SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2004, Seite

Erklärung der Freundinnen und Freunde der

EAL in Deutschland

Der Kalte Krieg endete 1989 mit dem Versprechen der Herrschenden auf weltweiten Frieden und Wohlstand. Jetzt, am Beginn des 21.Jahrhunderts erweist sich dies als Schall und Rauch. Statt dessen stehen wir einer Welt obszöner Ungleichheiten gegenüber. Abhängig Beschäftigte, Arbeitslose, Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger, alleinerziehende Frauen, Rentnerinnen, Rentner und viele andere sind die Betroffenen, während Unternehmensgewinne steigen und die aufgeblähten Einkünfte der Vorstände geheim gehalten werden. Die Armut in den Ländern des Südens wächst drastisch weiter. Kolonialherrschaft und Besatzung gehören wieder zum selbstverständlichen Repertoire der Großmächte.
Das Zeitalter der Großmächtekonkurrenz ist zurückgekehrt — und die Europäische Union wurde ein Teil dessen. Spätestens mit dem Irakkrieg wurde den Herrschenden in Europa klar: Die Herren der USA setzen ihre Interessen auch ohne oder gegen ihre ehemaligen Partner durch. Dieser Erkenntnis folgte rasch die politische Schlussfolgerung: Das Tempo der »wirtschaftlichen Modernisierung« in Europa soll erhöht werden. Deregulierung, Lohn- und Sozialabbau sollen die Konkurrenzfähigkeit europäischer Konzerne erhöhen. Gleichzeitig sollen immer mehr Mittel in eine forcierte europäische Aufrüstung gesteckt werden, um auch »eigene« Kriege führen zu können. In etlichen europäischen Ländern, darunter in Deutschland, übernahm es die Sozialdemokratie, dieses Programm durchzusetzen.
Doch unsere Welt ist auch eine Welt des Widerstands. Von den großen Revolten in Südamerika, den Streikbewegungen in Europa, der größten Antikriegsbewegung seit Generationen bis zu der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung — Millionen Menschen sind in Bewegung, um eine andere Welt zu erringen. In dieser Situation muss auch die Linke ausgetretene Pfade verlassen und Gemeinsamkeiten ausloten, um die Kräfte gegen den beispiellosen Angriff des Kapitals zu bündeln.
Die Europäische Antikapitalistische Linke (EAL) ist heute ein Dialog unterschiedlicher linker Kräfte, die sich zum Ziel gesetzt haben, der Linken — links von der Sozialdemokratie — eine neue Stimme zu geben, Politik »von unten« neu mit Inhalt zu füllen. Auch wir, die Freundinnen und Freunde der EAL in Deutschland, wollen zusammenarbeiten beim Aufbau des Widerstands, aber auch bei der Schaffung von Wahlalternativen, um dem Widerstand eine Stimme und Repräsentanz zu geben. Alle, die dabei mittun möchten, sind willkommen.

