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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2004, Seite

Klima: Alle reden vom Wetter...

von ROLF EULER

Der bisherige Sommer ist dazu angetan: Alle (jedenfalls scheinbar alle in Deutschland) reden vom Wetter. Zum Beispiel die Eisdielenbesitzer. Die beklagen sich. Oder die Solariums- und Hallenspaßbadeigentümer. Die freuen sich. Ein Zeitungsbericht der letzten Tage sagt, dass wetterbedingt die Belegung in deutschen Urlaubsgebieten zu wünschen übrig lässt. Dass die erwarteten Spätbucher nicht buchen. Dass gemeldete Urlauber nicht kommen. Und dass in ganz NRW ein Viertel aller Gaststätten und Beherbergungsbetriebe auf der Kippe stünden. Aber am Ende der Meldung heißt es, dass die sowieso auf der Kippe stünden — auch wenn die Sonne ab sofort scheinen würde. Und das macht stutzig und führt dazu, dass der alte Werbeslogan der Bahn von vor 40 Jahren: »Alle reden vom Wetter — wir nicht«, der damals mit den Köpfen von Marx, Engels und Lenin auf einem SDS-Plakat verfremdet wurde, heute wieder aufgegriffen werden sollte: Alle reden vom Wetter, weil es greifbar ist, aber wir reden — vom Klima.
Zum Beispiel von einem Klima, in dem Familien das Geld zum Urlaub machen fehlt. Oder von einem Klima, in dem Urlaubsgeld gekürzt, Entlassungen angedroht, Betriebe geschlossen werden. Oder von dem Klima, in dem die Gaststättenpreise in Euro fast so hoch sind wie vor drei Jahren in D-Mark. Ob diese Art Klima was mit dem Wetter zu tun hat, weiß man nicht genau — dass es aber mit dem Urlaubsverhalten und der Zahl der Kneipenbesuche was zu tun hat, ist sicher. Wer von diesem Klima redet, wird als »Bremser der Reformen« mindestens mit dem neuen Bundespräsidenten zusammenrasseln, aber auch mit dem Chef, dem Betriebsleiter, der Lokalpresse…
Man sollte aber auch vom Klima reden, dass sich ändert: der letzte Sommer war bei schönstem Wetter der heißeste der letzten 500 oder so Jahre. Und in den letzten zwanzig Jahren gab es mehrere sog. Jahrhundertsommer. Auf der Zugspitze werden gegen das Abschmelzen des Gletschers Isoliermatten ausgelegt. Und in den südeuropäischen Ländern bricht ab und an die Stromversorgung zusammen — weil alle ihre Klimaanlagen betreiben — z.B. in den Ferienhotels. Mit dieser Art Klima hat auch das Urlaubsverhalten zu tun — die Zahl der Flugreisen überhaupt steigt weiter, trotz September-Schock und Irakkrieg. Und die Angebote der Billigflieger werden ausgeweitet. Mal eben nach Florenz, mal eben nach Marseille — billiger als eine Bahnfahrt von Frankfurt nach Köln. Die Abgase der Flugzeuge in großen Höhen gefährden das Klima mehr als viele andere Gase. Der zusätzliche Betrieb von Klimaanlagen führt zu mehr Stromverbrauch und damit mehr Abgasen. Das ist auch eine Art Klima, über das wir reden.
Aber das ist gefährlich, weil das das eigene (Urlaubs-)Verhalten in Frage stellen könnte. Da redet man dann doch lieber wieder vom Wetter. Schönen norddeutsch-kühlen Urlaub wünscht die SoZ!

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