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Er freue sich über diese Veranstaltung, sagte Moshe Zuckermann gleich zu Beginn seiner kurzen Rede auf der
»Internationalen Konferenz für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel«, denn er werde am Ende seiner Ausführungen
sicherlich nicht wie sonst immer gefragt werden, ob er denn auch mal den Standpunkt der Palästinenser darstellen könne. Diesmal seien dafür
ausreichend Palästinenser eingeladen worden und er sei gespannt, was sie zu sagen hätten.
Der israelische Historiker und Politikwissenschaftler brachte damit nicht nur das zentrale politische Verdienst der auf den Jahrestag des israelisch-arabischen
Junikriegs von 1967 gelegten Konferenz auf den Punkt. Zuckermann spielte damit auch auf die Pressekampagne im Vorfeld der von jüdischen und
palästinensischen Organisationen, von deutschen und internationalen Solidaritäts- und Menschenrechtsgruppen veranstalteten und unterstützten
Konferenz an. Die eifrigen und selbsternannten Wächter des Existenzrechtes des Staates Israel hatten einmal mehr nur palästinensischen
Fundamentalismus ausmachen können und zuwenig Bereitschaft, vor allem diesen zu verurteilen und weniger jene israelische Politik, die der in den von Israel
besetzten Gebieten des Gaza-Streifens und des Westjordanlandes lebenden palästinensischen Bevölkerung ihre politischen und
sozialökonomischen Rechte und Lebensbedingungen systematisch und gewaltsam verweigert.
Von palästinensischem Fundamentalismus war aber den ganzen Tag bemerkenswert wenig zu
spüren oder zu hören und der einzige, sich links wähnende Parteigänger Sharons, der sich traute, zur Diskussion etwas beizutragen, konnte
denn auch als Indiz seiner Vermutung, hier seien Antisemiten am Werke, nur die unterschiedliche Länge jenes Applauses anführen, der aufbrandete, als
Norbert Blüm wortgewaltig zuerst den israelischen Angriff auf Rafah und unmittelbar anschließend auch die Selbstmordattentate als Verbrechen
geißelte.
Fast 400 Interessierte kamen am 5.Juni in die Alte Feuerwache nach Köln. Sie lauschten
mehreren Podiumsveranstaltungen (die anschließenden Diskussionen kamen einmal mehr deutlich zu kurz), die mit Vertretern der palästinensischen
Zivilgesellschaft, linken israelischen Intellektuellen und auch einigen wenigen deutschen Wissenschaftlern und Solidaritätsaktivisten sowie dem konservativen
Polit-Promi Norbert Blüm vergleichsweise ausgewogenen besetzt waren. Zu sagen hatten sie aber eher wenig Neues und eine neue Idee, wie die notwendige
Solidaritätsarbeit mit der palästinensischen Bevölkerung beflügelt werden könnte, suchte man ebenfalls vergeblich.
Palästina am Ende?
Ob man dies der Konferenz anlasten kann, ist allerdings fraglich, denn es spiegelt sich hier die mehr
als verfahrene Situation dessen, was man den Nahostkonflikt nennt. Der Friedensprozess von Oslo ist nicht nur gescheitert. Israel hat es auch geschafft, die
palästinensische Bevölkerung nachhaltig zu desorganisieren.
Im jahrzehntelangen Kleinkrieg zwischen Israelis und Palästinensern zerstörte die
israelische Armee in den 80er und 90er Jahren zuerst die wirtschaftlichen Grundlagen (Landwirtschaft und Tourismus) einer möglichen palästinensischen
Autonomie. Während des Oslo-Friedensprozesses baute sie dann ihre Siedlungen in Gaza und Westjordanland massiv aus und zerstückelte so die
autonomen Gebiete. Nach dem Scheitern des Friedensprozesses und dem Ausbruch der zweiten Intifada zerstörte die israelische Regierung schließlich
zuerst die politischen Institutionen und ihre öffentliche Infrastruktur (die Autonomiebehörde und die Zivilgesellschaft) und ging gleichzeitig
verstärkt dazu über, die politische Führung der Palästinenser zu liquidieren — »Hardliner« wie
»Versöhnler«. Ziel ist nicht nur die politische »Entwaffnung« des palästinensischen Widerstandes und die sukzessive
Vertreibung von Palästinensern aus den besetzten Gebieten, sondern auch eine Machtdemonstration, die sowohl die renitenten Palästinenser als auch die
nicht mehr ganz so zahlreichen Oppositionellen in Israel selbst einschüchtern soll.
