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Seit Urzeiten, seit der damalige Schülerunion-Vorsitzende in Hamburg und jetzige Erste Bürgermeister der
Hansestadt auf einer Schülervollversammlung Redeverbot für den Autor dieser Zeilen forderte, verfolgen wir den Krankheitsverlauf der jungen
Christdemokraten von der Wasserkante mit persönlichem Interesse. Während z.B. die CDU-Frauenunion in Hamburg echten Internationalismus
zeigt und zweisprachige Bus- und Bahnansagen fordert, verlangen die Jungunionisten, dass künftig vor allen Hamburger Schulen die Nationalflagge
dauerhaft weht, um »gesunden Patriotismus« und »die Kraft der Symbole für die Persönlichkeitsbildung junger Menschen«
zu stärken. Und wer dann später Unternehmer wird, wird sich patriotischer zeigen als die Herren mit der Parzelle in Ungarn. Oder nicht?
Doch allein Fahne und Patriotismus bringen es zuweilen auch nicht. Ostunternehmerin
Christine Schmittroth hatte für 3350 Euro zugunsten der Eichel-Kasse im Internet eine früher auf dem Reichstag wehende BRD-Fahne, 6,40 mal
4,50 Meter, ersteigert. Die wollte sie auf ihrem Sexunternehmen »X-Carree« in Halle an der Saale wehen lassen, damit der deutsche Freier leichter
einen hoch kriegt. Aber einem pensionierten Beamten gefiel dieser Patriotismus gar nicht. »Es handelt sich um ein Nationalsymbol, das nicht besudelt
werden darf.« Also folgte eine Anzeige wegen Verunglimpfung des Staates. Nun wird die Fahne erneut im Internet angeboten.
Der Patriotismus ist sicherlich die hohlste Standorttugend, die bald nur für Stammtische
und Kofferträger der Ideologieproduktion noch prickelt. Der moderne Kapitalist und noch mehr der Arbeiter haben kein Vaterland, je mehr sie davon
schwätzen, desto weniger. Das Anschwellen nationalistischer Bocksgesänge ist deshalb ein unmittelbares Krisenindiz des Kapitalismus, und die
nationalistischen Banden sind seine Eiterbeulen.
Die Herren Paul Zak und Stephen Knack, beides Ökonomen aus den USA, haben sich
einer viel interessanteren Frage gewidmet, was zum Gelingen einer intakten Ökonomie noch alles so erforderlich ist. Sie untersuchten die Rolle des
Vertrauens. Sie widerlegten die alte These, dass die Menschen nur »ökonomisch«, das heißt rational und auf den persönlichen
Gewinn orientiert, handeln würden. In wissenschaftlichen Rollenspielen und durch umfangreiche empirische Studien zeigten sie auf, dass trotz fast 400
Jahren Kapitalismus, trotz Geldfetischismus, Konkurrenz und Patriotismusideologie der Mensch immer noch stark auf soziales, kollektives und auf Vertrauen
aufbauendes Handeln orientiert ist. Wie wenig erstaunlich, ermittelten Zak und Knack, dass Vertrauen umso mehr prägend ist, je mehr die Gesellschaften
wohlhabend sind, die Kluft zwischen Arm und Reich klein ist, ein intaktes Rechtssystem und demokratische Freiheitsrechte existieren. Das sind für
Marxisten keine neuen Erkenntnisse, wissen sie doch schon lange, dass auch der Kapitalismus in seiner höchsten Form Plan, Kommunikation und eben
Vertrauen erfordert, wenn auch in Form des auf dem Kopf gestellten Prinzips, dass man sich allseits ehrlich anscheißen muss.
Wie schön eine Gesellschaft sein muss, die das Vertrauen zur allgemeinen
Geschäftsgrundlage macht, wagen sich die Forscher dagegen kaum vorzustellen. Der Name dafür ist am Eingangstor der ökonomischen
Fakultäten ja auch abzugeben: sozialistische Planwirtschaft.
Stattdessen stürzen sich Knack und Zak auf biologische Erkenntnisse, dass Vertrauen
auch mit der Produktion des Körperhormons Oxytocin gesteuert wird. Je mehr Vertrauen in ökonomische Handlungen eingebracht wird, desto
höher der Oxytocinpegel. Für die Umkehrung dieser These und damit für Theorien, mittels künstlicher Zufuhr des Hormons an die
Akteure die Profitrate der kapitalistischen Gesellschaften zu erhöhen, fehlten den Forschern noch der Mut und die Beweise. Aber sie spekulieren damit.
Das Hormon, so verraten sie jedenfalls, könne man sich aber auch leicht anders aneignen: Bewegung in gesunder Luft, viel Gemüse essen, viel
Knoblauch und Sojaprodukte und regelmäßiger Sex treiben den Oxytocinspiegel in die Höhe.
Das aber wussten wir schon lange: »Gemüse, Sex und Sozialismus« ist die
Kurzformel für die Zukunft der Menschheit.
Thies Gleiss
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