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Irakische Widerstandskämpfer drängen die von den USA geführte Besatzung des Irak stetig zurück,
indem sie eine Stadt nach der anderen in eine »No-go«-Zone für die Besatzungstruppen verwandeln.
In den vergangenen acht Monaten wurden die US-Truppen erst aus Fallujah, dann aus Ramadi vertrieben. Das sind Städte westlich von Bagdad
mit jeweils 250000 bzw. 500000 Einwohnern. Samarra, 100 Kilometer nördlich von Bagdad gelegen, ist die bislang letzte Stadt, aus der die US-Truppen
vertrieben wurden [Stand von Mitte September].
Associated Press berichtete am 3.September, dass »Samarra, eine alte Stadt mit 250000
Einwohnern, berühmt wegen ihres Spiralminaretts aus dem 9.Jahrhundert, laut Bewohnern der Stadt und dem US-Militär von etwa 500
Kämpfern aus drei bekannten sunnitischen Rebellengruppen kontrolliert wird«. »Diese Leute sind gut ausgebildet und motiviert. Sie leisten
Widerstand und kämpfen«, äußerte sich Hauptmann Scott Synowiez, ein Aufklärungsoffizier der 1.Infanteriedivision, vor den
Toren der Stadt gegenüber AP. Zum Beispiel fochten am 14.August Widerstandskämpfer sieben Stunden lang gegen US-Panzereinheiten, die durch
wiederholten Abwurf von 500-Kilo-Bomben auf die Stellungen der Rebellen unterstützt wurden.
Die Washington Post vom 5.September berichtete, dass »im August etwa 1100 US-Soldaten im Irak verwundet wurden. Dies ist bei weitem die
höchste monatliche Rate seit dem Beginn des Krieges und ein Anzeichen der Intensität der in den städtischen Gebieten aufflammenden
Schlachten.«
»Laut der Kommandantur des US-Sanitätskorps widerspiegelt der massive
Anstieg von Verwundungen auf dem Schlachtfeld die über drei Wochen dauernden Kämpfe von zwei Armeen und einem Bataillon in der
südirakischen Stadt Najaf. Gleichzeitig sind US-Einheiten häufig in Kämpfe in einem ausgedehnten von Muslimen bewohnten Slum in
Bagdad sowie in den sunnitischen Städten Fallujah, Ramadi und Samarra verwickelt, die alle unter der Kontrolle von Aufständischen bleiben
zwei Monate nach der Übergabe der politischen Gewalt« an die Marionettenregierung des Irak von Washingtons Gnaden.
Die New York Times vom 5.September berichtete, dass »Samarra der Ort ist, wo das
amerikanische Militär zuletzt beschlossen hat, dass Rückzug der bessere Teil der Tapferkeit sein mag, auch wenn dann die Aufständischen die
Kontrolle übernehmen … Der Rückzug begann im Westen, in Fallujah, das die Marines im April umzingelt und angegriffen hatten.«
Tatsächlich zogen sich die US-Truppen Anfang Februar aus Fallujah, 55 Kilometer
westlich von Bagdad, zurück. Mitte März wurden sie durch Marineinfanteristen ersetzt, deren Kommandeure schworen, die Stadt
zurückzuerobern.
Nach einer blutigen, drei Wochen dauernden Belagerung, bei der mindestens 700 Bewohner
Fallujahs getötet wurden, bliesen die US-Kommandeure ihren Angriff ab, als dieser massive Solidaritätsdemonstrationen in Bagdad hervorrief.
»In den letzten Monaten ist der größte Teil des umgebenden Gebiets, die
Provinz Anbar, der amerikanischen Kontrolle entglitten«, fügt die New York Times hinzu. Aufständische bewegen sich ungehindert in der
Provinzhauptstadt Ramadi, und die Amerikaner scheinen eine permanente Präsenz in der Stadt aufgegeben zu haben.«
»Es gibt selbstverständlich einen großen Unterschied zwischen den Rückzügen aus Fallujah und Samarra und denjenigen aus
den schiitischen Städten. In Karbala und Najaf machten die Amerikaner den Weg frei für irakische Polizeibeamte … In Orten wie Fallujah,
Samarra und Ramadi dagegen erscheinen die Amerikaner und die irakische [Marionetten-]Regierung ihren Einfluss verspielt zu haben. Bewohner aller drei Orte
behaupten, dass die Aufständischen am Ruder sind.«
Die US-Kommandeure stimmten dem Rückzug ihrer Truppen aus dem Zentrum von
Najaf, 150 Kilometer südlich von Bagdad, sowie aus Kufah, der nahegelegenen heiligen Stadt der Schiiten, zu, nachdem Ende August Vertreter des
Großayatollahs Ali Sistani, der angesehnste schiitische Geistliche im Irak, ein Abkommen ausgearbeitet hatten.
Als der formelle Waffenstillstand in Najaf in Kraft trat, kündigte der oppositionelle
Schiitenführer Moqtada al Sadr an, seine Mahdi-Miliz, die sich drei Wochen lang offene Schlachten mit den US-Truppen in Najaf geliefert hatte, werde
die Angriffe auf die Besatzungsstreitkräfte einstellen. Sadrs Vertreter versuchten nun, einen gegenseitigen und dauerhaften Waffenstillstand mit den US-
Militärs zu erreichen.
