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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2004, Seite 4

Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg

Ohne Rücksicht auf Verluste

von Georg Fülberth

Noch vor der ersten Hochrechung hatte die SPD die Wahlen in Brandenburg und Sachsen abgehakt. Dass sie verlieren würde, wusste sie, und sie hatte schon längst eine Heldensage daraus gemacht: Hartz IV sei das größte Reformwerk seit 1945, und wer im Kampf dafür fällt, opfert sich für eine gute Sache. Im Übrigen gelte: weiter so.
Zum Symbol dieser Politik wurde Matthias Platzeck. Gerade in der Schlussphase des Wahlkampfs unterstützte er Hartz IV. Deshalb verlor er kräftig. Weil die geschwächte SPD aber dennoch stärkste Partei in Brandenburg blieb, wurde die Niederlage wie ein Sieg gefeiert. Sogar von einer Trendwende wird gesprochen. Angesichts der Tatsache, dass die SPD in Sachsen weniger als 10% hat und nur knapp vor der NPD liegt, klingt das wie Neusprech.
Die Genugtuung ist aber doch insofern berechtigt, als die CDU noch mehr verlor. Die Bundes- SPD interessiert sich längst nur noch für eines: die Wahl 2006. Ihre Rechnung geht dann auf, wenn auch die Union wegen Hartz abgestraft wird. Schröder muss sie jetzt ein bisschen weniger fürchten.
Damit steht auch der wirtschafts- und sozialpolitische Kurs der nächsten zwei Jahre fest: Hartz IV wird durchgesetzt. Es geht um Senkung der Lohnnebenkosten, also um die Interessen der Kapitalistenklasse. Aber es wird nicht nur die SPD sein, die sich opfert. An der Richtigkeit der »Modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« wird nicht gezweifelt, sie bleibt Dogma. Dieses ist unschlagbar: Hartz IV wird in jedem Bundestag eine Mehrheit finden, in dem CDU, CSU, FDP, Grüne und SPD zusammen über 50% der Sitze haben. Dass die bisherigen Volksparteien dabei gerupft werden, muss im Interesse der Sache (»Sozialreform«) hingenommen werden. Sie sind schließlich in Zeiten entstanden, in denen anderes erforderlich und möglich war als heute.
Die Wahlkampfstrategen der SPD spekulieren also darauf, dass sie 2006 den Wettbewerb der Verlierer gewinnen werden. Die Chancen dafür stehen gerade deshalb nicht schlecht, weil die Wahlen vom 19.September eine Abstimmung gegen Hartz IV gewesen sind. Sie wird sich 2006 wiederholen. Da Merkel und Merz den noch schärferen Kurs fahren als Schröder, wird dieser sich als das kleinere Übel darstellen können.
Hinzu kommt, dass Eintreten für Hartz IV demnächst als Antifaschismus verkauft werden wird. Nicht erst seit den 9,2% für die NPD in Sachsen, sondern schon seit den 4% im Saarland haben die Nazis eine Chance, in den nächsten Bundestag zu kommen. Das in Ost und West recht groß gewordene Segment der Nichtwähler gibt für sie noch einiges her. Vernünftigerweise wird gegen sie mobilisiert werden. Allerdings kann es sein, dass in dieser Bewegung Falschgeld in Umlauf gebracht wird: wer gegen Hartz IV sei, stärke die Faschisten. Insofern passt auch der Zwischenaufstieg der Nazis recht gut in das Kalkül derer, die kapitaldienliche Reformen durchziehen und die Opposition gegen den Sozialabbau schwächen wollen.
Das erfreulichste PDS-Ergebnis war der — wenngleich nur leichte — Zugewinn in Sachsen nach der Kampagne für Peter Porsch. Es kann als Anzeichen dafür gewertet werden, dass Stasi-Kampagnen nicht mehr viel bringen.
Ob die PDS selbst diese Lehre ziehen wird, wird sich an ihren anstehenden Personalentscheidungen in Sachsen ablesen lassen.
Noch wichtiger ist die Frage, wie es den Linken in Ost und West gelingt, nicht nur die Hegemonie in den Anti-Hartz IV — Bewegungen, die sie gegenwärtig zweifellos haben, zu behalten, sondern diese Mobilisierung auszuweiten. Ob das ein allererstes Thema der PDS-Führung ist, ist gegenwärtig noch nicht klar. Der Vorschlag ihres Vorsitzenden in der Schlussphase des Wahlkampfs, das ALG II auf 400 Euro zu erhöhen, weist nicht in diese Richtung. Dies schlösse nämlich, wäre er ernst gemeint, eine grundsätzliche Zustimmung zu Hartz, also einen Politikwechsel der PDS ein.
Aus mehreren Gründen ist es gegenwärtig unwahrscheinlich, dass diese Partei in Brandenburg an einer Koalition mit der SPD beteiligt wird. Der wichtigste: Schröder ist dagegen, und Platzek hat sich schon im Wahlkampf auf die Große Koalition festgelegt.
Damit bewahren sie die PDS vor einer Stunde der Wahrheit. Sie würde mit einer Regierungsbeteiligung in Potsdam ihr Scheitern bei der nächsten Bundestagswahl ebenso vorbereiten, wie einst der rot-rote Senat in Berlin mitverantwortlich war für das Debakel von 2002. Andererseits: Wagt sie zu scheinen, was sie ist, verzichtet sie auf Bundespräsenz und bemüht sich als ostdeutsche Regionalpartei ehrlichen Herzens um Regierungsbeteiligung, wo immer es geht.

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