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Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament erhielt die niederländische Socialistische Partij (SP) 7% der
Stimmen und damit zwei Abgeordnetenmandate beim zehnten erfolgreichen Abschneiden in Folge. Dies ist ein bemerkenswertes Resultat für eine Partei,
die sich eindeutig links von den Sozialdemokraten und den Grünen positioniert.
Der Durchbruch für die SP kam bei den Parlamentswahlen von 1994, als sie ihre ersten
zwei Sitze erhielt. Mittlerweile zählt die Partei 43000 Mitglieder, neun Abgeordnete im Parlament, Hunderte Gemeinderatsmitglieder und seit den letzten
Kommunalwahlen sogar einige Beigeordnete.
Die ursprünglich maoistische SP entschloss sich in den 80er Jahren, eine offenere und
pluralere linke sozialistische Partei aufzubauen. Es gelang ihr, das Vakuum zu füllen, das entstanden war, als die CPN (die niederländische KP), die
Pazifistisch-Sozialistische Partei (PSP) und die linkschristliche PPR sich 1989 zu GroenLinks, den niederländischen Grünen, zusammenschlossen.
Die heutige SP ist eine Partei, in der Menschen mit sehr verschiedenem Hintergrund aktiv sind: von Ex-Maoisten, früheren CPN- und PSP-
Mitgliedern, enttäuschten Sozialdemokraten über Aktive aus den sozialen Bewegungen bis zu revolutionären Linken. Das breite Spektrum hat
dafür gesorgt, dass die Partei in den vergangenen zehn Jahren nicht nur bei Wahlen zunehmen konnte, sondern es gelang ihr auch mehr als
GroenLinks der wichtigste politische Orientierungspunkt für Aktive aus sozialen Bewegungen und kritischen Teilen der Gewerkschaftsbewegung
zu werden.
Das öffentliche Bild der SP ist vor allem das einer linken Partei, die sich konsequent
für die Belange der Lohnabhängigen und Sozialhilfebeziehenden gegenüber den Reichen und den Berufspolitikern einsetzt. Dieses Bild war
in den letzten Jahren während der größten politischen Krise der Niederlande seit dem Ende des Krieges der Garant für ihren Erfolg. Die
»Revolution Fortuyn« war neben einem Ausbruch an Fremdenfeindlichkeit auch ein massiver Ausdruck der Abkehr vom gesamten politischen
Establishment. Während Fortuyn auf der Rechten einen Durchbruch bei den Wahlen erzielte, konnte auf der Linken die SP von der Krise profitieren.
Wenngleich die SP Teil der europäischen Fraktion der Vereinigten Linken (GUE/NGL) ist, bleibt die Partei im Wesentlichen doch ein
»niederländisches« Phänomen. Darin liegt auch einer der Schwachpunkte ihrer Entwicklung.
Das erste Europäische Sozialforum 2002 hat in der Partei nur wenig oder gar keine
Aufmerksamkeit für die globalisierungskritische Bewegung hervorgerufen. Dies hängt mit dem Rückstand der Bewegung in den
Niederlanden zusammen. Aber es charakterisiert auch die SP als solche: Sie fühlt sich wie ein Fisch im Wasser im Kampf für unmittelbare Belange,
gegen den Abbau des Sozialstaats. Aber das Bewusstsein, dass dieser Kampf etwas mit der neoliberalen Offensive auf Weltebene zu tun hat und eine Opposition
allein auf nationaler Ebene letztendlich chancenlos ist, ist in der Partei wenig präsent.
So erklärt sich auch die Neigung einer Reihe von Parteiprominenten, wie des
Vorsitzenden Jan Marijnissen, die Kritik an der EU und an ihrem Verfassungsentwurf mit einer Verteidigung der nationalen Souveränität und des
nationalen Parlaments zu beantworten.
Die Migrantenfrage hat die SP in der Vergangenheit recht fragwürdig behandelt. In den
80er Jahren brachte die Partei eine Broschüre über die Arbeitsimmigration heraus. Darin wurde dargelegt, türkische und marokkanische
Gastarbeiter würden die Löhne und sozialen Rechte der niederländischen Arbeiter untergraben, weil sie unterhalb der normalen Löhne
arbeiteten. Die SP stellte sich in der Broschüre eine baldmögliche Rückkehr der Gastarbeiter in ihre Heimatländer vor.
Dieser Standpunkt wurde in den 90er Jahren praktisch aufgegeben. Mittlerweile verteidigt die
Partei aktiv die Rechte von Asylsuchenden und tritt für eine generelle Legalisierung sog. »Illegaler« ein. Außerdem sind zunehmend
auch Migranten aktive Mitglieder der SP geworden.
Aber auch jetzt noch stimmt die Parlamentsfraktion der SP für Anträge, mit denen
Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern (namentlich Polen) ferngehalten werden sollen.
Die Grundsätze der SP wurden 1999 im Programm »Heel de Mens« festgelegt. Es vermittelt eine gute Vorstellung vom Charakter der
Partei: sozialdemokratisch, aber links und kämpferisch. Das bedeutet auch, dass die Anhänger und Aktiven der SP zum Teil gegensätzliche
Vorstellungen vertreten.
Die einen wollen eine neue sozialdemokratische Arbeiterpartei als Ersatz für die PvdA,
die anderen eine wirklich sozialistische Partei, die sich auf ein Programm struktureller Veränderungen und sozialer Kämpfe stützt.
Gegenwärtig führen die verschiedenen Zielvorstellungen nicht zu großen Meinungsverschiedenheiten und Flügeln. Das hat
verschiedene Gründe. Das enorme Wachstum der Partei in zwei Jahren von 20000 auf 43000 Mitglieder gibt der Parteiführung
natürlich viel Kredit. Aber viel wichtiger ist das Ausbleiben sozialer Kämpfe in den Niederlanden. Seit Antritt der Regierung Balkenende leidet das
Land unter einer noch nie dagewesenen rechten Offensive, die sich gegen die Reste des Sozialstaats, die sozialen Rechte, die Löhne und Renten sowie
gegen das multikulturelle Zusammenleben richtet.
In diesen zwei Jahren beschränkte sich die Gewerkschaftsbewegung darauf, mit dieser
Regierung Vereinbarungen abzuschließen, um »Schlimmeres zu verhüten«. Die SP ist, teilweise zusammen mit GroenLinks, die einzige
Kraft, die noch unter allen Umständen versucht, eine aktive linke Opposition zu bilden. Der Kampf gegen rechts führt in der SP zu
Einmütigkeit.
Außerdem liegt eine Beteiligung an oder Duldung einer künftigen PvdA-
Regierung durch die SP außerhalb jeder Reichweite. Anders als GroenLinks wird die SP vorläufig nicht als »regierungsfähig«
betrachtet.
Trotz aller Mängel ist die SP gegenwärtig in den Niederlanden neben den
außerparlamentarischen Bewegungen der beste Anknüpfungspunkt, um einer sozialistischen Alternative in der Zukunft Gestalt zu geben. Ein
größeres Engagement der SP in der globalisierungskritischen Bewegung und in den Strukturen der europäischen antikapitalistischen Linken
ist dabei von großer Bedeutung.
Doch die wesentlichste Aufgabe für die Linke in den Niederlanden besteht darin, die
Wahlerfolge der SP in einen wachsenden sozialen Widerstand umzusetzen.
Leo de Kleijn
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