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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2004, Seite 13

Massaker in Beslan

Putins Verantwortung

Die Geiselnahme in einer nordossetischen Schule durch ein tschetschenisches Kommando war ein grauenhaftes Verbrechen. Keine Verzweiflung kann eine solche Handlung rechtfertigen. Diejenigen, die das Ziel der Befreiung Tschetscheniens von russischer Herrschaft unterstützen, können diese Tat nur kompromisslos verurteilen.
Es ist anzunehmen, dass der größte Teil der tschetschenischen Bevölkerung im Kaukasus derartige Aktionen verurteilt. In London stellte der Vertreter des Tschetschenenführers Aslan Maschadow klar, dass seine Leute nichts mit der Geiselnahme von Beslan zu tun hatten: »Dies ist eine monströse Tat. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für das, was sie getan haben«, erklärte Achmed Sakajew im Sender Channel 4.
Aber die Art und Weise, wie diese Geiselnahme ihr Ende fand, enthüllt auch die ganze Verantwortung des Kreml. Es gab keinerlei ernsthaften Versuch zu verhandeln. Im Gegenteil, alles war für ein gewaltsames Ende vorbereitet. Eine beträchtliche Logistik wurde herangeschafft: T72-Panzer und Helikopter, mehrere Eingreifkommandos. Die Struktur des Gebäudes, in dem die Kinder festgehalten wurden, wurde analysiert, um es durch die Einwirkung von Bomben zum Einsturz zu bringen. Mit der offiziellen These, wonach es zuvor unerklärliche Explosionen im Schulgebäude gegeben habe, sollte die Öffentlichkeit getäuscht werden.
Die russischen Herrscher haben beschlossen, ihrer Macht gegenüber dem ungebrochenen tschetschenischen Widerstand Geltung zu verschaffen. Seit Mai nahmen die Zusammenstöße in Tschetschenien zu. Der Tod des moskauhörigen tschetschenischen Präsidenten Kadyrow und die Aktion von mehreren hundert Kämpfern in Narsran, der Hauptstadt Inguschetiens, sind die wichtigsten Beispiele.
Die russische Regierung hat in diesem Sommer eine Kampagne zur Wahl eines Nachfolgers für Kadirow organisiert, eine Farce, wie die Internationale Liga für Menschenrechte, FIDH, kritisierte:
»Hier werden dieselben Techniken der Manipulation wie bei der ›Wahl‹ Kadyrows angewandt: Der einzige glaubwürdige Kandidat wurde mit rein bürokratischen Mitteln ausgebootet. Die lokalen NGOs bestätigen, dass trotz der offiziell behaupteten massiven Wahlbeteiligung ein großer Teil der Bevölkerung sich nicht an der Wahl beteiligt hat. Stattdessen stellten sie fest, dass Wähler an verschiedenen Orten mehrfach ihre Stimmen abgaben. Ein Journalist der russischen Zeitung Kommersant, Mussa Muradow, der in Grosny offiziell registriert ist, hat dies getestet und konnte viermal am selben Tag wählen.«
Die Lage der tschetschenischen Bevölkerung wird immer dramatischer. Ihr wird jede Möglichkeit genommen, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden. Sie lebt unter außerordentlich prekären Bedingungen. Die letzten Flüchtlingslager wurden geschlossen, um eine Normalisierung der Lage vorzutäuschen. Schließlich unterstützt die internationale Gemeinschaft mehr und mehr Putin. Bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Ende August versicherten Schröder und Chirac diesem ihre Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus.
Folglich setzt Putin seine Politik fort und organisierte das Massaker in Beslan. Für den Kreml hat der Tod von 500 Menschen kein Gewicht gegenüber dem Willen, die russische Herrschaft über den Kaukasus als Mittel zur Wiederherstellung einer russischen Weltmacht durchzusetzen.
Aber die Folge dieser Politik ist das exakte Gegenteil des angestrebten Ziels. Der Krieg breitet sich im Kaukasus aus. Er hat nun die Grenze von Nordossetien überschritten, eine überwiegend christliche und nicht muslimische Republik, wo die Zivilbevölkerung zu begreifen beginnt, dass, um welche Religion es sich auch immer handelt, das Leben eines Kaukasiers nicht viel wert ist. »Das ist ein schwarzer Arsch«, sagen von Alters her die russischen Rassisten.

Xavier Rousselin (Rouge) (Übersetzung: Hans-Günter Mull)

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