Was wir wollen

♦  Wir lehnen die in der Europäischen Union vorherrschende und über ihre Institutionen durchgesetzte neoliberale Wirtschaftspolitik ab. Stabilitätspakte und Standortpolitik gehören zu den Vorwänden für forcierten Sozialabbau in allen europäischen Ländern. Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen führt im Endergebnis immer zu einer Verschlechterung der Versorgungsleistungen, besonders für jene Menschen, die diese Leistungen am nötigsten brauchen. Maßstab für Entscheidungen ist in immer offenerer Weise und auf immer mehr Gebieten der Profit der großen Konzerne, Banken und Versicherungsgesellschaften. Für die abhängig Beschäftigten, für die Benachteiligten und Ausgegrenzten bedeutet dies Senkung des Lebensstandards, Unterwerfung unter die Logik der Konkurrenz, Abbau statt Ausbau sozialer Errungenschaften. Der Begriff der »Reform« selbst ist von der offiziellen Politik einschließlich der sozialdemokratischen seines Inhalts beraubt und in sein Gegenteil verkehrt worden. Er steht heute für Konterreform, für Klassenkampf von oben, für Umverteilung von unten nach oben, für Lohnsenkung und verstärkte Beraubung der Benachteiligten und der Armen zugunsten der Gewinnmaximierung der Reichen.
♦  Wir lehnen eine solche Politik grundsätzlich ab. Wir sind dagegen, sich an Regierungen zu beteiligen, die Sozialabbau und Kriegspolitik im Interesse der Herrschenden betreiben. Stattdessen wollen wir die Gegenwehr, den Widerstand, die selbstorganisierte Tätigkeit der Betroffenen in jeder Hinsicht ermutigen und befördern. Die Arbeit sozialistischer und emanzipationsorientierter Kräfte in den parlamentarischen Institutionen muss in den Dienst des Widerstands gestellt werden.
nInstitutionen und Verfasstheit der EU sind auf die Politik im Interesse des Kapitals hin zugeschnitten. Die neoliberale Wirtschaftspolitik ist in ihnen verankert, bis in den Entwurf für eine europäische Verfassung hinein. Darum, und auch wegen des undemokratischen Charakters ihres Zustandekommens und Inhalts, lehnen wir diese Institutionen und diesen Verfassungsentwurf ab. Gegenüber den parlamentarischen Demokratien der Mitgliedstaaten stellen die EU-Institutionen einen Rückschritt dar. Entscheidend ist die Macht der Exekutive, d.h. der Regierungen und der bürokratischen Apparate. Das europäische Parlament hat weniger Rechte und Einfluss als die nationalen Parlamente. Die Einflussmöglichkeiten der Bevölkerungen tendieren gegen Null. Wir lehnen diese Institutionen ab. Die antikapitalistische Linke kann in ihnen nur die Rolle einer Opposition spielen, die für völlig andere Verhältnisse eintritt. Wir sagen Nein zu diesem Europa, wir sind für ein anderes Europa — ein soziales und demokratisches, ökologisches und feministisches, friedliches und solidarisches Europa.
♦  Wir stehen für die Verteidigung der sozialen Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Wir fordern Ausbau und demokratische Selbstverwaltung statt Abbau der sozialen Sicherungssysteme und der öffentlichen Dienstleistungen, um allen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Gegen die massenhafte Erwerbslosigkeit, die das gesellschaftliche Kräfteverhältnis drastisch zugunsten der Kapitalseite verändert hat, fordern wir europaweit eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohneinbußen. Wir verlangen die Finanzierung der dringenden gesellschaftlichen Aufgaben durch Besteuerung der hohen Einkommen und Vermögen, statt Abbau des öffentlichen Eigentums, demokratische Kontrolle aller für die Gesellschaft insgesamt bedeutsamen Unternehmen. Wir unterstützen den Widerstand von Gewerkschaften, die Bewegungen gegen die neoliberale Globalisierung und die Sozialforumsbewegung und setzen uns in ihnen für den Aufbau einer breiten, gemeinsam getragenen und länderübergreifenden Mobilisierung für solidarische Lösungen und Alternativen ein.
♦  Wir haben uns gegen den Überfall der USA und Großbritanniens auf den Irak gewandt und zuvor gegen die deutsche Kriegsbeteiligung gegen Jugoslawien. Wir sind grundsätzlich gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr, egal unter welchem Etikett. Wir sind aber auch gegen den Aufbau einer europäischen Interventionsarmee und die entsprechende Auf- und Umrüstung. Wir wollen nicht, dass neben den USA europäische Truppen als »Weltpolizist Nr.2« weltweit Kriegseinsätze fahren. Die antikapitalistische Linke versteht sich als Teil der Antikriegsbewegung.