Die israelische Strategie scheint Erfolg zu haben. Nicht nur die Autonomiebehörde unter dem
Palästinenserpräsidenten Arafat ist vollkommen macht- und scheinbar auch orientierungslos. Selbst der religiöse Fundamentalismus von Hamas
und co. scheint seit vielen Wochen paralysiert zu sein. Vor allem jedoch: Die internationale Öffentlichkeit hat jede noch so kritische Solidarität mit den
Opfern der israelischen Apartheid-Politik weitgehend eingestellt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich der, auch von den EU-Staaten nicht mehr in
Frage gestellte Welthegemon USA seit neuestem offen und umfassend hinter die israelische Aggressionspolitik gestellt hat. Im internationalen »Kampf gegen
den Terror« sind sich Bush und Sharon nicht nur einig, sie brauchen einander auch. Symbol dieser neuen, von palästinensischer Ohnmacht und imperialer
Arroganz sowohl der USA wie auch Israels geprägten Situation ist der israelische Mauerbau, der einmal mehr nicht nur internationales, sondern auch
Menschenrecht verletzt.
Solidaritätsarbeit in der Krise
Es ist diese scheinbar hoffnungslose Situation, die den Hintergrund der Kölner Konferenz
bildete und die sich auch auf ihren Verlauf nachhaltig ausgewirkt hat. Den Ton der Konferenz bestimmte ein vor allem moralisch-humanistischer Diskurs, der das von
den Palästinensern erlittene Unrecht vehement anprangerte, aber kaum über ein trotzig-hilfloses »So nicht!« hinaus kam. Die Verantwortung
der Europäer und besonders der Deutschen sei, so die meisten Redner, vor allem eine moralische. Versöhnung und Frieden, so die Rechtsanwältin
und Autorin Felicia Langer, sei erst nach einem Schuldeingeständnis der israelischen Seite möglich. Man müsse dafür »das Schweigen
der Welt brechen« (Langer) und ein »Bündnis aller Gutwilligen« (Blüm) suchen. Wenn man es schon nicht geschafft habe, die
Besatzung zu stoppen, so Reuven Moskovitz, dann müsse man wenigstens den weiteren Ausbau jenes »Sicherheitszaunes« verhindern, die der
CDU-Veteran Blüm eine »Schandmauer«, Hasan Ayoub, der Direktor des palästinensischen Nationalen Büros für den Schutz
des Landes und den Widerstand gegen Siedlungen, eine »Todesmauer« und Moshe Zuckermann »die Verdinglichung der Pathologie«
nannte.
Wie vielfältig und in vielem vorbildlich Opposition und Widerstand vor Ort sind, wurde
schließlich auch auf dem letzten Podium deutlich, als Miriam Weingarten die ganze politische Breite des israelischen oppositionellen Spektrums aufzeigte und
Sharif Omar Khaled von der palästinensischen Anti-Apartheid Wall Campaign sowie Heidi Niggemann vom International Solidarity Movement aus der
praktischen, gewaltfreien Solidaritätsarbeit mit Palästinensern vor Ort berichtete. Weingarten machte allerdings gleichzeitig deutlich, dass und wie die
zionistische Linke Israels (Peace Now und andere) zum Gefangenen ihrer eigenen Ideologie und zum faktischen Verbündeten des reaktionären
israelischen Ministerpräsidenten Sharon geworden ist. Und Niggemann berichtete, dass sich der umfangreiche gewaltfreie Widerstand von Palästinensern,
Israelis und Internationalisten bisher nicht in weniger Gewalt der Besatzungsmacht niedergeschlagen habe.
Eine politische Zuspitzung und Diskussion, was denn nun eine gemeinsame weltweite
Solidaritätsarbeit einen und beflügeln könnte, fehlte aber auch auf diesem Panel. Die von den meisten implizit und manchen auch explizit
gezogene und durchaus nahe liegende Analogie zur Anti-Apartheid-Solidaritätskampagne mit Südafrika krankt eben wesentlich an der besonderen Rolle
und Ideologie Israels als Zuflucht- und Heimstätte des internationalen Judentums. Das, was auch manche der Konferenzteilnehmer die »Antisemitismus-
Keule« nannten, verhindert effektiv jede ernsthafte moralische Isolierung Israels.
Schwierigkeiten ändern jedoch nichts an Notwendigkeiten. Und die hat die Konferenz einmal
mehr deutlich gemacht.
Christoph Jünke
Abschlusserklärung und Infos zur Konferenz
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