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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2004, Seite 4

Pflegeversicherung: »Kinderlose« zur Kasse

von GISELA NOTZ

SPD und Grüne sind sich einig: Kinderlose ab dem 23.Lebensjahr sollen ab 1.1.2005 höhere Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen. Sie wären dadurch um maximal 8,70 Euro im Monat höher belastet. Rund 13 Mio. Versicherte seien betroffen, das ergäbe jährliche Zusatzeinnahmen von 800 Euro. Damit soll das 2004 auflaufende Defizit der Pflegeversicherung gedeckt werden.
Inzwischen tobt die Auseinandersetzung darüber, wer eigentlich als kinderlos gilt. Die beabsichtigte »Strafgebühr für Kinderlose« hat eine Vorgeschichte: »Ein verheirateter Vater von zehn Kindern« hatte beim Bundesverfassungsgericht Klage geführt, weil Betreuung und Erziehung von Kindern bei der Bemessung des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung nicht berücksichtigt werden. Nach dem Urteil vom 3.4.2001 ist es mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden.
Das Urteil stützt sich auf Statistiken, die eine Veränderung der Altersstruktur und ein deutliches Absinken der Bevölkerung prognostizieren. Es zieht den Schluss, dass insgesamt weniger Beitragszahler die Pflege der älteren Generation finanzieren und die Kosten der Kindererziehung tragen. Ein gleicher Versicherungsbeitrag führe damit zu erkennbarem Ungleichgewicht. Bis zum 31.12.2004 sollte diese Benachteiligung ausgeglichen sein.
Das Bundesverfassungsgericht argumentiert mit dem »Generationsvertrag«. Es übersieht, dass höhere Geburtenraten allein das Problem nicht lösen können. Kinder können nur dann in die gesetzlichen Versicherungen einbezahlen, wenn sie später entsprechende Erwerbsmöglichkeiten vorfinden, die ihnen das ermöglichen. Ist das nicht der Fall, werden sie dem Sozialstaat, dem das Geld bereits jetzt auszugehen droht, zur »Last« fallen.
Die Funktionalität der Generationsgemeinschaft erweist sich als abhängig von der herrschenden Anordnung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Zudem bekommen Eltern kaum Kinder, um der Allgemeinheit eine Gefälligkeit zu erweisen. Ein Kind ist ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen, und Kindererziehen ist eine verantwortungsvolle gesellschaftliche Aufgabe, wie andere gesellschaftliche Aufgaben auch.

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