♦  Die Immigrantinnen und Immigranten werden in allen europäischen Ländern benachteiligt und diskriminiert. Elementare politische Rechte werden ihnen vorenthalten. Wir treten für volle demokratische Rechte einschließlich des Wahlrechts für alle ein, die in den Ländern der EU leben und arbeiten. Darüber hinaus wenden wir uns gegen alle Schritte zur Schaffung einer »Festung Europa«, gegen Drangsalierung und unmenschliche Behandlung von Flüchtlingen, die sich einem europäischen Polizeistaat gegenüber sehen, ganz gleich ob sie wegen politischer Verfolgung oder aus sozialer Not in die Länder der EU fliehen. Wir wollen offene Grenzen und ein menschenwürdiges Leben für alle Flüchtlinge.
♦  Wir fordern eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter. Noch immer sind die Frauen auf allen Ebenen benachteiligt. Sie sind die ersten Opfer von Sozialabbau und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Ihre ökonomische Unabhängigkeit muss sichergestellt werden. Ganztägige und anspruchsvolle Betreuung der Kinder in Kindertagesstätten und Schulen ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Beim Kampf gegen Erwerbslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung muss die Verbesserung der Erwerbsmöglichkeiten für Frauen im Vordergrund stehen.
♦  Die EU rühmt sich ihrer »Entwicklungshilfe«. Sie pflegt das Image, gemessen an den USA sozusagen einen Imperialismus »mit menschlichem Antlitz« zu verkörpern. Die EU vertritt jedoch die Interessen der europäischen Konzerne und Banken auch gegenüber den Konkurrenten aus der Dritten Welt. Trotz der Ideologie des Freihandels, die gerade den armen und ökonomisch abhängigen Ländern aufgezwungen wird, betreibt sie Protektionismus gegen deren Produkte und mischt sich umgekehrt massiv in ihre politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen ein — im Sinne der neoliberalen Anpassungspläne, im Sinne von Sozialabbau und Privatisierungspolitik.
♦  Die sog. Regierungslinke ist Teil des Systems. Eine andere Politik ist nötig, eine andere Linke ist möglich. Die antikapitalistische Linke tritt für ein anderes Europa ein, ein demokratisches und soziales Europa der Solidarität, ein nach Süden und Osten hin offenes Europa, in dem ökologisch verantwortlich nach dem Maßstab der Bedürfnisse produziert wird. Wir sind für eine andere, für eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft, die auf der Selbstorganisation der Arbeitenden beruht.
♦  Wir treten ein für den Aufbau einer neuen pluralen und glaubwürdigen Kraft der antikapitalistischen Linken, einer Kraft, die die Fähigkeit erringt, im Herzen des Radikalisierungs- und Politisierungsprozesses der neuen Generationen die Grundlagen zu schaffen für neue Mehrheiten, für Mehrheiten zugunsten neuer sozialer und solidarischer Verhältnisse, die ein menschliches Maß haben, nicht das des Kapitals.

Dies sind, knapp zusammengefasst, jene Positionen, in denen wir übereinstimmen. Wir wollen an dem nunmehr europaweiten Prozess des Aufbaus einer antikapitalistischen Linken mitwirken. Wir werden gemeinsam in den Wahlkampf 2004 zum europäischen Parlament eingreifen. Wir werden gemeinsam über den EAL-Prozess informieren, gemeinsame Veranstaltungen organisieren und alles tun, um die Verständigung und Positionsbildung der linken Kräfte weiter voran zu bringen.

Berlin, 10. Januar 2004
3.Treffen der Freundinnen und Freunde der EAL in Deutschland

Helmut Born (BR-Vorsitzender, Ver.di NRW), Hugo Braun (DKP), Tobias ten Brink (Linksruck), Wilfried Dubois (ISL), Karin Gerlich, Joachim Glund (Euromärsche), Richard Grove (GEW), Johann Janssen, Christoph Jünke (Redaktion SoZ), Manuel Kellner (ISL), Sascha Kimpel (Initiative für ein Berliner Sozialforum), Angela Klein, Leo Mayer (DKP), Lothar Schwarz, Sascha Stanicic (SAV), Paul Stern (Sozialforum Celle).
(Der Organisationsname dient einzig der Information.)



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