugt wird. Selbst im frostigen Skandinavien reicht sie aus,
die Hütte zu wärmen, sofern mit Wärmedämmung gebaut wird. Wärmerückgewinnung, energiesparende Technologien,
vor allem ein öffentlicher Verkehr anstelle des energieverschwendenen privaten Kraftwagens, langlebige und reparaturfreundliche Güter anstelle der
billigen Wegwerfprodukte können den heutigen Primärenergiebedarf auf weniger als ein Viertel reduzieren; dieser Bedarf lässt sich
problemlos mit Sonne, Wind, Wasser und Biomasse decken.
Tausende Umweltgruppen und vor allem die Aktivisten der Lokalen Agenda 21 in den
Gemeinden wissen das und müssen trotzdem um jeden kleinen Schritt kämpfen. Ein Hoffnungsschimmer war das EEG. Die erhöhte und
garantierte Vergütung der eingespeisten Energie neutralisierte auf betriebswirtschaftlicher Ebene das Argument »Das rechnet sich nicht«. Man
konnte mit erneuerbaren Energien Geld verdienen. Der Besitzer einer alten Wassermühle konnte eine moderne Turbine einbauen, der Bauer konnte aus
seiner Gülle über Biogas ein Vielfaches seines Eigenbedarfs an Strom erzeugen, Waldbesitzer konnten unverkäufliches Holz im eigenen
Kraftwerk nutzen.
Als hinderlich für die Argumentation für das EEG hat es sich im Nachhinein
erwiesen, dass die üppigsten Profite im Bereich der Windkraft versprochen wurden. Projektentwickler legten Fonds auf, die gängige
Steuersparmodelle nutzen, sammelten betuchte Anleger und ließen in großem Stil bauen.
Konflikte mit Anwohnern, denen ungefragt Hunderte Windräder vor die Nase gesetzt
wurden, konnten nicht ausbleiben. Kommunalpolitiker wurden mit kleinen Geschenken umgestimmt und einige Landesregierungen halfen bereitwillig mit
passenden Gesetzen, Landschaftsplänen und direkten Subventionen für Investitionen. Leerstehene Werkhallen, etwa im ehemaligen
Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann oder in Rostock wurden den Herstellern von Windkraftanlagen angedient, die ihre Produktion von den
traditionellen Standorten an der Nordseeküste mit Hunderten Arbeitsplätzen in die neuen Bundesländer verlagerten, wo sie preisgünstig
qualifiziertes Personal fanden.
Im Nachhinein ist diese Praxis zum Bumerang für das EEG geworden. Im Sommer 2003
machte die Lobby der fossilen Energie mit harten Bandagen und auch offensichtlichen Lügen Stimmung.
Die Lobby argumentierte, bei der Vergütung handele es sich um eine Subvention, was in einem Klima, in dem allenthalben vom Abbau von
Subventionen geredet wird, gut ankommt. Tatsächlich war schon im Jahr 2000 juristisch geklärt worden, dass diese Form der Förderung
regenerativer Energien lediglich eine Umverteilung von Kosten innerhalb der Stromversorger sei und den Bundeshaushalt keinesfalls belaste. Nun wurde
behauptet, der Endkunde müsse diese Förderung, wie auch die Ökosteuer, mit unangemessen steigenden Strompreisen bezahlen.
Tatsächlich waren nach der »Liberalisierung« des Strommarkts die Verbraucherpreise zeitweilig gefallen, weil neue Anbieter auf den Markt
drängten. Nachdem sich die alten Oligopole wieder stabilisiert haben, sind Preise und Profite allerdings wieder gestiegen.
Dann wurde behauptet, die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien würde das
Netz instabil machen, es drohe die Gefahr eines völligen Zusammenbruchs des Netzes wie kürzlich in den USA. Allerdings waren die
flächendeckenden Stromausfälle dort eher durch das ungeplante Abschalten von Großkraftwerken verursacht. Kleine und dezentrale
Stromproduzenten, zumal wenn sie verschiedene Energien nutzen, fallen selten alle gleichzeitig aus. Wenn ein einzelnes kleines Kraftwerk wegen Störung
oder wegen Wartungsarbeiten vom Netz genommen werden muss, können die anderen diese Leistung zur Verfügung stellen.
Die Stromwirtschaft weiß über diese Zusammenhänge Bescheid; sie
errichtet sogar konventionelle Kraftwerke als Reserve, wenn beim Abschalten eines Kernkraftwerks eine große Leistung unvermittelt wegfällt.
Die Freunde des EEG haben darüber hinaus zusammengerechnet, wieviel Geld in Form
von direkten Subventionen oder von Forschung in konventionelle Energien und vor allem in die Atomenergie geflossen sind Mittel, die weder
Arbeitsplätze dauerhaft gesichert oder gar geschaffen haben. Im Bereich der erneuerbaren Energien hingegen sind einige zehntausend Arbeitsplätze
entstanden.
Mit dem EEG verband sich die Hoffnung, dass die Preise für einzelne Anlagen
tendenziell sinken. Die Erwartung war nicht ganz unberechtigt, denn die Produktion bewegt sich vielfach noch auf dem Niveau der Manufaktur mit viel
Handarbeit. Im Übergang zu größeren Stückzahlen, die in Serie gefertigt werden, liegen zweifellos Potenziale zur Senkung der
Investitionskosten, damit können auch die Herstellungskosten das Niveau konventioneller Kraftwerke erreichen, das immer als Maßstab gilt.
