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Nicht überall ist die Punkband Rubberslime gern gesehen. In Leipzig etwa sagte das antideutsche »Conne
Island« kurzerhand ein Konzert der Punkband ab, da das neu aufgelegte Stück »Yankees raus« eine »Grußbotschaft an das
deutsche Volk« darstelle. Schade für Leipzig, denn dort verpasste man ein furioses Konzert, wie der jüngste Auftritt der Band in Köln
zeigte.
Das inkriminierte Stück ist mittlerweile über 20 Jahre alt und stammt von Slime,
dem hier zu Lande legendärsten Punkensemble. Angesichts solcher Historie sei an zwei Jubiläen erinnert, die 2004 zusammenfallen: Das 25.Jahr
der Gründung und das 10. der Auflösung der Band. Dazwischen liegen neun Platten und unzählige Konzerte, von denen so manches Auftakt
zu einer dritten Halbzeit des Streetfights war.
Ihren ersten Gig gab die Combo 1979 im Hamburger Jugendknast Neuengamme. Ein Jahr
später folgt mit »Bullenschweine« die erste Single, bevor 1981 die erste LP erscheint. Sie enthält neben »All Cops are
Bastards« (A.C.A.B.) auch »Deutschland«, ein unvergängliches Stück mit folgender Geschichte: Ein Nazi-Spruch auf einem
Kriegerdenkmal in Hamburg »Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen« wird kurzerhand zu dem Refrain
»Deutschland muss sterben, damit wir leben können« umgedreht.
Dass auf einem Sampler 1982 »Deutschland« und »Bullenschweine«
mit Piep-Tönen zensiert werden, erhöht die Popularität der Band nur. In den 80er Jahren erscheinen weitere Klassiker, denen die Auflehnung
gegen Faschisten, Staat, Militär und Polizeiterror gemeinsam ist. Aber auch der monotone Arbeitsalltag und die geleckte Konsumwelt werden radikal
verneint. Ausdruck davon sind Stücke wie »Artificial«, »Kauf oder stirb«, »Etikette tötet«, »Zu
kalt« und Textzeilen wie »Hey Punk, zeig wer du bist, hey Punk, spuck ihnen ins Gesicht!«
Mit der Zeit bleiben Vorwürfe nicht aus, sich dem Kommerz verkauft zu haben
vergessen ist bei einigen, dass Slime zumeist gegen Benzingeld spielen. Außerdem macht den Jungs zu schaffen, dass sie in der Szene längst zu
Helden geworden waren, was sich mit ihrer Absage an Führerkult kaum verträgt. Folge ist 1985 die Auflösung von Slime, bis man sich 1989
wieder zusammenfindet. 1992 zeigt die Band mit der Scheibe Viva la muerte mal wieder politisches Gespür, indem sie die 500 Jahre Kolonialismus seit
der vermeintlichen »Entdeckung Amerikas« verurteilt.
1993 folgt mit Schweineherbst die musikalisch wohl beste Platte. Politisch gehört das
Stück »Gewalt« zu den klarsten: »Die Asche der abgebrannten Häuser ist noch warm | die Toten noch nicht begraben | da werden
schon wieder Leute eingefahren | und geprügelt, weil sie es nicht einfach hingenommen haben … | [RAF-Mitglied] Wolfgang Grams mit ner
Kugel im Kopf | Ein Killerkommando ohne Instruktion … | Hunderte von Faschos heben auf dem Domplatz ihren Arm | vom Staatsschutz in die Stadt
eskortiert | der Präsident als Paraderassist | als er Ausländer in gute und schlechte sortiert.«
1994 lösen sich Slime dann endgültig auf: »Wir standen immer für
eine klare radikal linke Position. Was wir sagen konnten und wollten, haben wir gesagt. Was sollte nach Schweineherbst noch kommen?«, so Drummer
Stephan M.
