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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2004, Seite 9

Bankenskandal Berlin

Der Anfang vom Ende?

Die Regierung ist längst nach Bonn geflohen und die siegreiche Commune veranstaltet ein Tribunal über die Herren in den dunklen Maßanzügen. Leider keine Wirklichkeit, sondern nur fiktives Berlin anno 2006. Das aktuelle Stück des Gorki-Theaters »Die Stadt, die Bank und die Wut« trifft die Stimmung des Publikums. Verständlich. Denn entgegen der seit über zwei Jahren vom Senat stereotyp verkündeten brutalstmöglichen Aufklärung genießen die Ex-Banker auch weiterhin ihre Pensionen in Millionenhöhe.
Die Chancen auf Verurteilung sind eher gering. Schließlich ist der Standpunkt des Berliner Generalstaatsanwalts Karge hinlänglich bekannt: »Unfähigkeit muss nicht strafbar sein.« Und der leitende Oberstaatsanwalt Wulff sekundiert: »Nicht alles ist kriminell, nur weil der Schaden hoch ist.« Nur in 7 von 124 Ermittlungsverfahren kam es überhaupt zur Anklage. Dass es auch anders geht, zeigen die schnellen Ermittlungen beim Tempodrom, die schließlich zum Rücktritt des Bausenators Peter Strieder führten.
Seit drei Jahren arbeitet auch ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses an der Aufklärung. Doch obwohl die Bank dem Land gehört und der Senat dem Vorstand direkt weisungsbefugt ist, prüft eine Kanzlei der Bank, in welche Akten Einsicht genommen werden darf. Bis heute weiß das Parlament nicht, welche Objektgesellschaften einen Anspruch auf das Land haben und wie hoch die abgeschirmten Risiken sind. Diese sog. »Positivliste« sollte seit März 2003 vorliegen. Die Forderung der Grünen nach Einsetzung eines Sonderprüfers nach §142 Aktiengesetz ist daher nur zu begrüßen. Er hätte direkten Zugriff auf die Unterlagen der Bank und könnte Vorstände und Aufsichtsräte per Beweislastumkehr zwingen zu belegen, dass sie »wie ein ordentlicher Geschäftsmann« gehandelt haben.

Kampf um die Rendite

Mittlerweile erwägen 650 Fondszeichner Klage einzureichen gegen die Bankgesellschaft wegen schleppender Auszahlung der Renditen. Denn aufgrund der lang andauernden Prüfung durch die Finanzverwaltung zahlen einige Fonds seit 2003 keine Gewinnausschüttungen mehr. Andere Zeichner geraten ins Nachdenken und streben über Vergleiche den Ausstieg an. Weniger aus moralischen denn aus praktischen Erwägungen. Es mehren sich nämlich die Stimmen, die eine Nachverhandlung der unmoralischen Fonds für rechtlich möglich halten.
So verwies Rechtsanwalt Wolfgang Siederer im Tagesspiegel auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Demnach hätten die »marktunüblichen Renditegarantien vor Auflegung der Immobilienfonds und vor Abschluss der Verträge« von der EU-Kommission genehmigt werden müssen. Daher könne der Senat nicht für beliebige Gewinnzusagen an Private gegenüber der Bankgesellschaft haftbar gemacht werden. Auch verstieße die Risikoübernahme gegen elementare Grundsätze des Berliner Verfassungsrechts. Insofern wäre eine Klage der privaten Fondszeichner nur zu begrüßen, da so zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Milliardenbürgschaft, die von Seiten des Senats seit zwei Jahren stereotyp als kostengünstigste Lösung gepriesen wird, prüfen.
Auch aus der Mitte der Gesellschaft nimmt der Widerstand zu. Um den ehemaligen FU- Präsidenten Prof. Kreibich bildete sich ein »Bürgerbündnis«, dass sich nicht nur die Forderung der »Initiative Bankenskandal« nach Nachverhandlung der Fonds zu Eigen machte, sondern auch die Rücknahme der Risikoübernahme fordert. Binnen weniger Wochen unterzeichneten über 700 honorige Berlinerinnen und Berliner den Aufruf, der zu Recht den Zusammenhang zwischen Sozial- und Bildungsraub und Renditezahlungen aufzeigte und selbst von der inzwischen zur rot-grünen Präsidentschaftskandidatin beförderten Gesine Schwan unterzeichnet wurde.