Am 30.August wurde im Auftrag Sadrs bekanntgegeben, dass dessen Bewegung sich an der
für den 2.Januar geplanten Parlamentswahl auf einer Plattform beteiligen würde, die den Rückzug der US-Besatzer fordert. »Wir haben
getan, was ihr verlangt habt, um Frieden zu schließen. Zwingt uns nicht, wieder zu kämpfen«, warnte Scheich Nasser al Saadi, ein Sprecher
Sadrs, am 3.September in seiner Predigt in der zentralen Moschee von Sadr-Stadt, dem riesigen schiitischen Slumviertel in Bagdad, das nach Moqtada al Sadrs
Vater benannt wurde, einem angesehenen Ayatollah, der ein Opfer des Saddamregimes war. Sadr-Stadt wird von etwa 2,5 Millionen Menschen bewohnt und ist
eine Hochburg der Mahdi-Armee.
Doch das US-Kommando bleibt entschlossen, Sadrs Bewegung zu zerschlagen. AP berichtete
am 2.September, dass Generalmajor Peter Chiarelli, Kommandant der 1.Kavalleriedivision der US-Armee, behauptet hat, die US-Streitkräfte
müssten Sadr-Stadt wieder einnehmen und die Mahdi-Armee entwaffnen. »Wir sehen sehr deutlich, dass Sadr-Stadt nicht Najaf ist«,
äußerte sich Chiarelli gegenüber AP. »Wir haben hier vollkommen andere Verhältnisse«, fügte er hinzu und meinte
damit anscheinend, dass es in diesem riesigen Slumbezirk keine Heiligtümer der Schiiten gibt.
»Zivile Verluste in dem dicht besiedelten Bezirk zu vermeiden, ist jedoch ein
schwieriges Unterfangen«, warnt der AP-Bericht und fügt hinzu: »Einige Beobachter behaupten, dass die Angriffe auf Sadrs Kräfte nur
seine Popularität erhöht haben, besonders weil er zweimal daraus unversehrt mit seinen Milizen herausgekommen ist.«
Am 6.September berichtete AP, dass Generalleutnant Thomas Metz, der zweithöchste Offizier der USA im Irak, Reportern berichtet hatte, ein US-
Angriff auf eine oder mehrere der drei wichtigsten »No-go«-Zonen darunter Fallujah in den nächsten vier Monaten sei
wahrscheinlich.
»Metz Ankündigung kam nach einem Monat, in dem die US-
Streitkräfte im Tagesdurchschnitt fast einhundert Angriffe durchführten die höchste Intensität seit dem Ende der eigentlichen
Kriegshandlungen im vergangenen Jahr«, berichtete AP. »Die von den Rebellen gehaltene Stadt Fallujah ist für Metz das größte
Hindernis. Das zweitgrößte Problem für das US-Militär ist Samarra … Neben diesen Zentren der Rebellion bleiben weite Teile
des Irak außerhalb der Kontrolle der Regierung … Dazu gehören sunnitische Gebiete nördlich und westlich von Bagdad und, vielleicht,
südliche schiitische Städte wie Basra.«
Die US-Kommandeure erkennen nun an, dass ihre frühere Schätzung der Zahl der
irakischen »Vollzeit-Widerstandskämpfer« 5000 viel zu niedrig liegt. AP berichtete am 5.September, ein Sprecher der US-
Armee habe eine Zahl von »bis zu 12000 Vollzeit-Aufständischen« genannt. Nicht mitgezählt sind hier die 3000 regulären
Soldaten der Fallujah-Schutztruppe, einer Rebellenstreitkraft, die von irakischen Armeeoffizieren kommandiert wird und der das US-Kommando am 1.Mai die
Kontrolle über die Stadt übergeben hatte.
Am 3.September begannen die US-Marineinfanteristen ihren ersten direkten Angriff auf die
Fallujah-Schutztruppe, die die Besatzer »Fallujah-Brigade« nennen, um den Eindruck zu erwecken, sie sei Teil der Streitkräfte der irakischen
Marionettenregierung. Laut Hauptmann Majid Ahmad Salim, Kommandeur der Schutztruppe im Süden der Stadt, griffen US-Panzer einen Checkpoint am
Rande der Stadt an, wobei zwei irakische Soldaten getötet und zwei verwundet wurden. Außerdem wurden durch Granaten zwei Zivilisten
getötet und vier bei dem Angriff verwundet.
Am Tag zuvor wurden bei US-Luftangriffen auf zwei, angeblich »Terroristen«
beherbergende Häuser 17 Personen getötet, darunter drei Kinder. Die US-Armee hatte Ende Juni mit wöchentlichen Angriffen auf Fallujah
begonnen, nachdem die Fallujah-Schutztruppe sich geweigert hatte, dem Befehl des US-Kommandos nachzukommen und die Bewohner der Stadt zu entwaffnen.
Nach amerikanischen Zeitungsberichten vom 6.September wird Fallujah von einer
neuentstehenden Baath-Partei als »Modell zur Rekrutierung neuer Mitglieder« benutzt. Die wiederbelebte Baath-Partei ist »gut
ausgerüstet mit Computertechnologie und rekrutiert Tausende von enttäuschten, verarmten sunnitischen Irakern. Sie bildet sich zu einer
Widerstandsbewegung, die eine ernsthafte Herausforderung der Regierung darstellt.«
»Es gibt zwei Regierungen im Irak«, sagt Mithal al Alusi, Generaldirektor der
nationalen Regierungskommission für die »Entbaathifizierung«. »Die Neo-Baathisten«, so Alusi, »stehlen der neuen
Regierung die Macht. Ihre Arbeit ist organisiert und stark.«
Doug Lorimer Aus: Green Left Weekly (Sydney), Nr.598, 15.9.2004 (Übersetzung: Hans-
Günter Mull).
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