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Mit der Rückkehr der nicht nur, aber vor allem von den USA offen betriebenen imperialistischen Politik ist auch die
Diskussion um eine linke Imperialismustheorie neu entfacht. Nach mindestens zwei Jahrzehnten weitgehenden Schweigens sind auch in Deutschland, aber mehr
noch in der angelsächsischen Welt bereits zahlreiche Versuche erschienen, den neuen Imperialismus theoretisch einzuordnen.
Socialist Register, das bekannte internationale Jahrbuch der unabhängigen
sozialistischen Linken, widmet sich gar in zwei ganzen, aufeinander folgenden Bänden diesem Thema. Den Eröffnungsbeitrag des bereits
erschienenen ersten dieser beiden Bände hat nun der Hamburger VSA-Verlag auch auf Deutsch, als kleines Büchlein veröffentlicht. Leo
Panitch (Herausgeber des Socialist Register) und Sam Gindin untersuchen darin den strukturellen Zusammenhang von US-amerikanischem Imperialismus und
globalem Kapitalismus. Und sie wenden sich dabei gegen linke Gewohnheiten, den Imperialismus vor allem ökonomisch abzuleiten. Klassisch linke
Imperialismustheorien hätten sich zu sehr auf die Theoretisierung ökonomischer Prozesse beschränkt und vor allem die Rolle der Staaten, die
relative Autonomie des Politischen vernachlässigt.
Konkret historisch verfolgen sie die Entwicklung der USA zum neuen Welthegemon, der es
mindestens seit den 40er Jahren mittels Direktinvestitionen und einer seinen Konkurrenten überlegenen Organisationsform geschafft habe, ein neues
funktionsfähiges Koordinatensystem imperialer Politik durchzusetzen. Dieses, auf der Durchsetzung des so genannten fordistischen Akkumulationsregime
und seinen spezifischen Klassenstrukturen beruhende, informelle Imperium habe sich unter der Ägide der USA auf eine Weise vernetzt, dass die
klassischen zwischenimperialistischen Konkurrenzen zwar nicht aufgelöst, aber nachhaltig eingegrenzt seien. Ebenso unwahrscheinlich wie die
Rückkehr zu sich bekriegenden nationalen Bourgeoisien sei aber auch die Entwicklung einer neuen transatlantischen Klasse.
Mit dieser erfolgreichen Reorganisation erreiche das US-amerikanische Imperium aber keine
neue Stabilität: »Tatsächlich könnte man sagen, dass eine dynamische Instabilität und Kontingenz systemhaft in diese
reorganisierte Form des Imperiums eingeschlossen ist.« Nicht die auch weiterhin heftigen, auf der weltweiten Überakkumulation basierenden
ökonomischen Krisenprozesse seien das zentrale Problem des neuen Imperialismus. Entscheidender sei, dass es keine ökonomische und politische
Grundlage für das neue Herrschaftsnetz gebe, dass die neue Weltordnung ihre Versprechen auf Freiheit und Entwicklung nicht einzuhalten imstande sei.
»Die Unattraktivität eines nunmehr in seinem Zwangscharakter im Inland wie im Ausland nicht mehr verhüllten Imperiums legt nahe, dass
antiimperialistische Kämpfe an zunehmender Anziehungskraft für die Massen und damit an Stärke gewinnen werden, und dies in den reichen
kapitalistischen Staaten im Herzen des Imperiums ebenso wie in den armen Staaten an seinen äußersten Enden.«
Man darf gespannt sein auf die ausgearbeitete Buchfassung dieses ausgesprochen anregenden
Essays.
Christoph Jünke
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