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Nachdem im vergangenen Jahr die Landesregierungen den Beamten per Gesetz höhere Arbeitszeiten, die Kürzung des
Weihnachtsgelds und die Streichung des Urlaubsgelds verordnet haben, will die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) nun auch Arbeitern und Angestellten eine
Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit aufzwingen.
Die Länder hatten die tariflichen Regelungen zum Weihnachts- und Urlaubsgeld bereits zum 30.6.03 gekündigt. Jetzt zogen sie mit der
Kündigung der Arbeitszeitbestimmungen für das Tarifgebiet West zum 30.4.04 nach. Alle neu eingestellten Arbeiter und Angestellten sollen bis zu 42
Stunden pro Woche arbeiten, und jede höhere Eingruppierung soll mit der Bereitschaft verbunden werden, diese Arbeitszeiterhöhung zu akzeptieren.
Eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit in Bund, Ländern und
Gemeinden also im gesamten öffentlichen Dienst würde die Vernichtung von mehreren hunderttausend Stellen bedeuten. Allein in den
alten Bundesländern würden über 100000 Arbeitsplätze abgebaut. Das alles vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Beschäftigten im
öffentlichen Dienst (Arbeiter, Angestellte und Beamte) in den letzten zehn Jahren von 6,6 Millionen auf etwa 4,8 Millionen gesunken ist. Die BRD
verfügt ohnehin über einen sehr »schlanken Staat«. Gut 12% der abhängig Beschäftigten arbeiten in Bundes-, Landes- und
kommunalen Einrichtungen und Betrieben. Ähnliche Zahlen erreichen nur noch Großbritannien und die Niederlande. Die USA und Italien bspw. haben
eine Quote von fast 15%.
Die Bundestarifkommission von Ver.di reagierte empört und verurteilt auf das Schärfste
das Verhalten der Bundesländer. Als Konsequenz hat sie die Gespräche mit den Ländern über die Neugestaltung des Tarifrechts beendet
und führt sie nur noch mit den Arbeitgebern des Bundes und der Kommunen weiter. 2000 Länderbeschäftigte demonstrierten gegen die
Provokation der öffentlichen Arbeitgeber. Die Frage stellt sich nun: Ist das ausreichend?
Die Kündigung der Arbeitszeitbestimmungen durch die TdL ist ein Test. Sollten die
Arbeitgeber Erfolg haben, werden die Tarifkündigungen auf den Bund und die Kommunen ausgeweitet. Es geht um einen radikalen Einschnitt in die
Arbeitsbedingungen und das Lohn- und Gehaltsgefüge im öffentlichen Dienst. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Einrichtungen und
Betrieben der Länder ist relativ niedrig. Die gewerkschaftlichen Bastionen befinden sich in den Kommunen.
Wenn den Angriffen der öffentlichen Arbeitgeber auf die Löhne und Gehälter
sowie die 38,5-Stunden-Woche ernsthaft Widerstand entgegengesetzt werden soll, dann können das die abhängig Beschäftigten in Bund,
Ländern und Gemeinden nur gemeinsam tun. Dabei ist die Lohn- und Arbeitszeitfrage nur eine Widerstandsfront. Täglich werden die Kolleginnen und
Kollegen im öffentlichen Dienst mit der Auslagerung von öffentlichen Einrichtungen bzw. Betriebsteilen konfrontiert, die vor allem das Ziel haben, die
Löhne zumindest für die neu Einzustellenden zu senken. Die Kämpfe gegen alle diese Maßnahmen sind vielfach vereinzelt. Ob in
Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern oder in Stadtwerken und Stadtverwaltungen, die Abwehrkämpfe müssen gebündelt werden.
Die Angst der Gewerkschaft vor dem Ende der Flächentarifverträge ist durchaus
berechtigt; deswegen auch die Entscheidung der Bundestarifkommission, mit dem Bund und den Kommunen den Prozess der Neugestaltung des Tarifrechts
fortzuführen. Mit diesem Schritt stehen aber die Beschäftigten der Länder mehr oder weniger im Regen. Ver.di gibt damit das falsche Signal an die
öffentlichen Arbeitgeber, es gehe nur um die Frage der Arbeitszeit. Das ist auch eine sehr wichtige Frage, und eine Verlängerung der Arbeitszeiten darf
nicht hingenommen werden. Aber es geht u.a. auch um das Lohn- und Gehaltsgefüge, um die Privatisierung öffentlicher Aufgaben und um den Verkauf
ganzer Krankenhäuser. Dass Bund, Länder und Gemeinden eine deutliche Verschlechterung der tariflichen Regelungen im öffentlichen Dienst
durchsetzen wollen, dürfte allen Beteiligten klar sein. Aus diesen Gründen müssen die Gespräche zur Neugestaltung des Tarifrechts generell
abgebrochen werden.
Darüber hinaus sei auch einmal die Frage erlaubt, ob jemand ernsthaft glaubt, in einer Zeit
massiver Angriffe der Unternehmer könnte eine Neugestaltung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst positive Elemente für die dort
arbeitenden Menschen beinhalten. Der Kampf für den Erhalt des Flächentarifvertrags ist richtig und wichtig, doch für die Betroffenen sind die
Inhalte des Tarifvertrags wichtig, nicht die Hülle. Was nützen den abhängig Beschäftigten Flächentarifverträge, die immer
niedrigere Einkommen, längere Arbeitszeiten und andere Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen beinhalten?
Wolfgang Zimmermann
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