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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2004, Seite 20

‘The Genius‘ done hit the road

Ein Nachruf auf Ray Charles

Dass der Jazz-, Rhythm ‘n‘ Blues-, Soul-, Country- und Poppianist, -sänger und -komponist Ray Charles betonte, dass der Jazzpianist Art Tatum und Albert Einstein Genies gewesen seien, er aber nicht, konnte nichts daran ändern, dass ein wesentlicher Teil der an Musik interessierten Öffentlichkeit anderer Meinung blieb, und dass Frank Sinatra ihn sogar als »das einzige Genie im ganzen Showbiz« bezeichnete.
Eine der vielen Platten von Ray Charles trug denn auch ganz unprätentiös den Titel The Genius. Im Jahre 1961 als er seinen wohl bekanntesten Song »Georgia On My Mind« aufnahm, der später zur Hymne des gleichnamigen US-Bundesstaats wurde, erschien auch ein weiterer kaum weniger bekannter Song mit dem Titel »Hit the Road Jack«. In der Eingangszeile heißt es weiter ‘…and don‘t you come back no more‘. Am 11.Juni nun hat Ray Charles mit 73 Jahren in Folge eines Leberleidens eben das getan.
Ray Charles wurde 1930 in Albany, Georgia, als Ray Charles Robinson geboren und musste sich schon bald auf den Weg machen. Seine Eltern zogen als er gerade drei Monate alt war von wirtschaftlicher Not in der Zeit der Depression getrieben nach Greenville, Florida, um. Im Alter von sechs Jahren begann er sein Augenlicht zu verlieren, und mit sieben war er praktisch völlig erblindet. Damit hatte er möglicherweise Glück im Unglück, denn seine Familie war arm.
Blind geworden kam Ray aber nun in die St. Augustin‘s School, das staatliche Internat für Taube und Blinde, wo er zwischen seinem 7. und 15.Lebensjahr auf Staatskosten blieb und neben anderem Piano, Klarinette, Altsaxofon, und Komponieren lernte. Als er 15 war, starb seine Mutter und er begann sein Brot als Musiker in lokalen Bands in Florida zu verdienen.
1948 kratzte er mit 17 Jahren sein letztes Geld zusammen und fuhr nach Seattle. Dort gründete er mit dem McSon Trio, später umgetauft in Maxim Trio, seine erste eigene Combo, in der er den damals überaus populären Piano- und Gesangsstil von Nat King Cole und Charles Brown pflegte. Mit der neuen Combo landete Ray Charles bereits im folgenden Jahr mit »Confessin‘ Blues« einen Hit — allerdings auf dem Markt der »race records«. Das weiße Amerika, von der übrigen Welt ganz zu schweigen, wusste nichts davon.
Mit dem Ende 1954 aufgenommenen »I Got a Woman« brach er die traditionelle Grenze zwischen weltlichem Blues und religiösem Gospel auf. Das war zweifellos revolutionär, weil in der stark religiös geprägten Gesellschaft der amerikanischen Schwarzen die Überschreitung der Grenze von der »Lobpreisung des Herren« zur weltlichen Teufelsmusik eindeutig gezogen und streng bewacht wurde.
Zu den bekanntesten Songs, die Ray Charles in diesem Stil aufnahm, gehören »What‘d I Say«, das erwähnte »Hit The Road Jack« und »Unchain My Heart«. Das später erfolgreich von Joe Cocker gecoverte »Unchain My Heart« eröffnet eine neue Phase in Schaffen von Ray Charles, die durch eine weitere Hinwendung zum weißen Publikum gekennzeichnet ist.
Die Alben und vor allem die Stücke, die Ray Charles im Laufe seines Lebens aufgenommen hat, sind fast ebenso zahllos wie die Ehrungen, die er erfahren hat. Sein Name ist in den »Halls of Fame« der Blues Foundation (1982), des Rock & Roll (1986), des Jazz und auf einer Ehrenplakette der Französischen Republik verewigt. Neben vielen Goldenen Schallplatten hat er zwölf Grammys erhalten. Er setzte sich durch, weil er vom Scheitel bis zur Sohle Musik war, weil er eine unverkennbare Stimme besaß und weil er auf den wichtigsten Kulturexport der Weltsupermacht, die Musik ihrer schwarzen Underdogs, prägenden Einfluss genommen hat.

Lothar A. Heinrich

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