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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2004, Seite 5

Klaus Ernst über den Aufbau der Wahlalternative

Die Aussichten für 2006 nicht gefährden

Bnmbnmb Wie baut sich eine neue Linkspartei in Deutschland auf? Wie greift sie die Impulse der Anti-Hartz-Bewegung auf, wie bereitet sie sich auf die Bundestagswahl 2006 vor? Angela Klein sprach mit KLAUS ERNST, 1.Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt und Sprecher der Wahlalternative — Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG).

Seit zwei Monaten gehen Hunderttausende auf die Straße gegen die Agenda 2010 und wollen eine Antwort auf die Frage, wie eine andere Politik gemacht werden kann. Von der WASG hört man dabei nichts, obwohl Sie selbst einmal die WASG als Form des Widerstands gegen Schröders Politik bezeichnet haben. Ist das nicht euer Terrain?

Doch. (Lacht.) Wir haben uns nie als Motor der sozialen Bewegungen verstanden, sondern als Teil von ihnen. Das bedeutet auch, dass wir total überfordert wären, wenn wir uns an die Spitze dieser Bewegungen stellen würden und sagen würden: Wir organisieren sie. Das ist nicht unser Job. Wir beteiligen uns daran in den Regionen, wo es uns gibt, insbesondere auch in den neuen Ländern. Dort sind wir ja vorne dabei. In Leipzig z.B. bei der Kundgebung, auf der Lafontaine aufgetreten ist, da waren es ja auch unsere Leute in dem Bündnis, die das organisiert haben.

Jetzt ist ja Lafontaine noch nicht Mitglied der WASG und kann schlecht als Sprecher derselben gelten. Man vermisst aber doch nicht, dass die Initiative sich an die Spitze stellt, sondern dass sie sich deutlicher und öffentlichkeitswirksamer gegen die Agenda 2010 äußert und Vorschläge macht, wie es denn anders sein soll.

Das halte ich für daneben. Wir haben unsere Position zu dieser Bundesregierung nun wirklich so deutlich formuliert, dass wir aus der SPD gleich ausgeschlossen wurden, deutlicher wäre es nicht möglich gewesen. Unsere Vorschläge für Alternativen haben wir bereits in der Pressekonferenz Anfang Juli sehr klar gemacht, und was wir wollen, ist jederzeit auf den Internetseiten und in unseren Flugblättern nachzulesen. Wir haben ein anderes Terrain. Wir glauben nicht, dass wir nur über Demonstrationen etwas verändern können, über Druck, der natürlich notwendig ist, wir glauben, es auch auf der politischen, parlamentarischen Ebene machen zu müssen.

Sie sagen, Sie wollen Sprachrohr der sozialen Bewegungen sein. Wie kommunizieren Sie mit ihnen?

Unsere Leute sind ja Teil der sozialen Bewegungen. Wenn ich mir unser Spektrum so anschaue, da sind Leute von Attac dabei, von den Gewerkschaften, selbst Leute aus der CDU, der SPD — das sind Leute, die sich der Sozialstaatlichkeit der Republik annehmen wollen, und da ist die Kommunikation einfach durch Personenidentität gegeben.

Attac und andere Initiativen würden die WASG aber nicht als ihr politisches Sprachrohr begreifen.

Das müssen sie auch nicht. Es gibt Leute bei Attac, die sagen, der Parlamentarismus ist sowie nicht das Wahre… Andere engagieren sich bei uns. Attac ist da auch nicht homogen.

Es geht immer um die Frage, wie sich denn eine neue politische Kraft in eine Kommunikation mit einer real stattfindenden sozialen Bewegungen treten will. Oder sagt ihr da: Die machen ihr Ding, und wir konzentrieren uns allein auf die nächsten Wahlen?

Nein, nein. Ein großer Teil unserer Aktiven sind selbst in diesen Bewegungen dabei. Die Kommunikation läuft schlichtweg darüber, dass wir an den entsprechenden Treffen beteiligt sind — z.B. auf der Aktionskonferenz in Frankfurt oder in den Gewerkschaften.

Ihr habt bisher eine Beteiligung an Wahlen, die vor der nächsten Bundestagswahl stattfinden, abgelehnt. Warum?

Nein, nein. Das haben wir nicht. Wir haben immer Folgendes gesagt — und bei dieser Haltung bleibt es auch, das haben wir auf der letzten Vorstandssitzung nochmal bekräftigt: Unser Projekt ist erst einmal ein bundespolitisches, weil die zentralen Fragen, derer wir uns annehmen, bundespolitische sind. Die Frage der Sozialstaatlichkeit wird nicht in Brandenburg entschieden. Dann haben wir gesagt: Wenn wir vor den Bundestagswahlen auf Landesebene antreten, dann darf dies das Bundesprojekt nicht gefährden, sondern muss es unterstützen.

Wie könnte es das gefährden?

Es könnte es gefährden, wenn wir mit einer Niederlage herausgehen.

