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»Gesellschaftlicher Umbau in Deutschland und Brasilien in Zeiten der Globalisierung« lautete das Thema der Tagung, die vom 4. bis
6.Juni 2004 an der Evangelischen Sozialakademie Friedewald zum zwanzigsten Mal Brasilianer und Deutsche zusammenbrachte, um die Perspektiven der
Solidaritäts- und Gewerkschaftszusammenarbeit zwischen beiden Ländern zu diskutieren.
Es waren Frauen und Männer aus der Metall- und Chemieindustrie, von Gewerkschaften
und Betriebsräten deutscher Konzerne, aus Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, von Landlosen, Studierenden und Jugendlichen, die aus der von
DGB-Bildungswerk und Evangelischen Akademien in Deutschland jährlich organisierten Tagung einen Raum des Austauschs von Erfahrungen und des
gemeinsamen Lernens machen.
Im Herbst 1984 fing es an, als brasilianische Gewerkschafter von Volkswagen, Mercedes und
General Motors die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Firmen in Deutschland kennenlernten und in Kontakt mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen
kamen.
Danach kam vieles zustande: Der gemeinsame Kampf gegen Entlassungen durch den Druck
auf Unternehmen im Hauptsitz; die ersten Fabrikkommissionen (in etwa Betriebsräte) in Brasilien; die multilateralen Netzwerke der Metall, Chemie- und
Stahlarbeiter; das Forum Carajás (Öffentlichkeitsarbeit über die Folgen des Eisenerzabbaus und Rohstoffhandels für Mensch und
Umwelt); die Unterstützung der Gewerkschaftsschule Escola Sul; die Einrichtung vom Observatório Social zur Förderung der weltweiten
Einhaltung von Arbeitsrechten; der enge Kontakt zur Landlosenbewegung MST; die Begegnung mit der Erfahrung des Beteiligungshaushalts von Porto Alegre
und die Teilnahme am Weltsozialforum.
Diesmal waren viele »alte Hasen« wie z.B. Vicente Paulo da Silva (Vicentinho),
ehemaliger Vorsitzender des brasilianischen Gewerkschaftsbunds CUT, gleichzeitig aber auch eine große Delegation der internationalen
Gewerkschaftsjugendarbeit dabei. Einerseits gab es viel zu feiern, anderseits äußerten viele auch ihre Besorgnis über den Kurs der Regierung
Lula.
Die »Globalisierung der Unsicherheit«, wie Elmar Altvater an der zunehmenden
Informalisierung der Arbeit in seinem Beitrag deutlich machte, ist eine Realität, die unter der Regierung Lula aufgrund der Fortsetzung konservativer
Wirtschaftspolitik verschärft wurde.
Der Spagat zwischen dem Sparkurs zur Versorgung des Schuldendienstes und der
Durchsetzung sozialer Programme sei nicht gelungen, was einen Kurswechsel der heutigen Politik erfordere.
Weil der Wahlsieg enorme Hoffnungen auf politische und soziale Veränderungen im
Land geweckt hat und vor allem von zahlreichen sozialen Bewegungen getragen wurde, ist es gerade jetzt entscheidend, bei der Bildung und Organisation der
Zivilgesellschaft zu helfen. Eine große Herausforderung ist die Zusammenarbeit mit gesellschaftlich Ausgeschlossenen, denn in diesen Fällen sei
meistens keine Partnerorganisation vorhanden.
Die Erfahrung mit der Landlosenbewegung stellt in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel dar,
wovon deutsche Organisationen viel zu lernen hätten. Im Zeitalter der neoliberalen Globalisierung, in dem die Angriffe der Konzerne auf der
internationalen Ebene stattfinden, gewinnt die gewerkschaftlichen Zusammenarbeit einen besonderen Stellenwert. Da Brasilien einer der wichtigsten Standorte
deutscher Unternehmen im Ausland sei, können durch bilaterale Solidarität der Widerstand und der Druck seitens der Lohnabhängigen
verstärkt werden. Die zwanzig Jahre Erfahrung haben dies gezeigt. »Also machen wir uns weiter auf den Weg.«
Antônio Inácio Andrioli
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