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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2004, Seite 22

Gurkentruppe des Kapitals

Kolumne von Thies Gleiss

Das Magazin der Süddeutschen Zeitung machte sich den Spaß, Dietmar Strehl zu interviewen. Der Kerl ist nicht bekannt? Macht nichts: Sein Job ist es, als Schatzmeister der Grünen Kohle für die laufenden Geschäfte einzutreiben, denn »bisher haben unsere Minister und Abgeordneten die größten Beträge gespendet. Da wir aber mehr Geld für die Parteiarbeit brauchen, bemühen wir uns seit fünf Jahren verstärkt um Spenden von Firmen.«
Nun ist es erstmals gelungen, mehr als eine halbe Million Euro Spenden von der Commerzbank, DaimlerChrysler, BMW, dem Arbeitgeberverband Südwestmetall, der Allianz u.a. zu erhalten. »Die Firmen finden unser Programm interessant.« Der Wandel von einer Partei der Staatsknete zu einem privatisierten und der Privatisierung huldigenden Klientel neigt sich offensichtlich dem Ende zu. Dass ein solches Sein ziemlich direkt das Bewusstsein verstimmt, ist an dem Gehampel der Fischer, Müller, Göring, Scheel und wie sie alle heißen im Zuge der Hartz-Diskussionen zu verfolgen. War bei ihrer Unterstützung des Kriegskurses des deutschen Kapitals und der Neubestimmung des Bundeswehrauftrags noch immer öffentliches Wehklagen über Bauchschmerzen und den Konflikt zwischen rechtsbürgerlichem Kopf und linkem Herzen zu vernehmen, so gibt es beim Thema Hartz kein Vertun mehr.
Die Grünen sind der rechte Flügel der Regierungskoalition, der Türöffner für das Spiel der CDU/CSU-Opposition und der Arbeitgeberverbände, die SPD vor sich herzutreiben. Ethische Bedenken erreichen dabei gerade noch das Niveau einer tragisch-komischen Farce: »Grundsätzlich haben wir gesagt, dass die Grünen nicht bei den Atomkonzernen und Rüstungsunternehmen um Gelder werben.« Und auf den Einwand, dass immerhin 15000 Euro vom Rüstungskonzern DaimlerChrysler stammen, fällt dem Schatzmeister tatsächlich ein: »Das Geld stammt aber von der Autosparte des Konzerns.« Und der Filialleiter der Bank, die den Geldtransfer durchführte, ist wahrscheinlich auch noch Mitglied oder Wähler der Grünen…
Denn niemand soll glauben, die Grünen seien klassenpolitisch betrachtet Dauerverräter an sich selbst: 1987 — das war die Zeit der ersten großen Wandlung der Partei von einer rebellischen, antiautoritären Linkspartei zu einer an die Türen der bürgerlichen Salons pochenden linksreformerischen Parlamentsclique oder wie es damals treffend hieß: des Durchmarschs der Gartenzwerge — ergaben Wählerbefragungen, dass 40% der Grünen-Anhänger noch immer weniger als 1000 Mark im Monat zur Verfügung hatten. Für 1995, die Zeit des unerbittlichen Kampfes um die Regierungsfähigkeit, ermittelte das Emnid-Institut, dass ein Drittel der Wählerbasis der Grünen bereits über monatlich 4000 Mark verfügte. Eine brandaktuelle Untersuchung des Mainzer Parteienforschers Jürgen Falter ergab, dass das mittlere Nettoeinkommen der Grünen-Wähler 2002 bei knapp 2000 Euro im Monat lag und dass ein Viertel der Grünlinge ein Nettoeinkommen von 3000 Euro hatte. Damit hatte die Grünen-Basis erstmals die Werte der FDP — der klassischen Partei der Besserverdiener — übertroffen.
Dem Durchmarsch der Gartenzwerge und dem Kampf um die Regierungsfähigkeit folgt der unvermeidliche Teil Drei: die Niederlassung zur modernen Rechtspartei. Die Mitgliedschaft ist dabei zweimal mehrheitlich ausgetauscht worden und nur eine kleine politische Führungsschicht der Parteimitgliedschaft hat alle Wendungen und Episoden durchgezogen und überlebt. Das ganze Spiel hat gerade mal 25 Jahre gedauert. Auf die kluge Frage: »Wer hat sich denn tatsächlich mehr gewandelt, die Grünen oder die Unternehmen?«, antwortet der Schatzmeister: »Es wäre jedenfalls falsch zu behaupten, dass wir uns in 25 Jahren nicht verändert haben.« Das Duo Dummköpfigkeit der Führungsclique und Druck der materiellen Basis hat die Geschichte der Grünen derart rigide geprägt, dass fast Lust am Vulgärmaterialismus aufkommen könnte, doch da seien Marx und Trotzki vor.

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