Warum meinen Sie, dass die WASG z.B. in NRW nicht in den Landtag einziehen würde?

Das meine ich gar nicht. Ich habe nur gesagt, das muss man prüfen. Wenn wir zu der Einschätzung kommen, erstens wir kommen rein und zweitens, es schadet nicht, warum sollen dann unsere Freundinnen und Freunde in NRW nicht antreten, wenn sie ein landespolitisches Programm haben, und wenn sie entsprechende Kandidatinnen und Kandidaten haben? Die Frage ist, ob es so ist. Das muss genau geprüft werden. Was aus meiner Sicht falsch wäre, ist anzutreten, bei 4,5% zu landen und möglicherweise einen Regierungswechsel zu provozieren, wo die SPD sagen kann: Ihr seid Schuld, dass jetzt die Schwarzen regieren. Das wäre nicht hilfreich für uns bei der nächsten Bundestagswahl.

Wer entscheidet darüber, ob kandidiert werden soll?

Die Partei, die es dann gibt. Jetzt gibt es sie ja noch gar nicht.

Also der Landesverband.

Nein. Die Partei wird in ihrer Satzung festlegen, wie das entschieden wird. Ich gehe davon aus, dass es in Zusammenarbeit der Bundesebene mit der jeweiligen Landesebene passieren muss.

Mir fällt auf, dass die inhaltlichen Aussagen der WASG sich von denen der PDS nicht sehr unterscheiden.

Das sehe ich ganz anders. Wenn der Wirtschaftssenator von Berlin, Harald Wolf, sagt, dass die 1-Euro-Jobs eine alte Forderung der PDS sind, dann weiß ich, dass dies nun wirklich nicht unsere Position ist. Ich nehme zur Kenntnis, dass in Berlin Tarifverträge gekündigt wurden, mit Zustimmung der PDS. Das kann ich mir für unseren Verein nicht vorstellen.

Würden Sie denn in Berlin gegen den rot-roten Senat antreten wollen?

Selbstverständlich wollen wir auch im Osten antreten.

Also auch zu den Abgeordnetenhauswahlen 2006?

Erst einmal reden wir über die Bundestagswahl. Die Beteiligung an Landtagswahlen hängt davon ab, wie die Konsequenz dieser Beteiligung für die Bundespolitik ist. Wie ich bereits erwähnt habe, ist das jeweils einzeln einzuschätzen. Was wir in Berlin nicht unterstützen, ist das Volksbegehren zu Abwahl des Senat.

Im Moment ist aber doch Aufruhr im Land. Die Menschen sind empört und suchen nach einer Alternative auch im politischen Raum. Die Gelegenheit, eine solche aufzubauen, ist so günstig wie noch nie. Es scheint mir nicht nachvollziehbar zu sagen, eine Beteiligung an Landtagswahlen könnte weniger Erfolg versprechend sein als die Kandidatur zu den Bundestagswahlen.

Das ist eine Zeitfrage und eine inhaltliche Frage. Unser Zeitplan sieht so aus, dass wir die Partei frühestens im Februar haben werden.

Die Landtagswahlen sind später…

Die Landesliste in NRW müsste schon im April eingereicht werden. Wir werden den Zeitplan so machen, dass uns diese Option in NRW offen bleibt. Aber nochmal, wenn wir in NRW antreten und blieben bei 4,5% hängen, die der SPD fehlen, hätten wir dann einen Regierungswechsel zu den Konservativen, ohne dass wir im Landesparlament vertreten wären. Was hätten wir dann gewonnen? Nichts. Wir hätten dann in der Öffentlichkeit den Makel, dass wir, ob wir wollen oder nicht, zu einem Steigbügelhalter für die CDU geworden wären.

Das kann Ihnen bei der Bundestagswahl genauso passieren…

Drum sage ich auch: Ich gehe davon aus, dass wir nur dann bundesweit antreten, wenn wir reale Chancen haben hinein zu kommen. Gegenwärtig werden wir bei über 11% gelistet.

Sie können sich nicht vorstellen, dass diese guten Umfrageergebnisse auch für die Landesebene gelten?

Ich kann mir das schon vorstellen, dass wir da locker über die 5% sausen und im Landesparlament vertreten sind.

Das würde die Perspektiven für die Bundestagswahl ja verbessern.

Dann würde es die Aussichten verbessern, auch in finanzieller Hinsicht. Wir haben nicht gesagt, wir lehnen es ab, wir haben gesagt, es muss geprüft werden, in jedem Einzelfall.

Würden Sie denn bei der Bundestagswahl neben der PDS kandidieren wollen?

Selbstverständlich.

Es würde keine Absprachen geben?

Nein. Das PDS-Projekt im Westen ist sowieso tot. Wenn wir uns als PDS-Ableger im Westen aufstellen würden, bleiben wir bei 2% — wie im Saarland.

Sie bauen sich aber auch in Ostdeutschland neben der PDS auf?

Ja. Wir wollen nicht nur eine Westorganisation sein.

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