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Michael Wolffsohn, karrierebewusster Professor für Neuere Geschichte an der Münchner Bundeswehrhochschule,
ist nach eigenem Verständnis ein »deutsch-jüdischer Patriot«. Er will mehr deutsches Nationalbewusstsein dadurch erreichen, dass die
»Auschwitz-Keule« abgeschafft und der Holocaust ausschließlich zur Vergangenheit gerechnet wird.
In der Konsequenz würde das bedeuten, eines der schwersten NS-Verbrechen als
Gegenstand juristischer und politischer Auseinandersetzung zu tabuisieren. Wolffsohn hat Kontakt zur rechten CDU/CSU und zur Neuen Rechten. Deren Organ
Junge Freiheit verzieh ihm 1994, als er im Kampf gegen den damaligen Präsidenten der Bundeswehrhochschule die eigene Lehranstalt kurzzeitig zum
»Hort des Antisemitismus« erklärte, sogar diesen Fauxpas. Der Professor verteidigte den von Kanzler Kohl zum
Bundespräsidentschaftskandidaten auserkorenen sächsischen Justizminister Steffen Heitmann (CDU), der sich durch allzu reaktionäre
Interviewbekenntnisse allerdings die Chance verscherzte, gewählt zu werden.
Gleichzeitig attackierte Wolffsohn seinerzeit Vertreter der früheren Ostberliner
Jüdischen Gemeinde wegen angeblicher »Einbindung in die politische Führung [der DDR] und die Stasi-Hierarchie« sowie zwei
Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski und Ignatz Bubis, wegen häufig bekundeter antifaschistischer Gesinnung. Sie
charakterisierten ihn ihrerseits als gefährlicher denn die Skinheads und »Vorzeigejude der deutschen Rechtsradikalen«.
In Äußerungen zur internationalen Politik unterstützt der Professor, der in Israel drei Jahre beim Militär diente, den aggressiven
Kurs Bushs und Sharons. Die BRD-Regierungspolitik unter Schröder und Fischer hält er für zu lasch.
Die Stellung dieses rechten Hochschullehrers in der bundesdeutschen Gesellschaft ist so fest,
dass er weder vor uniformierten Zöglingen, noch im Fernsehen aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen braucht. Durch die innerdeutsche
Folterdebatte, wohl auch durch Nachrichten über die Praktiken US-amerikanischer Peiniger in Guantánamo, im Irak und in Afghanistan, britischer
Soldateska im Südirak und israelischer den Palästinensern gegenüber angeregt, verkündete er am 5.Mai 2004: »Als eines der
Mittel gegen Terroristen halte ich Folter oder die Androhung von Folter für legitim, weil Terror im Grunde genommen mit den normativen Grundlagen,
also mit der Bewertungsgrundlage unserer zivilisierten Ordnung, überhaupt nichts mehr zu tun hat.« Auf die Frage, ob er das auch an seiner
Hochschule lehre, erwiderte Wolffsohn, einer Therapie müsse die Diagnose vorangehen.
Zeitgenossen erinnert dies an Franz Josef Strauß, der 1969 außerrechtliche
Härte gegen Angehörige der Außerparlamentarischen Opposition verlangte, benähmen die sich doch »wie Tiere, auf die die
Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist«. Wolffsohns Dienstherr, der BRD-Verteidiger am Hindukusch, Minister
Struck, hielt das Vorgehen des Professors für zu forsch und daher für unakzeptabel. Er drohte mit disziplinarischen Konsequenzen. »Der
deutsche Soldat foltert niemanden«, versicherte der Minister.
Er vergaß, dass 1996 bei einem sich zum Einsatz in Serbien vorbereitenden Bataillon in
Hammelburg das Vergewaltigen, Foltern und Morden mindestens geübt worden war. 2004 hielten dann laut Struck »besonnene« deutsche
Besatzer in Prizren antiserbischen albanischen Terroristen für Mord und Verwüstung den Rücken frei, ähnlich wie das Jahrzehnte zuvor
israelische Interventen zugunsten »christlicher« Unterdrücker in Südlibanon getan hatten.
