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Mit einem großen Knall endete der Versuch, die Ruhrfestspiele in Recklinghausen durch den Berliner Theatermann
Frank Castorf neu zu starten. Obwohl auf drei Jahre verpflichtet, wurde er von den Gesellschaftern der Festspiele, dem DGB und der Stadt Recklinghausen,
schon nach einer Spielzeit vor die Tür gesetzt. Begründung: es wurden zu wenige Karten verkauft und es gab ein gewaltiges Minus von mehreren
100000 Euro.
Der Schaden im kulturellen Bereich ist für die Region und die traditionellen Festspiele
immens, die Zukunft der 1947 begonnenen Spiele unklar. Nach vielen Jahren unter Hansgünter Heyme als Festspielleiter sollte 2004 ein frischer Wind mit
Frank Castorf in den für 30 Millionen Mark renovierten Bau ziehen. Aber die Wahl des früheren DDR-Theatermanns war offensichtlich eine
Lösung ohne Kenntnis seiner Person: Schon vor Beginn der Vorführungen wurde schweres Geschütz von der örtlichen CDU gegen
Castorf und seine eigenwilligen Theatervorstellungen aufgefahren. Bekannt von der Berliner Volksbühne war er allemal, sein Ruf in der gesamten
Theaterlandschaft war den Gesellschaftern bei der Einstellung bekannt.
Aber am Ende zählte nicht mehr der Inhalt von Castorfs Inszenierungen, die
Qualität der Stücke, die Auswahl der Gäste, sondern nur noch Quote. In der örtlichen Presse überwogen gute Kritiken, aber es
gab auch ablehnende Leserbriefe, oft von Leuten, die erklärten, gar nicht erst zu den Aufführungen gegangen zu sein.
Kritik an der Art der Präsentation, der Leitung und Präsenz von Castorf vor Ort
eingerechnet, ist es unverständlich, dass die Geldgeber den Festspielleiter ohne weitere Diskussion sofort hinauswarfen, ohne ihm eine zweite Chance mit
längerer Vorbereitungszeit einzuräumen.
Die Ruhrfestspiele immer wieder einmal in der Kritik. Mal war es dem Regionalpublikum zu
politisch, zu linkslastig, mal zu unverbindlich, mal wurden zu viele Fremdsprachen auf der Bühne gesprochen. Der DGB hatte schon immer Probleme mit
seinem Kulturerbe aus Zeiten, als der Spruch »Kunst gegen Kohle« tatsächlich auf einem Austausch beruhte: Kohle aus Recklinghausen (von
der Zeche König Ludwig) wurde nach Hamburg ans Theater geliefert, und die Aufführungen von dort kamen als Gastspiele nach Recklinghausen.
»Arbeiterfestspiele« im politischen Sinne oder im Sinn von kultureller
Selbstentfaltung der Bergleute und anderer Arbeiter waren die Ruhrfestspiele nie. Aber sie sollten die in den Theatern gespielten Szenen vor Ort
in Reichweite der Bergleute aufführen, um den Kumpels nach sechs Tagen Schichtarbeit einige Stunden gutes Theater zu bieten. Immer auch
bis zuletzt unter Castorf gab es verbilligte Karten für DGB-Mitglieder.
Leider gibt es schon seit einiger Zeit Absetzbewegungen vor allem des DGB von
»seinen« Festspielen. So wurden Teile der Ruhrfestspiele, das »Junge Forum« sowie die Reihe »UnArt«,
Kleinkunstaufführungen mit einem interessierten Publikum, eingestellt. Stattdessen wurde das Festspielhaus »fit« gemacht für
Kongresse und Events, und die Ruhr-Triennale überlagerte die Festspielzeit mit Konkurrenzveranstaltungen.
Die Stadt und der DGB handelten wie die Fußballpräsidenten: eine Saison keinen
»Erfolg« schon wird der Trainer gefeuert. Kein Hinweis auf die (berufstätigen) Besucher, die sich nicht ohne weiteres teure Karten
leisten können. Kaum ein Hinweis auf das überregionale Interesse, das Castorf mit seinen Aufführungen weckte.
Der Schaden, den die Stadt nun angerichtet hat, wird nur übertroffen von dem des DGB,
der seine kulturpolitische Unfähigkeit in einer Zeit offenbarte, in der er sich den guten Willen all derjenigen erhalten müsste, denen die Sache der
abhängig Beschäftigten wichtig ist. Vor allem den jahrelangen Bemühungen der Beschäftigten der Ruhrfestspiele, gutes Theater zu
unterstützen, Begegnungen junger Leute zu fördern und interessante Themen auf die Bühne zu bringen, ist ein herber Dämpfer versetzt
worden.
Nach der Stillegung der letzten Zeche der Stadt Recklinghausen und dem Absterben der
meisten Industriezweige ist zu fürchten, dass auch die Ruhrfestspiele nicht mehr lange bestehen werden. Der Castorf-Transport zurück nach Berlin
ist ein schlechtes Zeichen.
Rolf Euler
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