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Die Feiern zum 1.Mai, mit denen die EU den Beitritt von zehn neuen Ländern euphorisch begrüßte,
können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Europamüdigkeit zunimmt. Abseits der Hauptstädte und der verordneten Feste
wächst die Angst vor einer gnadenlosen Billiglohn- und Steuerkonkurrenz, vor der Abwanderung von Arbeitsplätzen nach Osten und
Arbeitskräften nach Westen.
Die Angst gibt es auf beiden Seiten, und zwar berechtigt: In Deutschland droht ein Konzern
wie Siemens offen mit der Verlagerung von 10000 Arbeitsplätzen nach Ungarn; die Polen fürchten, dass der Binnenmarkt den vergleichsweise
unproduktiven Kohlebergbau in Schlesien wegfegen wird und unter den Kleinbauern ein Massensterben einsetzt. Hier stehen mehrere hunderttausend
Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Die EU-Verfassung, die noch im Juni auf dem EU-Gipfel verabschiedet werden soll, bietet
keinerlei Schutz vor den Folgen entfesselter Konkurrenz. Anders als die Römischen Verträge 1957 sieht sie die Union nicht mehr in der Pflicht, die
Lebensverhältnisse zu vereinheitlichen und nach oben anzupassen. Diese Verfassung ist die einzige in Europa, die die Mitgliedstaaten ausdrücklich
auf eine neoliberale Wirtschaftsordnung festlegt. Eine Regulierung des Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehrs ist darin explizit verboten. Die EU-
Kommission handelt ganz im Geiste dieser Verfassung, wenn sie jetzt eine Richtlinie vorbereitet, die vorsieht, alle Dienstleistungen, die verkauft werden
auch Gesundheitsdienste , zur Privatisierung freizugeben.
Diese Verfassung ist der Sargnagel zu einer fortschrittlichen sozialen Entwicklung in Europa;
sie stiftet in höchstem Maße Unfrieden. Es kann nicht angehen, dass Briten, Franzosen und viele andere Völker in Europa darüber
abstimmen dürfen, nur die Menschen in Deutschland nicht.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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