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Nicht nur die Rentnerinnen und Rentner erhalten 2004 keine Erhöhung ihrer Bezüge. Auch die Bauarbeiter sollen
in diesem Jahr auf Lohnerhöhungen verzichten. Dies hatte die große Tarifkommission der IG Bau mit knapper Mehrheit beschlossen. Sie empfahl
ihrem Bundesvorstand, die Tarifverträge nicht zu kündigen. Stattdessen soll in der Tarifrunde 2004 eine ganzjährige Beschäftigung und
Sicherung des Einkommens erreicht werden.
Im zweiten und dritten Spitzengespräch mit den Unternehmerverbänden stellte der
Vorsitzende der IG Bau, Klaus Wiesehügel, die Eckpunkte eines Beschäftigungssicherungsmodells vor:
Anstelle der bisherigen Arbeitszeitregelungen im Baugewerbe soll ein
Jahresarbeitsmodell entwickelt werden und ein fester Monatslohn gezahlt werden. Die Bauunternehmer müssten jedoch als Gegenleistung ein
Beschäftigungsverhältnis über zwölf Monate garantieren.
Unternehmer, die ihren Beschäftigten ein zwölfmonatiges
Arbeitsverhältnis zusichern, sollen eine »Beschäftigungsprämie« erhalten, die sich aus einer fiktiven Lohnerhöhung von
2,2% ergibt und die nach einem Jahr Beschäftigungssicherung aus der Sozialkasse rückerstattet wird.
Hintergrund dieser Initiative zur ganzjährigen Beschäftigung ist die Abschaffung
des Zugangs zum Arbeitslosengeld (Arbeitslosengeld I) für die in der Baubranche Beschäftigten, wenn diese weniger als zwölf Monate
kontinuierlicher sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit nachgegangen sind. Das heißt, im Rahmen der Hartz-IV-Gesetze wird das
Schlechtwettergeld wieder abgeschafft, das 1994 abgeschafft worden war und 1998 von Rot-Grün wieder eingeführt wurde. Ein im Winter
arbeitsloser Bauarbeiter hätte ab Januar 2005 also nur alle zwei Jahre Anspruch auf Arbeitslosengeld I, dazwischen würde zur Gewährung
von Arbeitslosengeld II sein »Vermögen« herangezogen werden und die verschärfte Zumutbarkeit greifen.
Eine ganzjährige Beschäftigung wäre für die Baubeschäftigten
zwar ein Fortschritt, wäre allerdings mit einer Senkung des Jahreseinkommens verbunden, da Überstunden nicht direkt ausgezahlt würden,
sondern zur Kompensierung staatlicher Leistungen genutzt würden. Ebenso hätte dies eine Senkung der Einzahlungen in die Rentenversicherung zur
Folge wie auch eine Anspruchsminderung beim Arbeitslosengeld.
Darüber hinaus schlägt die IG Bau vor, »zur Bekämpfung von
illegaler Beschäftigung und Lohndumping und damit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Baubetriebe und zur Sicherung der
Arbeitsplätze die Kontrollen auf den Baustellen zu verstärken«. Allerdings wird die IG Bau kaum in der Lage sein, die Kontrollen
flächendeckend durchzuführen und soviel kollektiven Druck zu erzeugen, um auf breiter Ebene dem Lohndumping entgegenzutreten.
Tatsächlich sind die Tariflöhne im Baugewerbe flächendeckend
eingebrochen, nicht nur in Ostdeutschland. Der gnadenlose Konkurrenzkampf wird auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen ausgetragen. Und auch die Zukunft
sieht düster aus: Nachdem 2002 im Westen 17,8%, im Osten 36,4% (2003: Westen 8,7%, Osten 6%) weniger Baugenehmigungen erlassen
wurden, ist der Druck in Richtung Einkommenskürzungen auch 2004 an der Tagesordnung. Gehörten die Bauarbeiter in Ostdeutschland noch zu den
gewerblichen »Spitzenverdienern« nach der Wende, sind ihre Einkommen seit Mitte der 90er Jahre immer weiter nach hinten abgekippt. Die
Arbeitslosigkeit von ca. 350000 Männern und Frauen im Baugewerbe in den ersten drei Monaten diesen Jahres (es wird mit 200000 im Jahresmittel
gerechnet), tut das ihre dazu, die Verhandlungsposition der Gewerkschaft zu schwächen.
Statt auf die Forderung der Unternehmerverbände nach Lohnverzicht und
verlängerter Arbeitszeit einzugehen, sollte sich die IG Bau für eine gemeinsame Kampagne aller Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen
für die Beibehaltung der Arbeitslosenhilfe und der Regelungen zum Schlechtwettergeld stark machen, dafür mobilisieren und in diesem Rahmen
für eine Erhöhung der Einkommen kämpfen.
Klaus Schilp/Udo Bonn
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