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Ein Ereignis der besonderen Art war es schon, dem die etwa 30 Teilnehmenden (davon nur zwei Frauen) da am Wochenende
vom 24./25.1. in der Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen beiwohnten. Auf Einladung der DKP-nahen Marx-Engels-Stiftung kamen unterschiedlichste
Organisationszusammenhänge u.a. auch die Zeitungen und Zeitschriften junge Welt, Marxistische Blätter, Arbeiterpolitik und
Arbeiterstimme sowie, nicht zuletzt, auch die SoZ zusammen, um ein scheinbar historisch weit abgelegenes Thema zu diskutieren: »Zur
Problematik der Übergangsforderungen in der Strategie der sozialistisch-kommunistischen Bewegung. Geschichtliches und Aktuelles«. Dahinter
verbarg sich der Versuch, so Robert Steigerwald zu Beginn der Tagung, auszuloten, was »Stalinisten«, »Trotzkisten« und
»Brandleristen« nach einem Dreivierteljahrhundert der Spaltung noch heute trennt und wie man dies aufarbeiten könne, um zu einem neuen,
produktiven und unsektiererischen Verhältnis zu gelangen.
Und in der Tat war die Atmosphäre der Diskussionen eine bemerkenswerte Mischung
aus behutsamem und respektvollem Kennenlernen und sowohl offener wie sachlich bemühter Diskussion, die kaum hinter dem Berg hielt mit dem, was die
Anwesenden jahrzehntelang zum Teil erbittert und brutal getrennt hat.
Die Referate von Hans-Joachim Krusch (Marxistischer Arbeitskreis zur Geschichte der
deutschen Arbeiterbewegung bei der PDS) und Manuel Kellner (ISL) kreisten um die deutsche Revolution von 1923 und die Debatten auf dem III. und
IV.Kongress der Kommunistischen Internationale und verdeutlichten, dass in der Verarbeitung der Lehren dieser Zeit der historische Ursprung der nachhaltigen
Spaltung zu suchen ist. Dass die damals begonnene Diskussion um die Rolle von Übergangsforderungen und ihrer Stellung in einem neuen
Übergangsprogramm nicht nur einen besonderen deutschen Akzent trug, sondern auch vom beginnenden Stalinismus zum Leidwesen von Theorie und
Praxis der kommunistischen Bewegung abgebrochen und verbogen wurde, darin waren sich die Anwesenden einig.
Deutliche Unterschiede wurden bei den Diskussionen der Beiträge des DKP-Historikers
Günter Judick (»Zur Volksfront- und Einheitspolitik«) und dem SoZ-Redakteur Christoph Jünke (»Was uns jahrzehntelang
getrennt hat und was uns in naher Zukunft wieder verbinden könnte«) sichtbar. Hier standen die von Judick zwar politisch und historisch als
vollkommen gescheitert eingeschätzte, nichtsdestotrotz verteidigte Volksfrontstrategie und die von Jünke stark gemachte klassisch
linkssozialistische Stalinismuskritik im Zentrum einer kontroversen, aber solidarischen Diskussion, in die sich auch die sonst eher zurückhaltenden
Genossen von Arbeiterpolitik und Arbeiterstimme massiver einmischten.
Wurde bereits bei diesen Beiträgen und Diskussionen deutlich, wie stark scheinbar rein
historische Debatten einen politisch-aktuellen Zusammenhang aufweisen, so dominierte dieser vollends mit den Beiträgen von Willi Gerns (DKP) und
Angela Klein (SoZ, ISL). Gerns ließ die programmatischen Debatten der DKP seit den 70er Jahren Revue passieren und Klein entwickelte Ansätze
eines zeitgenössischen Übergangsprogramms. Dass gerade der Versuch der DKPler, die Strategie des antimonopolistischen Kampfes zu erneuern,
auf wenig Gegenliebe stieß, änderte allerdings wenig daran, dass man sich in vielem anderen nicht nur ähnlich, sondern einig war.
So spricht der Organisator Robert Steigerwald in einem für die UZ geschriebenen (aber
von ihr nicht veröffentlichten) Tagungsbericht davon, dass diese Konferenz und ihre Atmosphäre einer »vertrauensbildenden
Maßnahme« gleichkamen. Ein Urteil, dass die meisten der in Leverkusen Anwesenden sicherlich teilen.
Christoph Jünke