Kampf um die Verfassung

Des weiteren forderte die Initiative die Entflechtung der Bankenholding auf Grundlage neutraler Expertisen und den Neuaufbau der gesunden Bankteile wie der Sparkasse, die sofortige Trennung von allen in die Manipulationsgeschäfte verstrickten Mitarbeitern, Vorständen und Aufsichtsräten, die Herstellung unverzüglicher Transparenz über die reale Situation der Bankgesellschaft sowie die Durchführung der Gerichtsprozesse gegen die Banker und die Rückholung der veruntreuten Millionen.
Scharf wird auch die These des Senats in Frage gestellt, die Bankgesellschaft befände sich auf dem Weg erfolgreicher Sanierung. Vieles spricht dafür, dass die Immobilienpreise in Ostdeutschland, wo sich ein Großteil der Fondsobjekte befindet, in der nächsten Dekade weiter fallen werden. Damit ist aber eine Stabilisierung oder gar Sanierung der Fondsgeschäfte praktisch nicht möglich. Hinzu kommen weitere Risiken, die nicht durch eine Landesbürgschaft gesichert sind. Im Geschäftsbericht 2002 sind Gesamtrisiken der Bankgesellschaft nach §10 Kreditwesengesetz in Höhe von 71 Milliarden Euro ausgewiesen.
Zur möglichen Verfassungswidrigkeit werden drei Argumente angeführt. Erstens sei der Haftungsrahmen mit 21,6 Mrd. Euro nicht auf einer sorgfältigen Einschätzung der Risiken bestimmt worden, sei daher unbestimmt und verstoße gegen die einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes, der Landeshaushaltsordnung und des Haushaltsgrundsätzegesetz. Zweitens verstoße die Risikoübernahme gegen die Verpflichtungen des Landes zum bundesfreudlichen Verhalten, da es die Leistungsfähigkeit des Landes übersteige — erst recht im Kontext einer laufenden Klage auf besondere Bundeshilfen beim Bundesverfassungsgericht — und damit zukünftig zu einer faktischen Verpflichtung des Bundes führe. Drittens leide das Gesetz an Verfahrensfehlern, da die Abgeordneten einerseits nicht hinreichend Zeit gehabt hätten, den Sachverhalt zu prüfen und andererseits vom Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes, der drohte, die Bank sofort zu schließen, unlauter unter Druck gesetzt worden seien.
Nicht weniger gewichtig ist auch der Einwand gegen das Hauptargument des Senats, wonach die Gewährträgerhaftung des Landes für die öffentlich-rechtliche Landesbank nicht nur unbegrenzt, sondern auch über eine ominöse »Haftungskette« (alle Schulden der Teilbanken landen über Verträge bei der Landesbank und damit beim Land) für die gesamte Bankgesellschaft gelte. Allein aus den Grundsätzen des Haushaltsverfassungsrechts könne es im gewaltenteiligen Staat kein Staatsorgan geben, das den Gesamtstaat in unbegrenzter Höhe verpflichten könne. Ferner sieht die Landeshaushaltsordnung eine Begrenzung der Einzahlungspflicht des Landes bei Beteiligungen an Unternehmen in privaten Rechtsformen vor.
Dieser Grundsatz, der auch in der Bundeshaushaltsordnung verankert ist, würde unterlaufen, wenn die Haftung des Landes durch Geschäfte der privatrechtlichen Bankgesellschaft beliebig ausgeweitet werden könne. Sinn und Zweck der Gewährträgerhaftung bestehe zudem ausschließlich darin, Risiken, die im öffentlichen Interesse eingegangen wurden bzw. in einem sachlichen Zusammenhang zu diesem stehen, abzusichern. Rein spekulative Geschäfte der Bankgesellschaft gehörten nicht dazu. Damit wäre aber auch die von SPD und PDS, aber auch von den Grünen gebetsmühlenartig beschworene Haftungskette hinfällig. Nach Einschätzung der Staats- und Verwaltungsrechtler der Kreibich-Initiative umfasst die Gewährträgerhaftung bei der Bankgesellschaft nur die üblichen und regulären Geschäfte einer öffentlich-rechtlichen Landesbank.

