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Carola Möller ist 1929 in Bonn geboren, ein Teil ihrer Sozialisation fiel noch in die Zeit des Nationalsozialismus. Nach
dem Besuch der Volksschule besuchte sie drei Jahre lang eine Höhere Schule, verbrachte die letzten beiden Schuljahre jedoch hauptsächlich im
Luftschutzkeller. Gut in Erinnerung ist ihr das aufwändige Organisieren von Lebensmitteln, aber auch die Pogromnacht 1938 und die Überfalle auf
Juden. Schon als Kind wusste sie, dass Theresienstadt etwas Schlimmes bedeutete, wenn sie die Zusammenhänge auch nicht ganz begriff.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sie sich intensiv mit dem Nationalsozialismus
auseinander zusetzen. Sie wollte, dass das, was sie von ihren Eltern und aus vielen Büchern wusste, nie wieder passieren sollte, und konnte nicht
verstehen, dass die Adenauer-Regierung zu Beginn der 50er Jahre wieder an militärische Wiederaufrüstung dachte und auch durchsetzte. Beim
Kampf um die Notstandsgesetzgebung erlebte sie ihre ersten eigenen politischen Aktionen.
Ihre Diplomarbeit von 1953, Die Wohnungswirtschaft im Staate Israel ist heute immer noch
aktuell, ebenso wie die im Jahr 1966 veröffentlichte Dissertation mit dem Titel Die Einfügung der ungelernten Jungarbeiterin in den industriellen
Arbeitsprozess. Es war die erste industriesoziologische Untersuchung über die Arbeitssituation von ungelernten Jungarbeiterinnen und der Beginn von
Carolas Karriere als Frauenforscherin, zu einer Zeit, wo es noch gar keine Frauenforschung gab.
In den 70er Jahren stieg sie in die feministische Politik ein und begleitete nicht zuletzt
auch mit ihren Forschungsarbeiten die kapitalistisch-patriarachalischen Verhältnisse in der BRD kritisch. Selbstorganisation statt Hierarchie,
Spontaneität statt Bürokratie und »das Private ist politisch« waren von nun an ihre Parolen, mit denen sie nicht selten mitten in
Konfliktfeldern stand.
Hellsichtig hat sie aktuelle (frauen)politische Themen soziologisch analysiert: Gesellschaftliche
Funktionen der Konsumwerbung (1970), Arbeitslose. Was sie denken, was sie leiden (1977), Leiharbeit. Formen und Auswirkungen (1980), Ungeschützte
Beschäftigungsverhältnisse. Verstärkte Spaltung der abhängig Arbeitenden (1983), Die Illusion vom Sozialstaat (1985), Flexibel in die
Armut (1989), Lean Production. Japanischer Joker (1993), Wirtschaften für das »gemeine Eigene« (1997) das waren nur einige der
Arbeiten, die im Laufe der Jahre erschienen sind und mit denen sie einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der ungeschützten sozialen und
ökonomischen Lage von Frauen geleistet hat.
Zahlreiche Frauenzusammenhänge, die hier nicht alle genannt werden können,
gehen auf ihre Initiative zurück: 19751982 war sie am Aufbau des ersten autonomen Frauenhauses in Köln beteiligt, half 1978 dem Verein
Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis auf die Füße und gründete im gleichen Jahr die Beiträge zur feministischen Theorie und
Praxis mit. 1988 war sie Mitbegründerin der »Frauen-Anstiftung« und des Stiftungsverbands »Regenbogen« und arbeitete
zeitweise im Vorstand mit.
1989 ging das Frauenforum Ökonomie und Arbeit, das zur Hälfte aus Ostfrauen
und zur Hälfte aus Westfrauen besteht und sich vor allem mit alternativen Wirtschaftsformen in verschiedenen Facetten beschäftigt, auf ihre
Initiative zurück. Sie gehörte dem selbsternannten Bonn-Kölner Streikkomitee an, das 1994 den bundesweiten Frauenstreik ausrief und ein
»bundesweites feministisches Bündnis« zur Folge hatte.
Den Höhepunkt ihres Schaffens bildet zweifelsohne die 1996 durch sie ins Leben
gerufene »Stiftung Fraueninitiative«, die (zunächst) das Thema »Gemeinwesenorientiertes Wirtschaften« in den Mittelpunkt
stellt und Stipendien zur Stärkung und theoretischen Reflexion solcher Ansätze vergibt.
Carola selbst hat sich von den frustrierenden »Lageanalysen« verabschieden
wollen, um sich ganz mit dem Entwickeln von Alternativen zu beschäftigen. Das scheint ihr nicht wirklich zu gelingen, denn seit einigen Wochen sieht
man sie bei den Kölner Montagsdemonstrationen gegen den Sozialabbau in vorderster Reihe.
Gisela Notz
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