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Mit der Hilfe von Hartz IV soll u.a. ein neuer »Niedrigst«lohnsektor etabliert werden, der das bestehende
Tarifgefüge nicht unerheblich unter Druck setzen wird. Die Rede ist hier von den sog. 1-Euro-Jobs, die sich Wirtschaftsminister Clement in einer
Größenordnung von mindestens 600000 vorstellen kann. Nichts liegt vor diesem Hintergrund für Arbeitgeber näher, als dadurch ihren
Druck auf Beschäftigte zu erhöhen und dort, wo ihnen dies möglich ist, bestehende reguläre Arbeitsplätze durch die neuen
Beschäftigungsverhältnisse zu ersetzen. So hat bspw. eine kommunale Wohnungsgesellschaft in einem Berliner Stadtbezirk ihre sämtlichen
49 Hausmeister gekündigt und will an ihrer Stelle 1-Euro-Jobber einstellen.
Alternativen zu diesem Vorhaben der rot-grünen Regierung sind also nicht nur dringend
gefordert, sie liegen seit längerem vor. Zu erinnern ist hier bspw. an die beschäftigungspolitischen Vorschläge der Memorandum-Gruppe oder
ähnlich gelagerte Positionen, wie sie etwa von der Abteilung Wirtschaftspolitik von Verdi vertreten werden, oder die Vorstellungen der Abteilung
Sozialpolitik der IG Metall.
Auch die PDS hatte noch bis zum Ende der letzten Legislaturperiode Konzeptionen vorgelegt,
die eine deutliche Alternative zum neoliberalen Mainstream darstellen. Zu nennen sind hier v.a. das Beschäftigungspolitische Programm der PDS-
Bundestagsfraktion und insbesondere die Vorschläge zur Ausgestaltung eines »öffentlich geförderten
Beschäftigungssektors« (ÖBS), dessen Grundzüge von der PDS-Bundestagsfraktion schon in der vorletzten Legislaturperiode
entwickelt wurden.
Die Ursprünge des ÖBS gehen jedoch noch weiter zurück. Sie liegen
einerseits bei der Alternativbewegung der 70er und 80er Jahre, die die Forderung nach »Staatsknete« mit Vorstellungen eines selbstbestimmten
Arbeiten und Leben und insbesondere mit dem Genossenschaftsgedanken verband. Andererseits gehen sie, als Antwort auf die Beschäftigungskrise
insbesondere in Ostdeutschland, auf Teile der Nachwende-SPD, speziell die in Berlin, zurück.
Die PDS hatte also den ÖBS zwar nicht erfunden, ihr Verdienst war es jedoch, die
vorhandenen Vorstellungen systematisiert, den ÖBS in die Perspektive des ökologischen und sozialen Umbaus der
»Industriegesellschaft« gestellt und seine Fahne auch dann noch hoch gehalten zu haben, als SPD und Grüne schon längst Abschied
von ihm genommen hatten.
Nach den Vorstellungen der PDS sollte der ÖBS dreierlei leisten. 1. Projekte für
den ökologischen und sozialen Umbau entwickeln, 2. einen Beitrag zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit leisten und 3. demokratische
Beschäftigungsverhältnisse etablieren, insgesamt also einen Beitrag zu Stärkung der Zivilgesellschaft leisten.
Dabei war es selbstverständlich, dass sich die Vergütung auf der Basis
tarifvertraglicher Regelungen vollziehen sollte, um Lohndumping auf jeden Fall auszuschließen, was eine berechtigte Sorge aus Gewerkschaftskreisen
gegenüber einem ÖBS gewesen war. Gedacht war er als öffentlich geförderter »dritter Sektor« zwischen Staat und Markt,
mit je nach Projekt unterschiedlichen Möglichkeiten, eigene Mittel zu erwirtschaften und so die öffentlichen Zuschüsse zu vermindern.
Folgt man den jüngsten Verlautbarungen der PDS, dann soll mit diesen feinen
Vorstellungen vom ÖBS nun allerdings Schluss sein. Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (!) von Berlin, der PDS-Mann Harald Wolf hat
erklärt, dass die Berliner SPD-PDS-Koalition mit Hartz IV auch den von Clement geforderten Niedrigstlohnsektor umsetzen will. Im Gespräch sind
mindestens 30000 Niedrigstlohnjobs für künftige Empfänger von ALG II.
Auf die Frage, was die Regierungspartei PDS gegen eine solche Form der Lohndrückerei
unternehmen könne, antwortete Gregor Gysi auf einer Wahlkampfveranstaltung in Brandenburg: Sie könne allenfalls dafür sorgen, dass statt
einem Euro zwei Euro Stundenlohn gezahlt werde.
Da bei Ablehnung eines solchen Jobs durch Arbeitslose nach Hartz IV Einkommensverlust bis
zur vollständigen Streichung des Arbeitslosengelds droht, bedeutet dies die Etablierung von Zwangsarbeit für Niedrigstlohn durch die PDS.
Zwar wird in der PDS-Fraktion darüber diskutiert, den Zwang etwas abzumildern, indem
die Arbeitslosen einen Gutschein erhalten soll, mit dem sie sich z.B. bei verschiedenen Wohlfahrtsverbänden, die solche Jobs anbieten, bewerben. Auch
die endgültige Höhe der »Mehraufwandsentschädigung«, wie es so schön bürokratisch bemäntelnd
heißt, steht noch nicht fest: Sie wird vielleicht doch etwas über einem Euro pro Stunde liegen. All diese Nettigkeiten können jedoch nicht
über die genannte Grundcharakteristik hinwegtäuschen.
Ein weiter Fall von PDS-Übereifer, denn die Hartz-Gesetze sehen die Einführung
eines Niedrigstlohnsektors keineswegs zwingend vor, wie die Partei suggeriert. Sie könnte für Arbeitslose an Stelle dieses öffentlich
geförderten Beschäftigungssektors »neuen Typs« genauso gut ihr ursprüngliches ÖBS-Konzept etablieren.
Dazu müsste sie sich allerdings von ihrem neoliberalen Konzept der
Haushaltskonsolidierung durch Ausgabenreduktion verabschieden und bis zur Änderung der Steuergesetzgebung auf Bundesebene in den Ländern,
wo sie Regierungsverantwortung trägt, für eine Erhöhung der Kreditaufnahmen zur Ausweitung öffentlicher Investitionen und zum
Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung eintreten, womit sie natürlich erhebliche Konflikte mit der SPD in Kauf nehmen
müsste, bis hin zum Koalitionsbruch.
Über die unmittelbar Betroffenen hinaus, könnte die neue Linie der PDS in der
Beschäftigungspolitik noch weitere fatale Konsequenzen haben: Viele Menschen, insbesondere in Ostdeutschland, sind von den etablierten Parteien wegen
ihrer unsozialen Wirtschafts- und Sozialpolitik zutiefst enttäuscht und suchen nach politischen Alternativen. Eine Zeitlang schien dies, zumindest im
Osten, die PDS zu sein. Setzt sie dagegen in Regierungsverantwortung die Politik des Sozialabbaus weiter fort, könnte dies mit dazu beitragen
rechtspopulistische Kräfte zu stärken, die sich in letzter Zeit gerade den Kampf gegen Hartz IV auf ihre Weise auf die Fahne
geschrieben haben.
Andreas Hallbauer
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