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Die Fraktionen der Vereinigten Linken, der Grünen und der Sozialdemokraten sind im neuen Europaparlament (EP)
gegenüber der Wahl von 1999 geschwächt, die Fraktionen der Konservativen, der Liberalen haben zugelegt, vor allem aber die Sonstigen; hinter
ihnen verbergen sich all jene, die nicht einer der bestehenden Fraktionen angehören: Rechtsextreme, aber auch Sinn Féin, der portugiesische Bloco
de Esquerda, die polnische Bauernpartei, die Listen für Transparenz in Europa, die EU-kritische Juniliste aus Schweden.
Die Reduzierung der Sitze der Linken trotz teilweise guter Ergebnisse hat verschiedene
Ursachen: Die Fraktionsstärke der größeren Länder (mit Ausnahme von Deutschland) wurde zugunsten der Beitrittsländer
verringert. Die Wahlsysteme sind von Land zu Land unterschiedlich meistens eine Form von Verhältniswahlrecht, das in Frankreich und
Deutschland mit einer 5%-Klausel bewehrt ist. Die Partei der Nichtwähler ist seit der ersten EP-Wahl 1979 kontinuierlich gewachsen, auf jetzt 55%. Und
der Kontinent bleibt gespalten in Ost und West, was sich u.a. in der parlamentarischen Nichtexistenz von antikapitalistischen Parteien in Osteuropa
niederschlägt mit Ausnahme Tschechiens, wo sich die Kommunistische Partei (KSCM) einen Massenanhang erhalten konnte.
Der Anstieg der Sonstigen zeigt indes, dass die Diskussion über die EU sich nicht mehr
in den traditionellen Fünfparteienrahmen zwängen lässt.
Lässt man die Sitzverteilung außer Acht, kann man sagen, die Hauptverlierer der Europawahlen waren die konservativen und
sozialdemokratischen Regierungsparteien. Dort, wo die Sozialdemokraten in der Opposition sind (F, I, A, NL, DK, P), haben sie gewonnen, während die
Konservativen selbst aus der Oppositionsrolle heraus mindestens in absoluten Zahlen noch verloren haben (GB, D). Das gilt jedoch für den Westen, nicht
für den Osten. In Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien hat die Wahlniederlage der regierenden sozialdemokratischen Parteien vor allem konservative
und rechtsliberale Parteien gestärkt, aber auch rechtsextreme und populistische Parteien. In Großbritannien und Schweden haben aus dem Stand
Anti-EU-Listen große Erfolge erzielt, während die dänischen EU-Gegner (Volksbewegung und Juniliste) Stimmen und Anteile
eingebüßt haben. In Österreich und den Niederlanden haben Antikorruptionslisten auf Anhieb zweistellige Erfolge erzielt.
In Tschechien ist die rechtsliberale ODS des tschechischen Staatspräsidenten Vaclav
Klaus mit scharfen Anti-EU-Positionen hervorgetreten. Gegen Klaus ist bei dieser Wahl erstmals eine rechtsliberale Partei angetreten, die pro EU ist und aus
dem Stand 11% erhalten hat. Die KSCM, die nicht geschlossen gegen die EU ist, ist zweitstärkste Partei hinter der ODS geworden. In Polen hat die
katholisch-fundamentalistische »Familienpartei« die Anti-EU-Front angeführt und ist hinter den Liberalen zweitstärkste Partei
geworden, während die von Andrzej Lepper geführte Partei der Kleinbauern Samoobrona, der im Vorfeld 20% der Stimmen zugerechnet worden
waren, nur die Hälfte auf sich vereinigen konnte.
In Estland und Lettland wurden die bürgerlichen Regierungskoalitionen vorwiegend von
weit rechts stehenden Parteien abgestraft, in beiden Ländern konnten sie kein einziges Mandat erobern.
In Flandern, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Dänemark, Lettland hat
die extreme Rechte massiv von der Oppositionshaltung profitiert; in Österreich hingegen hat die FPÖ eine historische Niederlage erlitten (von 23,4%
auf 6,3%).
Nicht abgestraft wurden die christlich-soziale Regierung von Luxemburg (das Land mit der
höchsten Wahlbeteiligung), die bürgerliche Regierungskoalition der Slowakei (das Land mit der niedrigsten Wahlbeteiligung), die
sozialdemokratische Regierung in Spanien, die bei den jüngsten Parlamentswahlen die Regierung Aznar abgelöst hatte, und Nea Demokratia in
Griechenland, die erst im März die PASOK-Regierung abgelöst hatte.
Die Parteien links von Sozialdemokratie und Grünen haben sehr unterschiedliche Ergebnisse eingefahren, zum großen Teil aber sehr positive.
Sie sind im EP in der Fraktion der Vereinigten Linken/Nordische Grüne zusammengefasst, die eine rein technische Fraktion darstellt. Diese Fraktion ist zu
unterscheiden von der Europäischen Linkspartei (ELP), die am 8./9.Mai in Rom gegründet wurde. Sie zählte zum Gründungszeitpunkt
15 Mitglieder: PRC (I), PRC (San Marino), PDS (D), PCF (F), IU (E), EUiA (Katalonien), PCE (E) (letztere beide sind Teil von IU), KPÖ, SDS (CZ),
ESDTP (Estland), Munkaspart (H), SAP (Rumänien), KSS (Slowakei), Synaspismos (GR). Der Status der KSCM ist unklar; die AKEL aus Zypern, die
PdCI (I), und Déi Lenk (L) haben sich einen Beobachterstatus ausbedungen.
