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Gudrun hat es sich im Leben nicht leicht gemacht. Als Kind relativ wohlhabender Gastwirte aus Waiblingen studierte sie
Theologie, wurde Religionslehrerin, begeisterte sich für die Theologie der Befreiung und lebte mehrere Jahre in Mexiko, wo sie sich in der
lateinamerikanischen Befreiungsbewegung engagierte und Mitglied der mexikanischen PRT wurde.
In den 70er Jahren kehrte sie zurück und wurde Mitglied der GIM (Gruppe Internationale
Marxisten deutsche Sektion der IV.Internationale). Sie geriet in die Debatte über den Aufbau von Betriebsarbeit, die damals in allen
Organisationen der radikalen Linken geführt wurde. Die Regierung Schmidt hatte ein Programm »Mädchen in Männerberufe«
aufgelegt. Sie gab ihren Beamtenstatus als Lehrerin auf, machte eine Lehre als Fernmeldeelektronikerin und begann beim Daimler in Stuttgart-
Untertürkheim. Dort schloss sie sich der Plakatgruppe an, die bereits auf Kriegsfuß mit der IG Metall stand.
Gudrun hatte zu kämpfen: gegen die Kollegen, die die einzige Facharbeiterin im Werk
mobbten und mit sexistischen Sprüchen überzogen; mit ihren Kollegen in der Plakatgruppe, wo sie die einzige Betriebsrätin war. Auch hier,
unter Gleichgesinnten, stand sie am Rand. Es gab Auseinandersetzungen um das Verhältnis zur IG Metall, die gegen die Mitglieder der Gruppe, die auf
einer konkurrierenden Betriebsratsliste kandidiert hatten, Ausschlussverfahren angestrengt hatte. Gudrun hatte ein feines Gespür dafür, dass es
für Linke im Betrieb von Bedeutung war, ob sie im Rahmen der Gewerkschaft agieren konnten oder nicht. Sie hat viele Dinge angestoßen, die
»aus der Rolle fielen« und auch erfolgreich waren. Aber sie hat häufig nicht die ihr zustehende Anerkennung erfahren, dazu war sie zu sehr
Pionierin die erste Frau, die in ihrer Region versuchte, solche Männerdomänen zu knacken.
Darüber wurde sie krank. Sie verließ den Betrieb und wurde erste
Frauenbeauftragte der Stadt Fellbach. Dem Oberbürgermeister war sie jedoch zu aktiv und zu politisch; nach wenigen Monaten kündigte er ihr
wieder, selbst eine große Solidaritätskampagne von Frauengruppen und Gewerkschaften half nichts. Die Krankheit gewann wieder Oberhand,
Gudrun musste ihre Berufstätigkeit aufgeben und konzentrierte sich auf ihren Kampf gegen den Krebs. Sie entwickelte künstlerische
Aktivitäten, arbeitete im Frauenzentrum Waiblingen, nahm regen Anteil an den Euromärschen, an lokalen Bürgerinitiativen, und bis zum
Schluss an der SoZ. Sie starb am 15.März im Alter von 60 Jahren in Waiblingen.
Diejenigen von uns, die sie kennen gelernt haben, wissen, was sie verloren haben. Gudrun hat
einen Platz in der Frauenbewegung nach 68, sie hat einen Platz in der Arbeiterbewegung und einen Platz in unserem Herzen.
Angela Klein
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