Knapp ein Jahrzehnt später juckte es Teile von Slime wieder und so schloss man sich mit
Teilen der unbekannteren Rubbermaids zusammen, um 2003 als Rubberslime die CD First Attack herauszugeben. Diese trägt weiterhin die Handschrift
des alten Slime-Sängers Dirk alias DJ Celtic, der neben ein paar Rubbermaids-Stücken und einigen neuen Liedern auch unverwechselbar alte
Klassiker wie »A.C.A.B.«, »Störtebeker«, »Alle gegen alle«, »Wenn der Himmel brennt«,
»Albtraum«, »Religion« und »Deutschland« vorträgt.
So durfte man auf die noch laufende Tour gespannt sein. In Berlin waren fünf
aufeinanderfolgende Konzerte ausverkauft, es folgten auch welche in weithin unbekannten Kleinstädten und am 18.Juni ein Auftritt in Köln. Dort
spielten zunächst die Vorbands Ni Ju San und LAK. Derweil vergnügte sich der Mainact erst einmal beim EM-Spiel ItalienSchweden, sah
dort beim Treffer zum 1:1 das wohl schönste Tor der Euro und bequemte sich gegen halb zwölf auf die Bühne, um dann fulminant mit
A.C.A.B. loszulegen. Dass sich die Band in den folgenden 90 Spielminuten bezüglich der Auswahl der Stücke weitgehend an ihre jüngste CD
hielt, konnte man ihr nicht verübeln; denn schon der Tonträger überzeugte auf ganzer Linie. Wie gewohnt bot der Abend Pogo, Stagediving
und am Ende jede Menge heisere Stimmbänder.
Die erste Zugabe kündigte der Sänger im Celtic-Glasgow-Shirt
sinngemäß wie folgt an: »Ich weiß nicht, ob ihr hier in Köln auch Probleme mit Antideutschen habt. Das nächste
Stück richtet sich jedenfalls nicht gegen die Frau im amerikanischen Supermarkt, es richtet sich gegen die US-Regierung.« Dem Stück
»Yankees raus« folgte dann unmittelbar das weitaus legendärere »Deutschland«, bei dem eigentlich auch Antideutsche auf ihre
Kosten hätten kommen können, wie man meinen sollte.
Doch selbst diesem Stück kann etwa das »Conne Island« nicht viel
abgewinnen. Begründung: Es richtet sich vornehmlich gegen »Bonzen« und »Multis« anstatt gegen Antisemiten und Rassisten.
Müdes Schulterzucken hätte man sich fast denken können. Interessanter schon der Zankapfel »Yankees raus« mit der
umstrittenen Passage »USASASS«: Bei aller richtigen Ablehnung der US-Politik möchte man einräumen, dass das
Stück dem politischen Analyse-TÜV kaum standhalten kann, auch wenn aus Kreisen der Band plausibel verlautet, dass nicht »irgendeine
deutsche Vergangenheit rein gewaschen werden soll: Es werden sowohl die Politik der Nazis als auch die der USA, verbrecherische imperialistische
Eroberungskriege zu führen, scharf kritisiert!«
Dem »Conne Island« ist man geneigt zu sagen: »So what, its
punkrock!« Oder: »Warum lasst ihr eigentlich eine Band wie Antiseen bei euch spielen, obwohl sie ein Stück der englischen Naziband
Screwdriver im Programm hat?«
Jedenfalls sei erst einmal der Vorwurf fataler Analyse zurückgegeben, wenn in der
Ausladungserklärung an Rubberslime gleichermaßen gegen »linksradikale Antiimperialisten, Neo-Nazis, PDS-Opas, Gewerkschafter,
Unternehmer und Regierungsvertreter« polemisiert wird. In antideutscher Selbstgefälligkeit wird weiterhin behauptet, dass auch die deutsche Presse
von der FAZ bis zum linken Internet-Portal Indymedia »die Reihen fest geschlossen« habe.
Einem Bandmitglied von Rubberslime verschlugen solche Worte nicht die Sprache. Auf das
»Conne Island« wünschte er »einen großen Haufen Scheiße«. Will sagen: Punks not dead!
Mario Tal
Tourdaten.
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