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Dieses Mal soll auf zwei Filme, die während der letzten zwei Monate anliefen, aufmerksam gemacht werden, die
ansonsten dem einen oder der anderen vielleicht entgehen würden. Es handelt sich um den deutschen Film Science Fiction und den argentinischen Streifen
B.Aires. Beide handeln auf unterschiedliche Art vom Versuch, aus dem langweiligen oder trostlosen Alltag auszubrechen.
»Verschließe keine Türen!« So lautet das Motto von Science Fiction.
Zwei sehr gegensätzliche Menschen, ein Yuppie und ein Loser, der eine schlank, redegewandt und manchmal unverschämt, der andere dick und
eher zurückhaltend, werden durch ein ungewöhnliches Schicksal zusammengekettet. Immer, wenn sie eine Tür schließen, haben die
Menschen hinter der Tür sie vergessen. Das hat Vorteile: Man kann umsonst einkaufen, umsonst im Hotel wohnen, die Einrichtung seines Hotelzimmers
zerstören usw. Immer wenn die Tür zugeht, haben die Mitmenschen die (Un-)
Tat vergessen. Aber es hat auch Nachteile, wenn man sich bspw. verliebt: Dann muss man die
Verehrte immer wieder von neuem kennen lernen, bis der »Fluch« von einem genommen wird.
Der Film bezieht seinen Reiz aus der Leistung der SchauspielerInnen. Der Yuppie
genießt die Ausnahmesituation, jetzt kann er so richtig mal die Sau raus lassen. Jan Henrik Stahlberg spielt das charmante Arschloch sehr
überzeugend. Der Loser (Arved Birnbaum) hat dagegen eher Angst, jetzt ganz vergessen zu werden. Aber er lernt hinzu, geht aus sich raus und wagt auch
mal was. Die Verehrte (Nicole Marischka), die sich immer wieder auch an die schönsten Abende mit den beiden nicht erinnern kann, lässt sich vom
Charme des ungleichen Paares immer wieder gewinnen und entwickelt dabei selber unwiderstehlichen Charme. Der Film, der von der Machart an die Dogma-
Filme erinnert, ist abgesehen von dem »Fluch« der auf den beiden Protagonisten liegt, sehr realistisch. Er funktioniert nach dem Prinzip:
»Was wäre, wenn…?« Was wäre, wenn auf einmal irgendetwas Außergewöhnliches in unserem Alltag geschieht?
Viele Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, werden in dem Film durchgespielt. So bebildert der Film den Wunsch vieler Menschen, mal was
Ungewöhnliches zu erleben und so über sich hinauszuwachsen.
In B.Aires sind wir wieder völlig in der Realität und zwar in der Argentiniens vor
dem Aufstand vom Dezember 2001. Der Film gelangte erst nach drei Jahren in die deutschen Kinos, was ein außerordentlicher Glücksfall ist. Die
Protagonisten setzen ihre Träume gegen die harte Realität und scheitern auf tragikomische Weise. Es geht um eine Wohngemeinschaft in Buenos
Aires. Einer der Mitbewohner will Schauspieler werden, bewirbt sich für einem Werbespot und darf dort den hinteren Teil einer Kuh spielen. Ein anderer
will bei einer Filmproduktionsfirma anfangen. Als ihm der Leiter erklärt, dass er so etwa zwölf Stunden am Tag zunächst umsonst und nach
ein paar Monaten für einen Hungerlohn arbeiten soll, erklärt er lapidar: »Nur wenn du mich küsst.« Als der Leiter ihn
verständnislos ansieht, führt er aus: »Wenn ich schon gefickt werden soll, will ich dabei auch geküsst werden.« Dann erhebt er
sich und geht. Das mag zwar nicht völlig »politisch korrekt« sein, aber es ist ein Beispiel für den angenehmen Galgenhumor des Films,
der den ganz normalen Wahnsinn des Alltags treffender aufs Korn nimmt, als jede »politisch korrekte« Abhandlung dies könnte. In
Deutschland ist dies in letzter Zeit ähnlich treffend nur dem Film »Westend« gelungen.
Beide Filme sind verborgenen Schätze, mit geringem Budget gemacht, nach denen man
auch ein wenig suchen muss. Es lohnt sich aber. Und zur Belohnung gibt es jeweils ein völlig unkitschiges Happy End.
Andreas Bodden
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