SoZSozialistische Zeitung |
Tschechien tut es, obwohl sie erst seit kurzem dabei sind. Spanien, Portugal, die Niederlande und Luxemburg tun es auch.
Dänemark und Irland haben es schon oft getan und machen es diesmal wieder. Sogar Großbritannien wird es tun, obwohl es erst nicht durfte. In
mindestens acht Staaten werden die Bürgerinnen und Bürger selbst über die geplante Europäische Verfassung abstimmen. Viele
Länder haben sich noch nicht endgültig festgelegt.
»Geleitet vom Willen der Bürgerinnen und Bürger…« Mit
diesen Worten beginnt Artikel 1 des Entwurfs der gemeinsamen Europäischen Verfassung. Nicht vom Willen der Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland, möchte man ergänzen. Meinungsumfragen belegen zwar, dass knapp vier Fünftel der Bundesbürger ein EU-Referendum
in Deutschland wollen. Die Politik verweigert sich jedoch beharrlich diesem Wunsch. Das Schauspiel, das sie dem Betrachter bieten wirft, kein gutes Licht auf
die politischen Eliten und ihr Vertrauen zu den Menschen, die sie gewählt haben und deren Vertrauen sie beanspruchen.
Nur zwei Parteien setzen sich mit Nachdruck für einen Volksentscheid in Deutschland
ein ausgerechnet die beiden kleinsten. FDP und PDS stehen in dieser Frage ausnahmsweise Seite an Seite und allein gegen die
überwältigende Mehrheit im Bundestag. Am ehrlichsten ist noch die CDU. Sie war schon immer gegen direkte Demokratie, also auch in dieser
Frage. Die bayrische Schwester CSU hingegen schwankt und überrascht fast wöchentlich mit neuen Vorschlägen. Ein wirkliches Problem hat
Rot-Grün. 1998 und erneut 2002 waren Schröder, Fischer und Co. mit dem Versprechen angetreten, bundesweite Volksbegehren und
Volksentscheide einzuführen. Jetzt steht sie vor dem Problem, den Menschen im Land erklären zu müssen, warum eine Abstimmung
ausgerechnet im Fall der EU-Verfassung, deren historische Bedeutung sonst bei jeder Gelegenheit hervorgehoben wird, nicht angebracht sei.
Die Argumente, mit denen sich die politisch Verantwortlichen aus der Affäre ziehen
wollen, sind allzu durchsichtig. Grüne und CSU fordern neuerdings ein europaweites Referendum. Das hat Charme, weil es den europäischen Geist
beschwört und nationale Misstöne vermeidet. Und es ist unredlich. Die Annahme der Verfassung muss, so wollen es die bisherigen EU-
Verträge, in den Mitgliedstaaten erfolgen. Eine europaweite Abstimmung, die auch verbindlichen Charakter hat, wäre deshalb gar nicht
möglich es sei denn, man änderte vorher die geltenden Verträge, wozu aber bisher niemand ernsthaft Anstalten macht.
Die peinlichsten Äußerungen kommen vom Bundeskanzler selbst: »Das
Grundgesetz verbietet Volksabstimmungen«, hat er wiederholt gesagt. Das ist schlichtweg falsch. Richtig ist: Die Verfassung stellt Abstimmungen
gleichberechtigt neben Wahlen. Was fehlt, sind konkrete Regelungen dafür. Sie fehlen nicht zuletzt deswegen, weil SPD, Grüne und Union im
vergangenen Herbst dafür gesorgt haben, dass ein Gesetzentwurf der Liberalen scheiterte, mit dem die Grundlage für ein EU-Referendum
geschaffen werden sollte. Es war denn wohl auch eine freudsche Fehlleistung, als der Kanzler kürzlich in einem Nebensatz hinzufügte: »Wir
könnten keinen Volksentscheid machen, selbst wenn wir es wollten!«
Die Hoffnung stirbt jedoch bekanntlich zuletzt. Und es gibt durchaus Anzeichen dafür,
dass die Hoffnung in diesem Fall berechtigt ist. Tony Blairs Ankündigung eines britischen Referendums hat die Politik auch hierzulande gehörig
durcheinander gewirbelt. Wenn weitere Staaten, vor allem Frankreich, sich entscheiden, das Volk zu befragen, wird es auch für die deutsche Politik eng.
Zudem sind die Reihen der Parteien in dieser Frage nicht so fest geschlossen. Stimmen, die einen Volksentscheid fordern, gibt es in jeder Partei. Sie
können sich aber nur dann durchsetzen, wenn in den Parteizentralen das Bewusstsein wächst, dass den Wählerinnen und Wählern das
Thema wirklich am Herzen liegt. Deshalb zählt jeder Leserbrief, jedes Schreiben an einen Bundestagsabgeordneten und jede Unterschrift für ein
Referendum.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04