Der Minister schimpfte über Wolffsohn, gab aber klein bei, als andere Wehrinstanzen
das Recht auf freie Meinungsäußerung, Forschung und Lehre für diesen einforderten. Im Fall eines linken Professors, der roten Gegenterror
im jungen Sowjetrussland als Antwort auf den weißen Terror berechtigt fände, dürfte dergleichen kaum möglich sein.
Wolffsohn wurde öffentlicher Beifall zuteil, so vom rechtsextremen CDU-Politiker Martin Hohmann, der zuvor in einer Rede erklärt hatte, mit
einiger Berechtigung könne man auch die Juden als »Tätervolk« betrachten. Der Professor empfand sich wegen seines Ja zur Folter als
voll rehabilitiert und holte zum Gegenschlag aus. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.Juni verkündete er, sein »Nachdenken«
stehe »in der ethischen Tradition des Abendlandes«.
Hätte Wolffsohn das mit Blick auf die Inquisition und Hitlers SS gesagt, wäre es
zutreffend gewesen. Er bezog sich aber außer auf den polizeifreundlichen »finalen Rettungsschuss« auch auf Tyrannenmord und
Widerstandsrecht, die am allerwenigsten mit behördlicher Unterdrückung und Peinigung Gefangener gleichzusetzen sind. Zu seiner Entlastung bot
er rechtstehende katholische, evangelische und jüdische Gesinnungsgenossen auf, desgleichen das jüdische Religionsgesetz, einen juristischen
Kommentar zwecks Aushöhlung des BRD-Grundgesetzartikels 1 über die Würde des Menschen und den einst als »Terroranwalt«
verpönten Bundesinnenminister Otto Schily, der heute sogar bereit ist, sog. Terroristen die »Todessehnsucht« zu erfüllen.
Zum Schluss wurde Wolffsohn weinerlich. Er ernannte sich zum unschuldigen Opfer einer
»manipulativen Verfolgungsjagd« von BRD-Regierungsseite und durch Außenminister Fischer, den er als eine Art neuen Globke
abqualifizierte. Die Jagd werde teilweise von FDP und PDS unterstützt. (Nicht allerdings durch die Unionsparteien, die den Globkes stets näher
gestanden haben.)
Wahrheitswidrig behauptete Wolffsohn, kaum jemand habe sich über Gedanken und
Handlungen der ihm in Folterfragen Gleichgesinnten aufgeregt, sofern sie »Arier« waren. »Die Kampagne zielte auf den Juden, einen Juden,
der grundsätzlich und eindeutig proisraelisch ist … der grundsätzlich ein Freund und nur punktuell ein Kritiker der Vereinigten Staaten ist.
Jeder Nichtjude konnte unbehelligt Thesen vertreten und sogar Gesetze beschließen, die meinen nur nachdenkenden Gedanken entsprachen … ich
wurde verfolgt. Das kann nur dem Juden gegolten haben.«
So unwahr diese Behauptungen sind, sie bergen zugleich Anschauungsmaterial für eine
von dieser und »antideutscher« Seite häufig angewandte Methode, notwendige Kritik am israelischen Staat und an dessen
Gesinnungsfreunden abzuwürgen. Genau wie reaktionäre US-Propagandisten jeden für antiamerikanisch erklären, der im Geist der
USA-Gründer gegen imperialistische Unterdrückung und Expansion zu Felde zieht, verteufeln Anhänger der Jerusalemer Administration
Kritik am antipalästinensischen Staatsterror als Feindschaft den Juden gegenüber.
Dies als Demagogie zu erkennen und es auszusprechen ist auch mit Blick auf jene erforderlich,
die sich als linksstehend dünken, aber auf Parolen der genannten Art hereinfallen und sie kolportieren. Als unfreiwilliger Materiallieferant gegen diese
Verfahrensweise kann Wolffsohn uns mit seinem Lehrstück über das ungestrafte Ja zu verfassungswidriger Folter nützlich sein.
Manfred Behrend
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