Kampf um die Pressefreiheit

Wie es um die Pressefreiheit bestellt ist, musste die Kreibich-Initiative erfahren, als sie die aktuellen Pensionszahlungen der gekündigten Vorstände veröffentlichen wollte. So erhält der ehemalige Vorstandsvorsitzende Rupft bis 2006 jährlich 720000 Euro, Klaus- Rüdiger Landowski immerhin noch eine Jahrespension von 237744 Euro. Sowohl der Tagesspiegel als auch die Berliner Zeitung wollten lieber auf jeweils 7800 Euro verzichten, als die Anzeigen zu veröffentlichen. Nach öffentlichem Protest erklärte der Herausgeber der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, die Anzeige enthalte aufgrund der Namensnennung strafrechtlich relevante Vorwürfe. Dumm nur, dass alles bereits schon mal im redaktionellen Teil der Zeitung erschienen war.
Ähnlich verhielt sich der Senat beim Volksbegehren der »Initiative Bankenskandal« zur Aufhebung der Risikoübernahme. Trotz 34000 anerkannter Unterschriften (25000 wären nötig gewesen) erklärte der Senat die Zulassung einstimmig für unzulässig, da es verbotenerweise in den Haushalt eingreife.
Doch das letzte Wort ist damit längst nicht gesprochen. Gemeinsam mit der Kreibich- Initiative wurde Einspruch beim Landesverfassungsgericht eingelegt. Da es das Ziel des Volksbegehrens ist, Minderausgaben zu erzwingen, wird hier juristisches Neuland betreten. Nach Aussage des Privatdozenten Otmar Jung habe es einen solch gelagerten Fall in der Republik noch nicht gegeben.
Das Gericht habe die Chance, so Peter Grottian gegenüber der SoZ, die Klärung der Zulässigkeit als große Herausforderung zu sehen, die rechtliche Haltbarkeit der gesamten »Konstruktion Bankenskandal« neu zu beurteilen. Grottian: »Die vom Senat unterstützte strenge Auslegung des Tabubereichs ist eine Misstrauenserklärung an das Volk, zwar einerseits Volksbegehren anzuregen, aber mit der Auflage verbunden, sie dürfen bitteschön nichts mit Geld zu tun haben.« In diesem Zusammenhang verweist Grottian auf ein aktuelles Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtshofs, das maßstäbesetzend die prinzipielle Gleichrangigkeit von parlamentarischer und Volksgesetzgebung postulierte, sofern diese im Ergebnis ausgabenneutral durchsetzbar seien. Auch der Senat akzeptiert in seiner Ablehnung den sächsischen Grundsatz, beziffert aber die Sofortkosten im Falle einer Insolvenz auf über 6,3 Mrd. Euro. Wohlweislich nicht berücksichtig hat der Senat die Kosten, die auf das Land bis 2032 bei Wahrnehmung der Rückkaufoption zu 110% des Nominalwerts entstehen. In Anbetracht des Zusammenbruchs des Immobilienmarktes in Ostdeutschland sind das horrende Kosten. Auf die Berechnungen des Berliner Verfassungsgerichts dürfen wir jedenfalls gespannt sein.
»Als gute Nachricht aus Brüssel« feierte das Neue Deutschland die im Februar erfolgte Genehmigung der Risikoübernahme nebst Kapitalerhöhung durch die EU-Kommission. Als »Kompensationsmaßnahmen« müssen die Bankgesellschaftstochter Berliner Bank bis spätestens Februar 2007 und die Rest- Bankgesellschaft bis Ende 2007 verkauft werden. Das freut den Senat, die Fondszeichner und das internationale Finanzkapital. Erst vor einem Jahr war der Verkauf der Bankgesellschaft daran gescheitert, dass die Investoren nicht nur keinen annehmbaren Preis zahlen wollten, sondern die Risiken auch bis 2032 beim Land belassen wollten. Musste der verkaufswütige Senat damals noch die Reißleine ziehen, wird er beim anstehenden Verkauf noch schlechtere Angebote gern akzeptieren.
Der Verkauf der Berliner Bank, deren Bankrott Anfang der 90er Jahre nur durch Gründung der Bankgesellschaft und Nutzung der Substanz und Rücklagen der Sparkasse abgewendet werden konnte, lädt den Senat abermals dazu ein, die »Braut« zu Lasten der Sparkasse zu schminken. Die Privatisierung der Sparkasse 2007 wird dann vermutlich mit der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Instituts gegenüber den Privatbanken begründet.

