SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2004, Seite 22

Bloody Sunday

Bloody Sunday, GB/Irland 2002, Regie: Paul Greengrass, mit James Nesbitt, Allan Gildea, Gerard Crossan, Mary Moulds u.a. (Seit dem 26.8.2004 in den Kinos, www.paramountclassics.com/bloodysunday/)

Am 30.Januar 1972 ereignete sich in der nordirischen Stadt Derry (von den Briten »Londonderry« genannt) ein Massaker, das als »Bloody Sunday« (Blutiger Sonntag) in die irische Geschichte einging. Eine friedliche Demonstration der nordirischen Bürgerechtsbewegung wird von britischem Militär beschossen, 30 Menschen — ausschließlich Demonstrierende — werden verletzt, davon 13 tödlich. Nach der offiziellen Darstellung der britischen Armee wurden die Soldaten von Angehörigen der IRA beschossen und setzte sich nur zur Wehr. Allerdings war keines der Opfer bewaffnet. Der »Bloody Sunday« markiert für Nordirland das Ende der pazifistischen Bürgerrechtsbewegung.
Der Film ist im Stil eines Dokumentarfilms gedreht. Im Mittelpunkt des Films steht Ivan Cooper, der 1972 Abgeordneter von Derry im nordirischen Parlament war. Er gehörte der »katholischen« SDLP (Social Democratic Labour Party) an, war aber Protestant. Er war einer der führenden Köpfe der nordirischen Bürgerrechtsbewegung am Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre. James Nesbitt, der Cooper in dem Film verkörpert, ist ebenfalls nordirischer Protestant und wird seit dem Film von vielen anderen nordirischen Protestanten als Nestbeschmutzer angesehen. Eine seltene Gemeinsamkeit zwischen Darsteller und dargestellter Person. Beide sollen sich während der Dreharbeiten auch persönlich angefreundet haben.
Es wird aber nicht nur aus der Perspektive Coopers erzählt. Es gibt auch noch die Sichtweise eines jungen Katholiken aus Derry, eines jungen britischen Soldaten der Fallschirmjägertruppe und des britischen Brigadegenerals McLellan, der der Einsatzleiter von Militär und Polizei war. Trotz dieser ausgewogenen Verteilung der Perspektiven ist der Film klar parteiisch zugunsten der Bürgerrechtsbewegung. McLellan wird als jemand dargestellt, der die Eskalation zu verhindern versucht und der junge britische Soldat ist der Zweifler in seiner Einheit, der die Feindbilder seiner Kameraden nicht teilt.
Der Film ist über weite Strecken mit Handkamera aufgenommen, die hinter den Protagonisten durch das zunehmend chaotischer werdende Geschehen der Demonstration eilt. Man wird dadurch sehr unmittelbar in das Geschehen hineingezogen. Teilweise meint man geradezu, man nähme selber an der Demonstration teil.
Der Film setzt allerdings sehr viel an Wissen über den Nordirlandkonflikt voraus. Man erfährt nicht viel über die politische Ziele der Bürgerrechtsbewegung, außer dass durch die häufige Nennung des Namens von Martin Luther King und dem Singen des Liedes »We shall overcome« eine Brücke zur Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen in den USA geschlagen wird. Was die IRA ist, bleibt ebenso im Dunkeln wie der Charakter der »protestantischen« Gegenseite, der Unionisten. Dadurch dass von Bürgerrechtsbewegung die Rede ist, wird immerhin das Vorurteil angekratzt, es handele sich beim Nordirlandkonflikt um einen Religionskrieg zwischen Katholiken und Protestanten.
Die Ereignisse des »Bloody Sunday« werden dafür fast minutiös geschildert. Die Verantwortung der britischen Armee für die Eskalation wird im Film deutlich. Die Soldaten agieren gegen unbewaffnete Demonstrierende wie gegen eine feindliche Armee. Allein schon die Tatsache, dass es unter den Soldaten noch nicht einmal Verwundete gab, spricht gegen die These von einem militärischen Angriff aus der Demonstration auf das britische Militär und die Polizei. Wer konkret die Verantwortung für das Massaker trägt, lässt der Film offen. Dass die Verantwortung aber letztlich bei den britischen Behörden zu suchen ist, daran lässt der Film zumindest implizit keinen Zweifel.
Der Film ist ein weiteres Lehrstück darüber, wie Gewalt entsteht und wohin sie führen kann. Er ist technisch hervorragend gemacht. Die Darstellerinnen und Darsteller agieren glaubwürdig. Deswegen ist der Film trotz seiner Defizite hinsichtlich der Darstellung der Zusammenhänge absolut sehenswert.

Andreas Bodden

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang