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»Wir haben alle das Recht auf ein tolles Leben.« So brachte Mag Wompel von Labournet in ihrem
Eröffnungsreferat zur Konferenz »Die Kosten rebellieren« das Wesentliche auf den Punkt. Etwa 220 Menschen trafen sich vom 25. bis 27.Juni in
der Fachhochschule Dortmund zu einer Konferenz unter dem Motto: »Die Kosten rebellieren«. Eingeladen hatten das Internetmagazin Labournet, das
sich als Forum für linke Gewerkschaftspolitik begreift, das antirassistische Netzwerk »Kein Mensch ist illegal« und andere Gruppen. Die
organisierenden Gruppen haben sich laut Aufruf zum Ziel gesetzt, »an der Schnittstelle prekäre Beschäftigung und Migration die Grundlage
für eine intensive Zusammenarbeit zu legen«.
Auf der Eröffnungsveranstaltung stellte Hagen Kopp von »Kein Mensch ist
illegal« selbstkritisch fest, dass sich die antirassistische Bewegung bisher zu wenig mit ökonomischen Zusammenhängen auseinandergesetzt hat.
Dabei seien vor allem Migrantinnen und Migranten in ungesicherten Verhältnissen beschäftigt, aber eben nicht nur sie. Prekarisierung ist eine Erfahrung,
die in letzter Zeit viele Beschäftigte machen. Nur noch 60% von ihnen fallen unter einen Tarifvertrag. Bei Migranten ist der Anteil noch geringer. Bei
Flüchtlingen kommt hinzu, dass sie einem Arbeitsverbot unterliegen. Damit rückt die illegale Beschäftigung als besondere Form der
prekären Lohnarbeit ins Blickfeld. Menschen, die gar keinen Aufenthaltsstatus haben, können anders gar nicht überleben.
Unter den Teilnehmenden waren auch Vertreterinnen von »Respect«. Dieses Netzwerk
organisiert seit 1998 in mehreren Ländern im Haushalt angestellte Migrantinnen und ist seit dem Jahr 2000 auch in Deutschland vertreten. Im Haushalt
beschäftigte Frauen sind nicht nur meistens prekär angestellt, sondern oft auch sexuellen Übergriffen ausgesetzt. »Respect«
kämpft im Rahmen der »Gesellschaft für Legalisierung« für eine Aufenthaltserlaubnis für »illegale« Migrantinnen
und Migranten und für die Entkoppelung von Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis. »Arbeit ist nicht illegal«, meinte dazu Monica Santana vom
Latino Workers Center in New York, »weil der dadurch geschaffene Reichtum legal ist«.
Insgesamt wurden auf der Konferenz etwa 20 Workshops angeboten. Die Zusammenhänge
zwischen den Hartz-Gesetzen und der Lage von Migrantinnen und Migranten wurden ebenso beleuchtet wie die Möglichkeit transnationaler Organisierung von
Arbeitern. So plant die IG BAU derzeit einen »Europäischen Verband der Wanderarbeiter« als transnationale Gewerkschaft. Sie soll
Wanderarbeiterarbeitern Tarifsicherheit, Rechtsschutz und Beratung über die Ländergrenzen hinweg bieten. Gerade die IG BAU steht aber auch wegen
ihrer Hotline zur Meldung illegaler Beschäftigung in der Kritik antirassistischer Gruppen. Sie werfen ihr Denunziation von illegal Beschäftigten an die
Behörden vor.
Der anwesende IG-BAU-Vertreter setzte dem entgegen, dass es um die Bekämpfung illegaler
Beschäftigung und nicht der illegal Beschäftigten gehe. Das Recht auf angemessene Bezahlung solle durchgesetzt werden, weil »Illegale«
oft weit unter dem Mindestlohn bezahlt werden. Er musste aber einräumen, dass die Gewerkschaft nicht wisse, was welche Konsequenzen die Kampagne
für Betroffene seitens staatlicher Behörden habe. Weitere Themen der Workshops waren Personalserviceagenturen, der Versuch der Organisierung der
freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim öffentlich-rechtlichen Radio Berlin-Brandenburg (RBB), Menschenhandel, die erfolgreiche Kampagne von
Berliner Papierlosen gegen Lohnraub und die zunehmenden prekären Beschäftigungsverhältnisse vor allem bei Frauen, um nur einige Beispiele zu
nennen.
Ein besonderes Problem, das auf der Konferenz angesprochen wurde, sind die per Tarifvertrag
geregelten prekären Beschäftigungsverhältnisse. Durch Spartentarifverträge z.B. werden unsichere oder schlechter bezahlte
Arbeitsverträge von den Gewerkschaften tariflich abgesichert, wodurch klar wird, dass Tarifverträge allein keine Absicherung gegen Prekarisierung sind.
Als Bilanz kann man sagen, dass der Dialog zwischen Aktiven der antirassistischen Bewegung und
Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern alles andere als konfliktfrei verläuft. Das sah man vor allem aber nicht nur an der kontroversen Diskussion um die
Hotline der IG BAU. Überhaupt stößt die Öffnung der antirassistischen Initiativen gegenüber sozialen und ökonomischen
Themen bei den Aktiven der Gewerkschaften nicht unbedingt auf Gegenliebe.
Von den etwa 220 Teilnehmenden der Konferenz kamen nur etwa 50 aus dem
Gewerkschaftsspektrum. Dabei waren linke Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter erstaunlich schwach vertreten. Die linke antirassistische Szene blieb zum
großen Teil unter sich. Trotzdem ist die Tatsache, dass überhaupt Leute von den Gewerkschaften kamen, darunter auch »normale«
Funktionäre wie ein Vertreter des Hauptvorstands der IG BAU, eher positiv zu werten. Vielleicht gibt es bei den Gewerkschaften ja eine umgekehrte
Öffnung für Themen wie Antirassismus und prekäre Beschäftigung, die der neuen Offenheit der antirassistischen Initiativen entgegenkommt.
So war die Konferenz in Dortmund ja vielleicht doch der Beginn eines fruchtbaren Dialogs zwischen Aktiven der antirassistischen und der Gewerkschaftsbewegung.
Andreas Bodden
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