Kampf gegen den Senat

Die Gewerkschaft Ver.di ist die eigentliche Verliererin der Privatisierungsauflage. Über ihre Aufsichtsräte selber tief in den Bankenskandal verstrickt, tat sich Ver.di von Anfang an schwer, gemeinsam mit der kritischen Öffentlichkeit für schonungslose Aufklärung zu streiten. Dass zeitweilig eine Kooperation mit der Initiative Bankenskandal zu Stande kam, lag weniger in der Ablehnung der Risikoübernahme, als an dem im Jahr 2003 geplanten und später gescheiterten Verkauf der Bankgesellschaft. Mit Start des Volksbegehrens strich Ver.di auf Druck der Betriebsräte der Bankgesellschaft jegliche Unterstützung und beendete die Zusammenarbeit.
Statt die Entflechtung und mögliche Insolvenz der Bankgesellschaft als Chance zur Sicherung der öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu begreifen, übernahm Ver.di die Vorstandslogik, begann, an eine erfolgreiche Sanierung aus eigener Kraft zu glauben und akzeptierte den Abbau von 4000 Arbeitsplätzen. Gebracht hat es nichts. 2007 ist alles verkloppt und Berlin wird endlich, wie es die Großbanken in Kooperation mit der neoliberalen EU-Kommission seit Jahren fordern, sparkassenfreie Zone. Eine Forderung, der alle im Parlament vertretenen Parteien zustimmen.
Für den SPD-PDS-Senat markierte die Bankenkampagne den Anfang vom Ende ihrer Bemühungen, neoliberale Kahlschlagspolitik als zukunftsfähige und generationengerechte Konsolidierung zu verbrämen. Die außerparlamentarische Bewegung Berlins schaffte ein unerwartetes stadtpolitisches Comeback. Auch die Studentenbewegung des vergangenen Winters konnte das Thema Bankenskandal geschickt mit dem Bildungsraub verknüpfen. In vielen Zusammenhängen bis weit in die Gewerkschaften hinein wird bereits das nächste Volksbegehren diskutiert, das zur Abwahl des Berliner Senats. Für die Berliner Linke sind das beste Voraussetzungen, die Frage wahlpolitischer Alternativen verstärkt anzugehen. Die Folgen der Privatisierungspolitik wie die Zukunft und demokratische Kontrolle der öffentlichen Beteiligungen werden auf der Agenda einer wahlpolitischen Alternative sicherlich ganz oben stehen. Und vielleicht klappt es dann 2006 auch mit der Kommune.

Birger Scholz

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