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Was macht man, wenn man nur 1,30 Meter groß ist und von niemandem ernst genommen wird? Wenn die Kinder auf der
Straße hinter einem her laufen und fragen, wo denn Schneewittchen und die anderen sechs Zwerge sind? Man zieht sich in eine eigene Welt zurück
und baut einen Panzer von Unnahbarkeit um sich auf, der niemanden nahe heran kommen lässt. Genau das hat Finbar McBride gemacht. Er ist ein sog.
»Liliputaner« und lebt in der tristen Industriestadt Hoboken im US-Bundesstaat New Jersey. Die Welt, in die er sich zurückgezogen hat, ist
die der Eisenbahn. Er arbeitet in dem Modelleisenbahnladen »The Golden Spike«. In seiner Freizeit beobachtet er von seiner Wohnung aus die
vorbei fahrenden Züge und schaut sich abends die Amateurfilme der »train chasers« an. Das sind Leute, die mit einer Kamera fahrenden
Zügen hinterher brausen. So führt er ein einsames aber erfülltes Leben. Dies ändert sich, als sein Chef eines Tages im Laden tot
umfällt. Der Laden wird geschlossen und Finbar tritt das Erbe an, das ihm sein Chef hinterlassen hat: Ein verlassenes Eisenbahndepot in der kleinen Stadt
Newfoundland. Ohne zu zögern, zieht Finbar dorthin, um sich dort noch mehr seiner Leidenschaft für Eisenbahnen widmen zu können. Er
beobachtet Züge und macht selber Aufnahmen mit der Kamera.
Doch in Newfoundland hat Finbar plötzlich einen aufdringlichen Nachbarn. Es ist Joe,
ein New Yorker kubanischer Herkunft. Er ist im Gegensatz zu vielen anderen Finbar freundlich gesonnen und sucht seine Freundschaft. Finbar
aber ist seit Jahren daran gewohnt, Menschen abzuwehren. So ist er zwar freundlich, aber wortkarg und distanziert. Joe lässt sich aber nicht abwimmeln.
Er bleibt freundlich aufdringlich und nimmt sogar an Finbars Leidenschaft für Eisenbahnen teil. Eine dritte Person kommt ins Spiel: Die Malerin Olivia.
Auch sie hat schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht und sich einen unsichtbaren Panzer zugelegt. Sie lernt Finbar kennen, als sie ihn fast mit ihrem Auto
überfährt.
Es ergibt sich eine interessante Dreiergeschichte zwischen Finbar, Joe und Olivia. Sie ziehen
sich an, stoßen sich wieder ab und finden sich wieder. Daneben spielen noch das Mädchen Cleo und die Bibliotheksangestellte Emily eine Rolle. Es
fällt Finbar natürlich schwer, plötzlich seinen Panzer durchlässiger zu machen, denn dadurch wird er natürlich verletzlicher. Das
gleiche gilt in noch höherem Maße für Olivia. Doch Joe gibt ihnen mit seinem unwiderstehlichen Charme keine Chance. Er holt sie
zurück ins Leben.
Der Film ist nicht spektakulär. Er zeigt eine Reihe von Außenseitern, die sich
aufgrund ihrer Körpergröße, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder einfach wegen ihrer schlechten Erfahrungen mit anderen Menschen in ein
Schneckenhaus zurückgezogen haben. Der Film wird aber an keiner Stelle gefühlsduselig oder gar kitschig. Auch werden die Figuren nicht so
gezeichnet, dass man den Eindruck hätte, sie ertrinken im Selbstmitleid. Man hat vielmehr den Eindruck, dass die Kamera die Verletzlichkeit und die
Zurückgezogenheit der dargestellten Personen respektiert. Sie bleibt respektvoll auf Distanz und begleitet die Figuren des Dramas behutsam auf ihrem
Weg zurück ins Leben.
Auch die Schauspielerinnen und Schauspieler nähern sich den von ihnen dargestellten
Personen mit Respekt und Einfühlungsvermögen. Sie übertreiben nie, es ist eher eine Neigung zum Understatement zu spüren. Joe ist
aufdringlich aber nie penetrant, sondern immer freundlich, menschlich, herzlich. Finbar ist distanziert, aber er wirkt nicht verschroben, sondern eher lakonisch
und gelassen. Sein Stoizismus nötigt Respekt ab, er ist keine Witzfigur. Gleiches gilt für Olivia, die den schwierigsten, weil unausgeglichensten
Charakter darstellen muss. Aber auch der läuft nie aus dem Gleis, er kippt weder ins Lächerliche noch ins Pathetische. So entwickelt sich ein
angenehmer Humor. Das kann man an folgendem Dialog sehen: Joe: »Was machst du hier?« Finbar: »Ich guck mir Züge an.«
Joe: »Wann kam eigentlich der letzte Zug vorbei?« Finbar: (nach einem Blick auf die Uhr) »Vor einer Stunde, 25 Minuten.« Joe:
»Dein Ernst? Ist ja echt spannend. Ich bleibe eine Weile. Was dagegen?« Finbar: »Nein.« Die Situation ist lustig, weil man nicht
wirklich denkt, dass über eine Stunde auf einen Zug zu warten, interessant ist. Aber Joe nimmt wirklich Anteil, er macht sich nicht über Finbar
lustig. Das ist das Entscheidende. So ist ein außerordentlich sehenswerter Film abseits von Hollywood entstanden, der sog. »Randgruppen« in
den Blick nehmen kann, ohne kitschig oder pathetisch oder diskriminierend zu werden.
Andreas Bodden
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