SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2004, Seite 14

Rot-Grüne Allianz in Dänemark

Erfolgsgeschichte mit Hindernissen

Die Rot-Grüne Allianz Dänemarks wurde 1989 von drei linken Parteien: der Linkssozialisten (VS), der Kommunistischen Partei Dänemarks (DKP) und der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP/IV.Internationale) sowie von unabhängigen Sozialisten gegründet. Die Allianz kann heute auf eine fünfzehnjährige Erfahrung zurückblicken, hat vier Sitze im Nationalparlament (Folketinget), mehrere gewählte Repräsentanten in Kommunalparlamenten und 2500 Mitglieder überall im Lande und eine wachsende Jugendorganisation (SUF).
Die Partei ist weithin bekannt, sowohl für die konkrete Politik ihrer populären nationalen Vertreter wie ihre Präsenz vor Ort, nicht zuletzt in den sozialen Bewegungen, den Gewerkschaften usw. Sie spielte ebenso eine große Rolle in der Antikriegsbewegung der letzten Jahre (sowohl gegen die USA als auch Saddam/Taliban/Milosevic usw.) wie in den Mobilisierungen gegen den Neoliberalismus der EU, WTO und anderen. Mit anderen Worten: eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, welche Möglichkeiten sich einer Linken bieten, die zusammenarbeitet und alte Differenzen überwindet. Doch keine Erfolgsstory ohne Dornen, und die Entwicklung der Rot-Grünen Allianz war und ist nicht geradlinig.
Erstens ist sie das Produkt einer Schwächung der Linken in den 70er und 80er Jahren, sowohl in den Gewerkschaften wie auch den anderen sozialen Bewegungen. Auf ihrer Höhe vermochten die drei ursprünglichen Parteien (VS, DKP und SAP) mehr Menschen zu mobilisieren und hatten mehr Mitglieder als die Rot-Grüne Allianz heute vorweisen kann. Außerdem waren sozialistisches Bewusstsein und das Niveau der politischen Debatte ungleich weiter entwickelt in jener Zeit, als sich die Rivalitäten der unterschiedlichen linken Parteien sektiererischer gestalteten. Es war ein wirklicher Kampf zwischen Alternativen, der heute um vieles enger ist.
Zweitens war die Rot-Grüne Allianz von Anbeginn an eine auf Erringung von Parlamentssitzen ausgerichtete Wahlkoalition. Als sie 1993 sechs Sitze gewann, war dies natürlich ein großer Durchbruch für die Partei. Doch schnell und nachhaltig dominierte die Parlamentsfraktion den Rest der Organisation und wurde zur treibenden Kraft bei der Entwicklung der meisten — wenn nicht aller — Parteiprogrammatiken und -themen. Die gewählte Parteiführung war den Abgeordneten strukturell unterlegen, die sich zumeist täglich treffen, um die Politik zu bereden, Initiativen in Gang zu setzen, Medien zu bedienen usw. Dies drohte eine Reihe von Auseinandersetzungen zu provozieren, doch alles in allem hat die Partei diese Lage gemeistert und ebenso ihre parlamentarische wie ihre außerparlamentarische Arbeit weiter entwickelt.
Drittens: Obwohl die Partei sowohl ihre Politik wie ihre Organisation weiter und sich zu einem integrierten Ganzen entwickelt hat, ist das absolute Maß ihrer Aktivität nicht besonders überzeugend und sie nur begrenzt als Ganze aktionsfähig. Es gibt auch bestimmte Tendenzen der Anpassung und des Reformismus in einigen Teilen der Partei, besonders bei den Debatten um lokale und nationale Finanzhaushalte. Die Mehrheit der Mitglieder sind, obwohl zweifelsfrei sozialistisch und antikapitalistisch gesinnt, nicht ausreichend in revolutionären Positionen verankert. Manche Teile der Partei sind auch mehr grün und umweltorientiert, als dass sie »Rote« sind. Wie auch immer, die gute Seite ist, dass die Rot-Grüne Allianz ausgesprochen aktiv ist für jene, die sich nach links bewegen. Radikalisierungstendenzen in größeren oder kleineren Gesellschaftsgruppen werden an gewissen Punkten fast unvermeidlich auf ihren Zusammenhang zur Rot-Grünen Allianz gestoßen.
Viertens ist die Rot-Grüne Allianz deutlich unterrepräsentiert bei Frauen, Arbeitern oder Mitgliedern mit Immigrantenhintergrund — mit bemerkenswerten und wichtigen Ausnahmen (bspw. bei den Parlamentsfrauen und Dutzenden talentierter Aktivistinnen und Aktivisten). Es herrscht ein definitives Übergewicht von gut gebildeten Männern — auch wenn diese gerade bei diesen Themen ausgesprochen progressiv sind, und auch wenn die Partei eine gute Bilanz bei der Verteidigung und Repräsentanz der Interessen von Frauenorganisationen, Gewerkschaften und ethnischer Minderheiten aufzuweisen hat. Es gibt jedoch noch einiges zu tun, wenn es darum geht, diese nicht nur zu verteidigen, sondern sie in ihrer Gruppenvielfalt auch zu integrieren und zu bestärken.
Fünftens: Es gibt zwar eine wirkliche Integration der traditionellen radikalen linken Parteien und eine wirkliche Überwindung alter Differenzen zugunsten der Einheit auf der Basis eines neuen und sich entwickelnden Programms. Trotzdem gelang der Rot-Grünen Allianz noch kein entscheidender Einbruch in die Basis der reformistischen Sozialistischen Volkspartei (mit 6—8% Wählerstimmen verglichen zu den 2—3% für die Rot-Grünen) oder der etablierten Sozialdemokratischen Partei.
Und auch wenn sie erfolgreich einen entschiedenen und attraktiven Pol einer antistalinistischen sozialistischen Partei begründet hat, gibt es noch immer stalinistische Sekten um sie herum, die um Einfluss in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen kämpfen und manche Jugendliche anziehen. In diesem Sinne steht die Allianz noch immer dort, wo sie vor zehn Jahren stand, aber in einer besseren Ausgangslage, um zu wachsen.
Alles in allem muss die Rot-Grüne Allianz ihre Politik und ihre sozialistischen Visionen noch entwickeln. Das passiert jedoch nicht selbstherrlich aus sich selbst heraus, sondern wird abhängen sowohl von der Entwicklung der Gesellschaft als solcher wie auch von der kontinuierlichen Alltagsarbeit der Parteimitglieder.

Bjarke Friborg, Kopenhagen

Siehe auch: www.enhedslisten.dk ; www.ungdomsfront.dk



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