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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2004, Seite 15

Bürgerkrieg in Darfur

Konflikt mit Vorgeschichte

Kaum waren es die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der sudanesischen Regierung und den im Süden des Landes operierenden Rebellen der Sudan People‘s Liberation Army (SPLA) in ihre entscheidende Phase getreten, als Ende März in der westlichen Provinz Darfur die beiden Guerillagruppen Sudanese Liberation Army (SLA) und Justice and Equality Movement (JEM) in die Offensive gingen und ein seit eineinhalb Jahren schwelender Konflikt offen ausbrach.

Die Rebellen werfen der Regierung eine systematische Vernachlässigung ihrer Region und eine rassistisch begründete Diskriminierung der nichtarabischen, schwarzafrikanischen Bevölkerung vor. Die Regierung in Khartum reagierte prompt mit Angriffen der Luftwaffe auf angebliche oder tatsächliche Rebellenlager. Der Kampf gegen die Aufständischen wird aber insbesondere von durch Regierungstruppen unterstützte arabische Reitermilizen, die sog. Janjawid, geführt. Diese Milizen gehen mit äußerster Brutalität und mit dem offensichtlichen Ziel einer Vernichtung oder Vertreibung der nichtarabischen Bevölkerung vor. Die UNO spricht mittlerweile von 10000 Toten und 100000 Vertriebenen, ein Zehntel von ihnen in Flüchtlingslagern jenseits der Grenze im Tschad. Ein am 8.April vereinbarter Waffenstillstand wurde von beiden Seiten immer wieder gebrochen.
War der Krieg im Süden des Sudan immer auch als muslimisch-christliche Auseinandersetzung begriffen worden, so stehen sich diesmal auf allen Seiten nur Muslime gegenüber. Doch gibt es zwischen beiden Konflikten in mehrfacher Hinsicht einen Zusammenhang: So war der Zeitpunkt des Aufstands in Darfur offenbar bewusst gewählt. Es sollte schnell eine zweite Front eröffnet werden, bevor es zu einer Annäherung zwischen der Zentralregierung und den Rebellen im Süden kommen würde.
Aber auch die Herausbildung der Janjawid-Milizen hat ihren Ursprung im Kampf gegen die christliche Guerilla im Süden. Mitte der 80er Jahre hatte der damalige Ministerpräsident Sadiq al-Mahdi arabische Nomaden in Süddarfur bewaffnet, um sie gegen die SPLA einzusetzen, andererseits scheint es immer wieder auch Kontakte zwischen der SPLA und den Rebellengruppen in Darfur gegeben zu haben.
Die SLA bemüht sich zudem um eine weitere Vernetzung, so gehört sie seit Mitte Februar dem gesamtsudanesischen Oppositionsbündnis der National Democratic Alliance (NDA) an. Die in Norddarfur operierende JEM hingegen pflegt angeblich enge Beziehungen zum Popular Congress (PC) des ehemaligen Parlamentsspreches Hassan al-Turabi, des Chefideologen der seit Mitte der 90er Jahre betriebenen Zwangsislamisierung des Landes.

