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Selten hat ein Dokumentarfilm größeres Aufsehen erregt. Michael Moores Film wurde mit fast genauso viel
Aufwand angekündigt wie ein Blockbuster. Er lockte in den USA bereits Millionen in die Kinos und wird auch hierzulande wohl ein Erfolg werden, da
auch Moores Werk Bowling for Columbine viele Kinogänger und -gängerinnen angelockt hat.
Was vermittelt der Film? Er ist im Wesentlichen ein auf 110 Minuten aufgeblähter
Wahlspot zur Abwahl von George W. Bush und damit zumindest indirekt eine Werbung für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten John
Kerry. Wird Moores Film den hohen Erwartungen gerecht? Michael Moore ist der vermutlich erfolgreichste, aber auch umstrittenste Dokumentarfilmer. Dabei
soll die von sog. »Antideutschen« vorgetragene Kritik, Moore sei »antiamerikanisch«, hier unberücksichtigt bleiben. Sie ist so
offensichtlich albern, dass sie kaum der Widerlegung bedarf. Denn wer es US-Bürgerinnen und -bürgern verweigern will, ihre eigene Regierung zu
kritisieren, befindet sich eher auf dem Niveau eines Joseph McCarthy unseligen Angedenkens, als dass er auch nur noch andeutungsweise linke Positionen
vertreten würde.
Moores Film behandelt zunächst die erste Hälfte von Bushs Amtszeit. Dabei
handelt er nach dem Motto »Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil«. Bush erscheint also als tumber Tor, der obendrein auch noch
faul ist. Er geht lieber Golf spielen, als sich um die Regierungsgeschäfte zu kümmern. Auch das Hauptthema US-amerikanischer Liberaler, der
mutmaßliche Wahlbetrug in Florida bei den Wahlen 2000, fehlt nicht. Bush erscheint als Trottel, der von skrupellosen Verwandten, sein Bruder ist
Gouverneur von Florida, und Beratern gegen den Willen der Bevölkerung ins Amt gehievt wurde. Die in der Tat in der US-Geschichte bisher einmaligen
Proteste bei der Amtseinführung von Bush werden dabei weidlich ausgekostet.
Dann kommt der 11.9.2001, der dem Film seinen Namen gab. Moore ist bei der Darstellung
hier ausnahmsweise zurückhaltend. Man sieht eine schwarze Leinwand und hört nur die entsprechenden Geräusche. Danach wird wieder Bush
vorgeführt, wie er zunächst völlig hilflos reagiert. Das soll mit Bildern bewiesen werden, die den Präsidenten beim Besuch einer
Schulklasse an eben diesem Tag zeigen. Der Film überschreitet hier die Schwelle zur Manipulation, da die Bilder den interpretierenden Kommentar nicht
unbedingt belegen.
Danach geht es ziemlich lang und breit um die Geschäftsbeziehungen der Familie Bush
zur Familie Bin Laden. Die hat es zwar zweifellos gegeben, aber eine fundierte Analyse US-amerikanischer Außenpolitik wäre als Erklärung
für die Anschläge vom 11.9. sicher hilfreicher gewesen. Auch ist es sehr fragwürdig, hier Saudi-Arabien quasi als Schurkenstaat
vorzuführen. Was soll die Botschaft sein? Dass es besser gewesen wäre dieses Land anstatt den Irak zu bombardieren? Auch die Kritik am
Afghanistankrieg ist fragwürdig, darf doch hier ein ehemaliger Militär unkommentiert sagen, die militärische Präsenz der USA in
Afghanistan sei mit 11000 Soldaten zu gering.
Die fragwürdigste Passage ist die Darstellung der »Koalition der Willigen«.
Es wird der Eindruck erweckt, sie bestände nur aus kleinen und militärisch unwichtigen Staaten wie den Palau-Inseln, Island, Costa Rica usw.
Teilweise werden auch rassistische Klischees bedient, wenn z.B. Costa Rica mit einem Bananenbauern und seinem Muli bebildert wird. Die Illustration der
Niederlande mit einem kiffenden Hippie ist so peinlich und dumm, dass sie hier nicht weiter kommentiert werden soll. Militärische und politische
Schwergewichte wie Großbritannien, Spanien, Italien und Australien, die an der Koalition teilnahmen, kommen in Moores Film erstaunlicherweise nicht
vor. Wieso wird Blair von der Kritik ausgespart? Weil Blair mit seiner New Labour dem liberalen Demokraten Kerry im Grunde genommen näher steht
als dem konservativen Bush? Kommt hier Moores Dilemma zum Ausdruck, als Linksliberaler bürgerliche Politik nicht wirklich tiefschürfend
kritisieren zu können? Denn er scheint Liberale und Sozialdemokraten noch immer für eine Alternative zu den Konservativen zu halten, was
spätestens seit Clinton, Blair und Schröder widerlegt sein dürfte.
Das Anliegen von Moore, die vermutlich rechteste Regierung, die die USA in ihrer bisherigen
Geschichte hatten, zu kritisieren, ist auf jeden Fall legitim und mehr als berechtigt. Die Umsetzung dürfte allerdings als misslungen betrachtet werden.
Andreas Bodden
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