Ausgerechnet die Grünen haben die erneuerbaren Energien als heilsam für den Standort Deutschland beschworen. Die garantierte
Vergütung soll bewirken, dass im Inland eifrig Anlagen gekauft und noch mehr exportiert werden. Das macht deutlich, worum es letzlich geht:
Deutschland soll als Ausstellungsgelände für erneuerbare Energien ausstaffiert werden, damit der Export brummt.
Tatsächlich gibt es viele Gegenden, in denen die Sonne mehr scheint, der Wind
kräftiger weht und die Pflanzen üppiger sprießen. Aber dort wird man »Made in Germany« nur kaufen, wenn man die
Anwendung im eigenen Land glaubhaft darstellen kann. Dies ist auch einer der Gründe, warum im Interesse des deutschen Maschinenbaus am Bergbau
und am Betrieb von Kohlekraftwerken festgehalten wird. Bei Geräten für den Abbau, die Aufbereitung und die Verbrennung von Kohle haben
deutsche Unternehmen weltweit noch einen guten Namen.
Die wahren Potenziale sehen die eifrigsten Propagandisten der erneuerbaren Energien in den
Weiten der Sahara für Solarenergie oder in den Tropen für Biomasse. Solche Visionen sind zuerst als Reaktion auf die Ölkrise entstanden,
bewusst oder unbewusst knüpften sie an das kaum noch bekannte »Atlantropa-Projekt« des deutschen Ingenieurs Sörgel. Dieser hatte
gigantische Pläne zur Umgestaltung Afrikas entwickelt: der Wasserspiegel des Mittelmeers sollte um einige Meter abgesenkt und die Sahara
bewässert werden. Das Gebiet des heutigen Kongo sollte unter Wasser gesetzt und als Binnenschiffahrtsweg genutzt werden, um die Produkte Afrikas
bequem nach Europa zu verschiffen.
Heute begnügt man sich damit, die Sahara mit Solaranlagen zuzupflastern, deren Energie
in Form von Wasserstoff in das nach wie vor energiehungrige Europa geleitet wird. Aber dazu müssen nicht nur Solarzellen sehr viel billiger und in
riesigen Mengen produziert werden, sondern es muss auch eine Wasserstoffwirtschaft aufgebaut und Konverter entwickelt werden, die aus Wasserstoff Strom
machen. Dafür ist die Brennstoffzelle vorgesehen, an deren Markteinführung im Moment mit großem Nachdruck gearbeitet wird.
Vor ein paar Jahren mochte es noch möglich sein, für den eigenen Strombedarf ein
Windrad aus alten Fahrradteilen und einer Autolichtmaschine zu bauen. Heute sind Windkraftanlage hochgezüchtete Hightechprodukte. Es werden
modernste Verfahren der Werkstofftechnik angewandt, wie es sie in der Luft- und Raumfahrt, aber vor allem in der Rüstungsindustrie gibt. Flügel,
Getriebe, Generatoren und Masten müssen hohen Belastungen standhalten, insbesondere wenn die Windkraft wie angekündigt
»Offshore«-Parks auf dem offenen Meer einige Kilometer vor der Küste errichtet.
Es ist daher kein Wunder, dass bei den erneuerbaren Energien längst nicht mehr die
Ökofreaks im Wollpullover den Ton angeben. Auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor dominierten gepflegte Herren mittleren Alters im feinen
Tuch. Sie stehen zum Teil für Firmen, deren Namen man hier nicht erwartet hätte. Shell und BP sind längst in großem Stil in der
Solartechnik engagiert.
Die harmlos schillernden Solarzellen können nur mit Hilfe eines giftigen
Chemiecocktails und mit Technologien aus der Massenproduktion von elektronischen Schaltkreisen produziert werden. Die Global Players aus Maschinenbau,
Elektronik und Chemie sind hier zur Stelle. Bei der Windkraft häufen sich die Meldungen, dass Unternehmen, die zu den Pionieren der Branche
zählen, aufgekauft oder übernommen werden. Nun werden Kapitalmengen gebraucht, die einem klein- oder mittelständischer Betrieb in der
Regel nicht zur Verfügung stehen.
So treffen beim Streit um das EEG zwei Fraktionen des Kapitals aufeinander, die
unterschiedliche Pläne über die optimale Verwertung des eingesetzten Kapitals haben. Pikanterweise sind das gelegentlich unterschiedliche
Abteilungen oder Tochterfirmen desselben Weltkonzern, der sich am liebsten alle Optionen offenhält.
Bei den Energiepolitikern der Grünen ist kaum eine Einsicht in diese
Zusammenhänge zu erwarten. In klassisch neoliberaler Manier wollen sie, dass sich die erneuerbaren Energien gegenüber Öl und Atom auf
dem Markt bewähren. Dazu bedarf es einer Anschubfinanzierung, die durch das EEG ermöglicht wird. In wenigen Jahren sollen die erneuerbaren
Energien im freien Wettbewerb bestehen können.
Die Initiativen, die sich um eine selbstbestimmte Energieversorgung in der Region
kümmern und den Ausverkauf kommunalen Eigentums, etwa an Stadtwerken, im Interesse einer öffentlich kontrollierbaren Versorgung zur
Befriedigung der Grundbedürfnisse verhindern wollen, sind ziemlich ins Abseits geraten. Man weiß inzwischen, dass Insellösungen für
einzelne Häuser zu aufwendig sind und die technisch optimale Struktur eine kleine Stadt oder einen Stadtteil umfasst. Eine solche Struktur ist durchaus in
der Lage, sich auch in anderen Angelegenheiten von Schulen über das Gesundheitswesen und den öffentlichen Transport selbst zu
verwalten. Die Rahmenbedingungen, die das EEG bietet, lassen immerhin die Hoffnung, sie gezielt für den Aufbau solcher Strukturen nutzen zu
können.
Günther Kraft
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