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Der Verlag Assoziation A hat ein Buch zu einem bei Linken schon immer heiß diskutierten Thema vorgelegt: Spitzel.
Bekanntlich sind Linke ja ein bisschen paranoid. Wer hat nicht schon mal erlebt, dass er in einer fremden Stadt in ein linkes Zentrum reingeht oder zu einer
linken Veranstaltung und alle sind sehr abweisend und reden erst mal nicht mit dem Fremdling? Denn wer weiß? Vielleicht ist der ja vom VS oder vom
Staatsschutz oder von einer privaten Schnüffelfirma? Und je älter man ist und je weniger die Kleidung dem gerade angesagten Szene-Dresscode
entspricht, desto wahrscheinlicher ist es, dass man ignoriert wird. So schotten sich große Teile der Linken in ihrem subkulturellen Szeneghetto ab,
verzichten auf Breitenwirkung und trotzdem gelingt es den Behörden immer wieder wenn wohl auch eher selten, Spitzel in linken
Zusammenhängen zu platzieren. Irgend etwas läuft also falsch bei der linken Spitzelabwehr. Die Richtigen werden abgemauert und den Falschen
wird zumindest manchmal vertraut. Höchste Zeit also für ein linkes Aufklärungsbuch über Spitzel.
So gehen denn die beiden Herausgeber Klaus Viehmann und Markus Mohr, die 18 Autorinnen
und Autoren für das Projekt gewinnen konnten, zwar nicht gerade zu Adam und Eva aber immerhin bis zu Judas Ischariot zurück, um dem Wesen
des Spitzels auf die Spur zu kommen. So erfahren wir, dass schon Judas im Laufe der Zeit eher Projektionsfläche für antisemitische und andere
Vorurteile war, als Grundlage für wirksame Antirepressionsarbeit. Doch das Buch liefert auch historische Beispiele für echtes Spitzeltum. So
erfährt man, dass der Einsatz von Spitzeln eng zusammenhängt mit dem Entstehen der Institution Polizei im 17. und 18. Jahrhundert. Illustriert wird
dies an der Geschichte der Pariser Polizei in der Hoch-Zeit des Absolutismus. Sehr interessant sind auch die Ausführungen über den
preußischen Polizeispitzel Stieber, zu dessen Zielen u.a. immerhin Karl Marx selbst gehörte. Aber auch dieser bekommt sein Fett weg, beschuldigte
er doch im Jahre 1848 Bakunin zu Unrecht, ein Spitzel der zaristischen Geheimpolizei zu sein, wie im Beitrag von Wolfgang Eckhardt nachzulesen ist.
Und so führt das Buch weiter durch das 19. und 20. Jahrhundert und gibt eine Reihe von
Beispielen. Ein Schwerpunkt dabei ist die Zeit von 1918 bis 1945 in Deutschland, dem drei Beiträge gewidmet sind. Matthias Grzegorczyk stellt dar, wie
die KPD in der Weimarer Republik versuchte, mit einem sog. Spitzel-Almanach die Abwehr von Spitzeln zu systematisieren. In diesem Almanach waren alle
entlarvten »Parteifeinde« mit Personenbeschreibung und teilweise mit Foto alphabetisch aufgeführt. Wie wenig das genutzt hat, wird am
Beitrag von Wladislaw Hedeler deutlich, wo es um die wohl auf Verrat zurückzuführende Verhaftung Thälmanns 1933 geht. Welche
verheerende Wirkung Spitzel im NS-Faschismus hatten, wird am Beitrag von Markus Mohr über den Verräter Rambow deutlich. Dieser lieferte
1944 280 antifaschistische Widerstandskämpferinnen und -kämpfer an die Gestapo aus, von denen 90 hingerichtet wurden.
Der berühmteste im Buch behandelte Spitzel ist Adolf Hitler, der seine Karriere 1919/21
als V-Mann der Reichswehr in München begann. Im Beitrag von Gideon Botsch wird allerdings betont, dass Hitler später nicht mehr auf der
Lohnliste der Behörden stand, so dass Agententheorien in dem Buch keine Nahrung finden.
Die historischen Beiträge des Buches sind sehr aufschlussreich und teilweise so
spannend geschrieben wie ein Krimi. Je näher man jedoch an die Gegenwart herankommt, desto geringer wird der Aufschluss, den die Beiträge
bieten. Zum Schluss werden nur noch linke Papiere dokumentiert, die die Entlarvung von Spitzeln bekannt machen. Diese Papiere demonstrieren eher die
Hilflosigkeit der betroffenen Zusammenhänge. Auch ist nicht ganz klar, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte.
Die Pluspunkte des Buches sind die historischen Beiträge und die Beiträge
über die Rolle von Spitzeln in faschistischen Kreisen, wo sie oft eher als Hilfe denn als Gefahr für die Nazis agieren.
Andreas Bodden
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