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Die Arbeitslosenzeitung Quer bietet nachstehend Hilfe und eine Kritik der Antragsformulare. Auch Verdi, Mietervereine und
Erwerbsloseninitiativen raten, sich ausführlich zu informieren und auf jeden Fall rechtzeitig örtliche Infoveranstaltungen zu besuchen. Die
Anträge müssen spätestens im Dezember abgegeben werden.
Derzeit erhalten Millionen Erwerbslose bergeweise Antragsunterlagen zum Arbeitslosengeld II
(Alg II). Bestimmt nicht, um den Bezug des Alg II zu erleichtern! Vielmehr ist dies ein schöner Vorgeschmack auf das, was uns mit dem Alg II droht:
Ausgiebige Kontrollen, ausfeilte Zugangshürden, armselige Leistungen.
Gegen diese Schikanen, gegen die Einführung des Alg II im Ganzen, setzen wir uns zur
Wehr: gegen das politische Ziel hinter dem Alg II, Leistungen immer weiter zu senken, um Erwerbslose und noch Beschäftigte mit brutalem Druck
zwingen zu können, auch für Hungerlöhne zu arbeiten. Wir fordern:
Weg mit Alg II, weg mit der ganzen Politik der Agenda 2010!
Was meinen Politiker, wenn sie von »Grundsicherung für Erwerbslose« reden?
Es geht um Alg II für Erwerbsfähige, die ihren Lebensunterhalt nicht sichern können:
1. durch irgendeine Arbeit, und sei es die allerletzte,
2. aus anderem Einkommen oder den Verbrauch von Rücklagen,
3. oder durch Rückgriff auf Angehörige.
Alg II
besteht aus einer Pauschale namens »Regelleistung«, die für alles reichen soll, was man zum Leben braucht, sowie einem
Betrag für Unterkunft und Heizung;
wird gezahlt an »Bedarfsgemeinschaften« (Familie mit zwei Erwachsenen und Kind, Alleinerziehende mit drei Kindern, etc.);
ist schnell ausgerechnet: pro Person gibts monatlich: für Alleinstehende 345 Euro; für zwei Erwachsene je 311 Euro;
für den dritten Erwachsenen wie auch für 15- bis 17-jährige Kinder 276 Euro; für Kinder bis 14 Jahren 207 Euro; dazu Kosten
für »angemessene« Unterkunft und Heizung;
ist alles andere als genug: Warmwasser und Strom sind aus der Regelleistung zu zahlen, Kindergeld wird voll angerechnet, Wohngeld
entfällt. Für wenige gibts einen Zuschlag (v.a. Schwangere, Alleinerziehende);
bietet böse Überraschungen, z.B. für die, die bislang zu Arbeitslosengeld- oder -hilfe 165 Euro dazuverdient haben: davon
bleiben ganze 24,75 Euro (oder 15%) übrig.
Das wahre Motto des Alg II lautet Armut, die auch durch Zuverdienst nicht wirklich gemildert
wird.
Um diese Kleinigkeit zu berechnen, braucht es 20-seitige Antragsunterlagen? Sicher nicht!
Mit den Alg-II-Anträgen sollen wir umfangreiche Informationen über uns und
unser Umfeld liefern. Grenzen des Datenschutzes werden mit Absicht und reihenweise übertreten.
Zulässig wären Fragen zu den Mitgliedern der »Bedarfsgemeinschaft«. Doch abgefragt wird die
»Haushaltsgemeinschaft«. Bei nichtehelichen Lebenszusammenhängen wären dies völlig Unbeteiligte, ihre Arbeits-,
Vermögens-, Sozialversicherungs- und Verwandtschaftsverhältnisse, ihr Leistungsbezug in der Vergangenheit. Doch fürs Alg II entscheidend
ist nur die aktuelle »Bedürftigkeit« weitergehende Fragen verstoßen gegen den Sozialdatenschutz (§67a Abs.1 SGB X),
denn nur »erforderliche« Daten sind zu erheben.
Für Angaben zu »unterhaltspflichtigen Angehörigen außerhalb der Haushaltsgemeinschaft« gibt es ohne weitere
Erklärung viel Platz (gehts etwa um die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht von Oma und Opa? Keinesfalls!). Das Alg II kennt (bislang!)
nur die Berücksichtigung tatsächlich gezahlter Gelder (Unterhalt), die Unterhaltspflicht der Eltern für Minderjährige und Kinder unter
25 Jahren ohne Berufsabschluss sowie des Kindesvaters gegenüber der Schwangeren oder Alleinerziehenden. Erläuterungen dazu im Antrag?
Fehlanzeige! Ein weiterer Verstoß gegen den Datenschutz.
Dieses Antragsformular macht überdeutlich, wohin der »Reformzug« gehen
soll: Verwandte und Freunde sollen für Erwerbslose aufkommen; Privatisierung des Risikos der Arbeitsplatzverlustes. Die Informationen für
weitergehende »Reformen« morgen sollen bereits heute beschafft werden!
Gefordert wird eine Einkommensbescheinigung vom Arbeitgeber. Für den Bundesdatenschutzbeauftragten ein klarer Verstoß gegen den
»Ersterhebungsgrundsatz, wonach die Daten beim Betroffenen selbst zu erheben sind« und »sicherzustellen ist, dass Dritte (z.B. Arbeitgeber
oder Banken) keine Kenntnis von diesen personenbezogenen Daten erhalten«.
Der Verdienst ist auch aus Gehaltsabrechnung oder Kontoauszug zu ersehen. Mehr noch:
Erfährt der Arbeitgeber vom Alg-II-Bezug einer Beschäftigten, hat er sie in der Hand.
Denn Alg-II-Beziehenden sind bald alle Arbeiten und Arbeitsbedingungen zumutbar, sonst
droht Kürzung oder Streichung der Leistung eine Freifahrkarte zum Diktat der Lohn- und Arbeitsbedingungen.
Im Antragsbogen wird zwischen freiwilligen und verpflichtenden Angaben nicht unterschieden! Hierhin gehört die Frage nach Telefonnummer und E-
Mail-Adresse der Antragsteller wie auch nach Name und Kontonummer des Vermieters. Der Datenschutz verlangt, über den Charakter des
Auskunftsersuchens aufzuklären! (§67a Abs.3 SGB X.)
Die Antragsbögen sollen laut Agentur schnellstmöglich ausgefüllt werden. Viele, die dieser Aufforderung unbedacht folgen, werden dies
später bereuen. Bedenket:
20-seitige Antragsunterlagen braucht es, um möglichst oft die Leistung verweigern zu
können!
Wir raten: Erst informieren, dann ausfüllen!
Kontakt: quer.infos@web.de.
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