Von diesen Parteien haben die PRC, die PDS, die KSCM, die PdCI und die AKEL wirkliche
Erfolge erzielt. Die letzten zwei nehmen an der ELP als Beobachter teil; die KSCM hatte auf der Gründungskonferenz aus Protest gegen die
Antistalinismusdebatte den Saal verlassen und (provisorisch?) auch die ELP.
Rifondazione Comunista, die PRC, hat mit fast 2 Millionen Stimmen und 6,1% das beste
Wahlergebnis ihrer Geschichte eingefahren, und dies flächendeckend; das gilt auch für die Kommunalwahlen, die zeitgleich stattgefunden haben.
Die starke Anti-Berlusconi-Stimmung ist in erster Linie ihr zugute gekommen; das Mitte-Links-Bündnis Olivenbaum, das erstmals bei der Europawahl
zusammen angetreten ist, ist zwar mit 31,3% stärkste Partei geworden, hat in absoluten Zahlen jedoch nicht zugelegt. Dass Rifondazione anfängt, in
den Weidegründen der DS (die stärkste Kraft im Olivenbaumbündnis) zu grasen, zeigt sich auch daran, dass sie ihr bestes Ergebnis (im
Durchschnitt 8%) im »roten« Mittelitalien erzielt hat, das noch eine Hochburg der DS war. Die Stimmabgabe für Rifondazione war deutlich
eine für eine linke Alternative, während die Stimmen für die PDS in Deutschland Proteststimmen waren.
In Deutschland hat die PDS den Oppositionsbonus erhalten auch mit einem absoluten
Stimmenzuwachs. Die Kandidatur der DKP hat ihn nicht ankratzen können. Doch die PDS entgeht nicht dem Pingpong, das sonst die Sozialdemokraten
getroffen hat. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo sie an der Regierung ist, hat sie verloren.
IU ist auf der ganzen Linie abgestürzt; die Partei befindet sich in einem schweren
Orientierungskampf zwischen einer ökoalternativen und einer reformsozialistischen Linie und könnte sich auf ihrem Kongress im Herbst spalten.
Sie entsendet noch ganze zwei Vertreter ins EP, von denen einer sich der Fraktion der Grünen anschließt.
Die baskische Wahlliste Heritarren Zerrenda (Liste der Bevölkerung) war zur Wahl nicht
zugelassen, weil sie als Fortführung der illegalisierten Partei Batasuna verboten ist. Dennoch haben 120000 Menschen (12%) dieser Liste ihre Stimme
gegeben. Die Liste hatte selber ihre Wahlscheine an die Haushalte verteilt und 3000 Wahlbeobachter organisiert. Im französischen Baskenland durfte sie
antreten und erhielt hier 6,1%.
In Griechenland hat Synaspismos einen Prozentpunkt verloren, im Gegensatz zur
neostalinistischen KKE, die zugelegt hat und jetzt etwa doppelt so stark ist wie Synaspismos, aber nicht Mitglied der ELP.
Die französische Linke ist Opfer eines gewaltigen Wahlerfolgs der Sozialistischen Partei
geworden, oder anders gesagt: sie hat es nicht vermocht, die Wähler von der Inkonsistenz von deren Linie zu überzeugen und für eine
antikapitalistische Alternative zu gewinnen. Die PCF ist auf den Stand gesunken, den 1999 die Liste LO-LCR hatte (5,25%). Die Liste LCR-LO hat ihre
Wahlziel nicht erreicht und ist bei der Hälfte ihres Ergebnisses von 1999 gelandet. Damals erzielte sie mit 914811 Stimmen und 5,2% einen
Achtungserfolg; noch bei den Regionalwahlen im März 2004 bekam die gemeinsame Liste eine Million Stimmen.
Anstelle von fünf Abgeordneten von LCR-LO sitzt jetzt die EAL-Mitgliedsorganisation
Bloco de Esquerda aus Portugal mit einem Abgeordneten im EP. Der Bloco konnte erhebliche Stimmengewinne verbuchen, während die PCP leicht
verloren hat.
Die Scottish Socialist Party (SSP) konnte seit 1999 ihre Stimmenzahl von 39000 auf 61300 und
ihren Anteil in Schottland von 4% auf 5,2% verbessern. Das hat ihr dennoch keinen Sitz im EP gebracht hat, weil Schottland nur mit wenigen Abgeordneten im
EP vertreten ist. Respect, das im Januar 2004 gegründete englische Bündnis, das sich der EAL angeschlossen hat und u.a. von der SWP
unterstützt wird, erzielte in London 4,8% der Stimmen (soviel wie bei den zeitgleichen Kommunalwahlen; in einigen Arbeitervierteln erreichte der Anteil
10%), in den Regionen hingegen zwischen 0,5% und 2%.
Sinn Féin hat erstmals bei einer Europawahl sowohl in Irland wie in
Großbritannien einen Sitz erobert. Sinn Féin ist nicht Mitglied einer Fraktion.
Mitglieder von Enhedslisten/De Rød-Grønne aus Dänemark haben auf der Liste der
Volksbewegung gegen die EU (FB) kandidiert, die einen Parlamentssitz erobert, ihren Stimmenanteil aber reduziert hat. Die linksreformistische SF hat hingegen
zugelegt, während die schwedische Ex-KP, Vänsterpartiet, Stimmen verloren und die finnische Partei VAS ihren Anteil gehalten hat. Alle drei
hatten sich im Vorfeld der ELP-Gründung von dieser abgesetzt.
Die SP aus den Niederlanden konnte ihre Stimmenzahl verdoppeln.
Die kleineren Parteien der ELP spielten bei der Europawahl keine Rolle. Dafür gibt es
neben der ELP große linke Parteien in der Fraktion der Vereinigten Linken/Nordische Grüne Linke, die nicht Mitglieder der ELP sind.
Angela Klein
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