Ethnisierung

Darfur lässt sich grob in drei ethnische Zonen einteilen, die verschiedenen Formen der Landnutzung entsprechen. Im Norden betreiben Nomaden unterschiedlicher Ethnien Weidewirtschaft mit Kamelen, im Zentralgebiet leben nichtarabische sesshafte Ackerbauern, und im Südteil gibt es arabischsprachige Nomaden, die von der Rinderzucht leben. Über Jahrhunderte waren die Grenzen zwischen diesen Gruppen jedoch fließend. Man heiratete untereinander, und ein Ackerbauer, der erfolgreich Rinderzucht betrieb, konnte die ethnische Zugehörigkeit wechseln, womit seine Nachkommen dann zu »Arabern« wurden.
Spätestens seit den 80er Jahren nahmen Streitigkeiten um Landnutzung und Zugang zu Wasser allerdings einen zunehmend »ethnischen« Charakter an. Hintergrund war neben einer langen Dürreperiode, die zu einer Intensivierung der Verteilungskonflikte führte, die radikale Arabisierungspolitik des Generals Omar Hassan al-Bashir, der 1989 in einem Putsch die Macht an sich gerissen hatte und die von der Zentralregierung in Khartum bewusst vorgenommene Schwächung traditioneller Strukturen der lokalen Konfliktregelung.
In diesen Zusammenhang gehört auch die 1994 vorgenommene Neueinteilung der Provinzverwaltungen, bei der Darfur dreigeteilt wurde. Doch führte dies nicht, wie von der Regierung behauptet, zu einer stärkeren Beteiligung der Menschen vor Ort und einer gerechteren Verteilung der Ressourcen, sondern lediglich zu einer Aufblähung der Verwaltung, bei der den Anhängern der an der Macht befindlichen Nationalen Islamischen Front Posten und Pfründe zugeschoben wurden.
1995 ordnete der Gouverneur von West-Darfur eine Aufteilung der Ländereien der »afrikanischen« Ethnie der Masalit an, 5 der 13 neu geschaffenen Amarat (»Fürstentümer«) wurden an arabische Gruppen vergeben. Die Folge war ein zweijähriger Krieg, der international kaum Beachtung fand aber dem heutigen Konflikt in vieler Hinsicht ähnelt. Bereits damals spielten von der Zentralregierung unterstützte Reitermilizen eine entscheidende Rolle bei der Ermordung und Vertreibung von Nichtarabern, etwa 100000 Menschen flohen in Richtung Tschad.
Zugleich kam es zu einer »Modernisierung« der Kriegsführung. Konflikte werden mit Maschinengewehren und Granatwerfern ausgetragen, und die Janjawid erhalten Hilfestellung von der sudanesischen Luftwaffe.
Finanziert werden die Waffenkäufe der Regierung in Khartum durch Erlöse aus den 1980 von Chevron entdeckten Ölvorkommen im Südsudan. Zwar werden die Vorkommen nur auf maximal 3—4 Milliarden Barrel geschätzt, doch bringen Ölverkäufe der Regierung jährlich immerhin etwa 500 Millionen Dollar ein. Ein Großteil dieses Geldes wird für den Kauf von Waffen vor allem in China und der Schweiz ausgegeben. China war vor drei Jahren auch am Bau von drei Rüstungsfabriken in der Nähe von Khartum beteiligt, zugleich ist eine chinesische Firma aktiv bei der Förderung sudanesischen Öls.

Deutsche und US-Interessen

Seitdem der Konflikt in Darfur den Sudan wieder in die Schlagzeilen gebracht hat, setzte seit Ende Juni eine rege Reisediplomatie ein: Kofi Annan, US- Außenminister Powell, BRD-Außenminister Fischer und seine Staatssekretärin Müller folgten einander im Halbwochenrhythmus. Doch zumindest Powell war zurückhaltend, die von Annan vorgeschlagene Entsendung von Friedenstruppen betrachtete er skeptisch. Auch den Begriff Völkermord wollte Powell nicht verwenden. »Was wir sehen, ist ein Unglück, eine Katastrophe, und wir können die richtige Bezeichnung später finden«, zitiert ihn die Washington Post am 30.Juni. Die Regelung des Konflikts solle der sudanesischen Regierung selbst überlassen werden.
Die deutsche Außenpolitik versucht sich demgegenüber in Härte: »Beim Thema Darfur ist Deutschland eines der unbeugsamsten Länder«, konstatierte der sudanesische Außenminister Ismail nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Fischer. Für die USA ist Darfur nur am Rande interessant. Eine regionale Ausweitung des Konflikts allerdings soll vermieden werden, denn seit einiger Zeit sind die »Stabilisierung« West und Zentralafrikas, wo größere Ölvorkommen vermutet werden sowie die Kontrolle Djiboutis gegenüber der arabischen Halbinsel in den Fokus der US-Außenpolitik gerückt.
Für Fischer, Müller und Co. hingegen könnte der Sudan eine Möglichkeit außenpolitischer Profilierung sein, ähnlich wie im Golf von Aden, wo die deutsche Marine im Rahmen der »Operation Enduring Freedom« operiert.

Harald Etzbach

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